
(Bild: Phoenix Contact)
- Um den Energieträger Wasserstoff ganzheitlich zu betrachten, muss die gesamte Wertschöpfung und Logistik einbezogen werden.
- Das Baukastenprinzip ermöglicht es, Ex-Komponenten und Nicht-Ex-Komponenten zu kombinieren, um Platz und Kosten zu sparen.
- Stromversorgung, Steuerung und Netzwerk sind durch Batteriemodule und Redundanzpaare ausfallsicher ausgelegt.
Derzeit wird an vielen Stellen über Wasserstoff diskutiert. So auch in Bremerhaven, wo der Energieträger buchstäblich für Rückenwind auf dem Weg zu einer klimaneutralen Mobilität sorgt. Im Gewerbegebiet am Grauwallring nutzt die HY.City.Bremerhaven eine Windenergieanