Eröffnung der Namur-Hauptsitzung 2022 durch Dr. Felix Hanisch

Dr. Felix Hanisch eröffnete die Namur-Hauptsitzung am 10.11.2022 (Bild: Redaktion)

Es scheint fast so, als ob die Namur in unsicheren Zeiten auf Nummer sicher gehen will: Mit dem Dauerbrenner-Thema Funktionale Sicherheit rückt der Anwenderverein nach zweijähriger Corona-Zwangspause ein heißes Eisen in den Mittelpunkt: Der Nachweis der Funktionalen Sicherheit ist Grundvoraussetzung dafür, dass der Betrieb einer Anlage genehmigungsfähig ist. Und die Betreiberpflichten enden nicht nach der Planung, sondern machen den Prozessautomatisierern und Sicherheitsexperten über den kompletten Anlagen-Lebenszyklus viel Arbeit. "Sustainable Lifecycle Risk Management" heißt deshalb die Überschrift über dieser Namur Hauptsitzung, die vom 10. bis 11. November in Neuss stattfindet.

Der Sitzungssponsor Hima hat auf die Frage, wie sich Funktionale Sicherheit über den Lebenszyklus einer Anlage nachhaltig managen lässt, eine klare Antwort mit im Gepäck: Ohne Digitalisierung geht es nicht. Der auf Safety-Lösungen spezialisierte Anbieter aus dem badischen Brühl will dazu den Spagat zwischen Compliance, Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit schaffen.

Die Anwender setzen ebenfalls Schwerpunkte in Sachen Effizienz: Sie wollen beispielsweise die neue Kommunikationsphysik Ethernet-APL auch für Sicherheitseinrichtungen nutzen. Doch auch die Gretchenfrage steht im Zentrum: Wird die Digitalisierung der Funktionalen Sicherheit die Büchse der Security-Pandora öffnen? Wir dürfen uns in den kommenden beiden Tagen auf spannende Diskussionen freuen.

11.11., 12:30 Uhr: Schneider Electric wird Sponsor der Namur-Hauptsitzung 2023

Frank van Boomen, Covestro, vertritt die Sicht der Anlagenbetreiber
Frank van Boomen, Covestro, vertritt die Sicht der Anlagenbetreiber und formuliert Wünsche an die Prozessautomatisierer (Bild: Redaktion)

Open Automation and Digitalization for Sustainability and Efficiency“ lautet das Motto der kommenden Namur Hauptsitzung, die dann von Schneider Electric gesponsort wird.

In seiner Zusammenfassung appelliert Felix Hanisch an die Prozessautomatisierer: „Für mich ist APL die letzte Chance, die Digitalisierung im Feld wirklich zu erreichen. Wir müssen Ethernet bis zum Feldgerät hinkriegen.“ Seine Aufforderung an die aktiven Namur-Mitglieder: „Identifiziert in den Arbeitsgruppen die wichtigen Punkte, die wir jetzt richtig machen müssen, damit APL nicht der nächste Feldbus wird“

Damit endet die Namur-Hauptsitzung 2022.

11.11., 12:00 Uhr: Betreiber haben klare Erwartungen an die Prozessautomatisierer

Frank van Boomen, der als Chemieingenieur im Namur-Vorstand den Kunststoffhersteller Covestro vertritt, verdeutlicht, worum es den Betreibern geht: „Wir erwarten von Automatisierung neue Technologien die zukunftssicher sind - aber keine Überraschungen.“ sagt van Boomen und ergänzt: „Wir wollen Geld verdienen, abrer noch wichtiger als Geld zu verdienen ist die Sicherheit der Anlagen.“ „Die besten Anlagen, die von uns betrieben werden, arbeiten auf standardisierte Weise. Als Betreiber möchte ich jeden Tag sehen, ob wir gewinnen oder verlieren. Diese Information muss Automatisierung liefern“, fordert van Boomen. Sein Appell an die Automatisierer: „Sprechen Sie nicht zu techisch, sondern sprechen Sie in Möglichkeiten.“

 

11.11., 11:00 Uhr Offener Industriestandard für Cloud-Integration gefordert

Sebastian Gau, BASF, zeigt, dass die Cloud-Vielfalt in der Industrie weiter steigt.
Sebastian Gau, BASF, zeigt, dass die Cloud-Vielfalt in der Industrie weiter steigt. (Bild: Redaktion)

Clouds sind toll - jeder sollte seine eigene haben. Das Bonmont, das wir von Standards kennen, bereitet den Anwendern Probleme. Sebastian Gau, BASF, zeigt, dass die Vielzahl der Cloudlösungen, die von den Anlagenbetreibern genutzt werden, zu einem Wildwuchs führt. Gau: „Es gibt zu viele verschiedene Clouds und es werden unheimlich viele Daten in unterschiedlichste Clouds kopiert - wir sehen uns inzwischen einem „Internet der Clouds“ gegenüber. Eine Sicht die auch Christoph Berlin, Microsoft, teilt: „Die Cloud heute ist das USB-Stecker-Problem von morgen“, verdeutlicht Berlin anhand der Analogie zur aktuellen Standardisierung von USB-Gerätesteckern durch die EU. „Wir brauchen einen offenen Industriestandard für Cloud Integration“, plädiert Berlin.

11.11., 10:30 Uhr: Roboter unterstützen und ersetzen Anlagenpersonal

Roboter-Vortrag auf der Namur Hauptsitzung
Das Nutzenpotenzial von Robotern in der Chemie wurde im Hauptvortrag deutlich. (Bild: Redaktion)

Peter Welter, BASF, und Yanick Kleppinger, Merck, zeigen in ihrem Vortrag mögliche Potenziale für den Einsatz von Robotern in der Chemischen Industrie und den aktuellen Entwicklungsstand auf. Peter Welter verdeutlicht dabei, das innerhalb von 10 Jahren mit deutlichen Weiterentwicklungen zu rechnen ist. Aus Sicht von Yanick Kleppinger ist die Akzeptanz ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Nutzung: „Wir müssen es schaffen, dass die Menschen, die mit dem Roboter arbeiten müssen, für den Roboter und nicht gegen diesen sind.“ Besonderes Potenzial sehen die Experten im Einsatz in den Betrieben: „Wir sehen klare Chancen für Roboter, die Inspektionsrundgänge machen.“ Auf einem Wettbewerb im Rahmen der Achema im August wurde allerdings auch deutlich: Die Zuverlässigkeit der Roboterlösungen muss noch steigen. Dennoch sind die Fortschritte bereits beachtlich und das Nutzenpotenzial zum Greifen nah.

11.11., 10:10: Digitalisierung hilft bei der Klimaneutralität

Dr. Klaus Schäfer beim Vortrag auf der Namur
Dr. Klaus Schäfer, Covestro, beschreibt die Nutzenpotenziale der Digitalisierung im Hinblick auf Klimaneutralität. (Bild: Redaktion)

Dr. Klaus Schäfer, Technik-Vorstand von Covestro, zeigt die Potenziale der Digitalisierung im Hinblick auf die Vermeidung von CO2-Emissionen und das Schließen von Kreisläufen in der Kunststoffindustrie. Er zitiert den Covestro-Vorstandschef Dr. Markus Steilemann: „Alles, was wir digitalisieren können, werden wir digitalisieren.“ Der Kunststoffhersteller hat sich vorgenommen, die Produktion zirkulär zu machen. „Digitale Lösungen liefern Nachhaltigkeitskennzahlen über die gesamte Lieferkette und Blockchain-Technolgie macht die Nachhaltigkeit nachweisbar“, nennt Schäfer ein Zielbild. „Digitalisierung wird dazu führen, das vieles sehr viel schneller werden wird. Daten werden zu Informationen. Aber es bleibt die Frage, wie das unsere Geschäftsmodelle transformieren wird“, erklärt Schäfer.

11.11., 09:00 Uhr: Tag 2 der Namur-Hauptsitzung startet

Fitnesseinheit zum Start des 2. Tages der Namur-Hauptsitzung 2022
Fitnesseinheit zum Start des 2. Tages der Namur-Hauptsitzung 2022 (Bild: Redaktion)

Mit einer Fitnesseinheit aus den 80er Jahren startet Moderator Stefan Krämer mit den rund 600 Teilnehmern den zweiten Tag der Namur-Hauptsitzung. Heute auf dem Programm: Verleihung des Namur-Awards, die Rolle der Automatisierung beim Klimaschutz, Roboter in der chemischen Industrie und Cloud@OT. Stay tuned!

12:30 Uhr: Mögliche Cyberangriffe auf Sicherheitssysteme dürfen nicht unterschätzt werden

Dirk Hablawetz und Jens Wiesner diskutieren die Unterschiede zwischen Safety und Security
Dir Hablawetz und Jens Wiesner diskutieren die Unterschiede zwischen Safety und Security (Bild: Redaktion)

Dirk Hablawetz, BASF, und Jens Wiesner vom BSI liefern Diskussionsanstöße über die Gefahr, dass die Digitalisierung der Funktionalen Sicherheit zu einem Risiko für Hackerangriffe auf die Sicherheitssysteme werden kann. Wiesner stellt klar, dass die Betriebs-Informationstechnik (OT) derzeit so lange sicher ist, wie die Angriffe auf die IT abgewehrt werden. „Ich bin mir aber sicher, dass die Angriffe auf die OT kommen werden. Klar wurde im Vortrag, in dem sich Hablawetz als Vertreter der Safety und Wiesner als Vertreter der Security zunächst als Antagonisten gegenüberstanden, dass Safety und Security zu einem unterschiedlichen Schadensausmaß führen. Dem Ausfall einzelner IT-Geräte und -systeme kann in der Prozessindustrie der Ausfall oder sogar ein Vorfall mit weitgehenden Konsequenzen für Mensch und Umwelt gegenüberstehen.

Safety im Kontext Life Cycle und Nachhaltigkeit

Dr. Felix Hanisch, Bayer, und Dr. Michael Krauss, BASF, betrachten Safety im Kontext Life Cycle und Nachhaltigkeit. Dr. Felix Hanisch beschreibt die Herausforderungen für die Prozessindustrie - zu denen neben der demografischen Entwicklung in den Betrieben auch die globalen Risiken durch den Ukrainekrieg, aber auch die Dekarbonisierung gehören.

Deshalb, aber auch aufgrund der generellen Trends wie Demografie und anderen sind die Betreiber bemüht, den Aufwand in der Funktionalen Sicherheit zu reduzieren. „Frisst zum Schluss die Funktionale Sicherheit unsere Wettbewerbsfähigkeit auf?“, fragt Dr. Michael Krauss und zeigt, dass anhand der Betriebsdaten, die in der Anwender-Datenbank Namur Smart gesammelt werden, ein Trend hin zu höheren Sicherheitsanforderungen zu sehen ist. Doch das steigende Risikobewusstsein sorgt auch für einen deutlich höheren Aufwand: „Wir müssen bei der Risikobetrachtung besonnen mit unserem akzeptablen Restrisiko und der gewünschten Risikoreduktion umgehen“, sagt Krauss.

Genug Diskussionsstoff für die Mittagspause. Am Nachmittag stehen diverse Workshops auf dem Programm.

12:15 Uhr: Ethernet-APL soll für Sicherheitssysteme genutzt werden

Karl-Heinz Niemann und Marc Risser zeigten, warum Ethernet-APL für Safetysysteme sicher ist.
Karl-Heinz Niemann und Marc Risser zeigten, warum Ethernet-APL für Safetysysteme sicher ist. (Bild: Redaktion)

Prof. Karl-Heinz Niemann von der Hochschule Hannover und Marc Risser, BASF, brechen in ihrem Hauptvortrag eine Lanze für den Einsatz der neuen Ethernet-APL-Kommunikation in Sicherheitssystemen. „Sicherhheit gewinnt an Bedeutung: PLT/IO-Meengengerüste verschieben sich weiter in Richtung Sicherheitssteuerungen. Aber Dokumentation und Wiederkehrende Prfungen erfordern sehr hohen Aufwand“, sagt Marc Risser und ergänzt: „Dazu kommt der demografische Wandel - erfahrene Fachkräfte verlassen die Unternehmen.“ Für die Anwender wird die Frage drängend, wie sich die Lücke in Zukunft schließen lässt. Und die Antwort besteht darin, auch die Funktionale Sicherheit selbst zu automatisieren. Eine wichtige Rolle wird dabei künftig der Einsatz der neuen Kommunikationstechnik Ethernet-APL spielen. Denn die neue Ethernet-Physik erlaubt die Übertragung deutlich größerer Datenmengen und kann mit dem in der Praxis bereits bewährten Ethernet-Prodokoll Profisafe genutzt werden.
Niemann erklärt eindrücklich, wie es Ethernet APL im Gegensatz zu bislang genutzten Techniken wie die Hart-Kommunikation schafft, eine durchgängige Sicherheit vom Feldgerät bis zur CPU der Sicherheitssteuerung zu erreichen. Zudem ermöglicht es die Ethernet-APL-Kommunikation, dieselben Feldgeräte sowohl für Regelaufgaben, als auch für Safetyaufgaben einzusetzen. Im Betrieb lassen sich verbaute Ethernet-APL-Geräte durch Aktivieren des APL-Stacks für Safetyaufgaben parametrieren. Doch momentan besteht noch das Henne-Ei-Problem: Es gibt kaum Geräte und auch wenig Nachfrage.

10:30: Selbst zertifizierte Produkte haben Sicherheitslücken

Peter Sieber, Hima, zeigt, dass eine Security-Zertifizierung nicht ausreicht
Peter Sieber, Hima, zeigt, dass eine Security-Zertifizierung nicht ausreicht, um Sicherhheitssysteme gegen Hacker-Angriffe abzusichern (Bild: Redaktion)

Security braucht mehr als nur Zertifizierung: Damit dabei die ursprüngliche Sicherheitsfunktion nicht beeinträchtigt wird, sind Security-Maßnahmen extrem wichtig. Peter Sieber, Vice President Strategic Marketing bei HIMA, sorgt für Diskussionsstoff mit der These „Security by Design bleibt eine Illusion“. Er zeigt, dass Security dabei nicht nur eine Aufgabe bei der Entwicklung der Sicherheitssysteme ist, sondern vor allem auch in der Betriebsphase gelebt werden muss: „Eine Security-Zertifizierung der Produkte allein schafft weder Safety noch Security! Produkte müssen robust ausgelegt werden, um Security-Angriffen Stand zu halten“, verdeutlicht Sieber. Denn rund die Hälfte aller zertifizierten Produkte haben Sicherheitslücken und sind angreifbar.

Mit dem Kapseln der Sicherheitseinrichtungen - von den Feldgeräten bis zu den Bedien- und Beobachtungssystemen - in einem Seurity Environment kapseln. „Die Sicherheitsfunktion bleibt auch dann gewährleistet, wenn die betrieblichen Automatisierungssysteme gehackt wurden“, sagt Sieber.

10:15 Uhr: Funktionale Sicherheit wird zur Datendrehscheibe

Digitalisierung der Funktionalen Sicherheit ist das Thema des Vortrags von Hima
Digitalisierung der Funktionalen Sicherheit ist das Thema des Sponsorenvortrags von Hima (Bild: Redaktion)

Jörg de la Motte, CEO des auf Sicherheitslösungen spezialisierte Unternehmens Hima, umreisst das Thema Digitalisierung der Funktionalen Sicherheit und zeigt, dass die Anforderungen an die Betreiber in der Funktionalen Sicherheit weiter steigen: „Die Systeme der Funktionalen Sicherheit wandern aus einer Randposition heraus immer weiter ins Zentrum der Anlagenautomatisierung”, verdeutlicht de la Motte: „Früher galt: Sicherheitssysteme sind vorhanden, schalteten hin und wieder die Anlagen ab und liefern spärliche Informationen über das ´Warum` aufgrund magerer Daten, die über simple Schnittstellen übertragen wurden. Wir sehen, dass sich das aufgrund des Trends zu Digitalisierung ändert“. Mit einem cleveren Obszoleszensmanagement sorgt der Hersteller gleichzeitig für Nachhaltigkeit im Lebenszyklus der Sicherheitseinrichtung.

09:40: Namur bestätigt Vorstand und gründet APL Task Force

Dr. Felix Hanisch stellt die aktuellen Vorhaben der Namur vor
Dr. Felix Hanisch stellt die aktuellen Vorhaben der Namur vor (Bild: Redaktion)

Dr. Felix Hanisch, Vorstandsvorsitzender, berichtet von den aktuellen Aktivitäten in der Namur. Der Vorstand des Anwendervereins sei gestern in der Mitgliederversammlung bestätigt worden. Mit Blick auf den Ressourcen- und Fachkräftemangel betonte Dr. Felix Hanisch wie wichtig es ist, dass in der Namur Know how gemeinsam genutzt und den Namur Mitgliedern zugänglich gemacht wird. Zu den aktuellen Projekten gehört unter anderem, dass die Namur eine APL Task Force eingerichtet hat, um die Fehler, die bei der Einführung des Feldbus gemacht wurden, zu vermeiden.

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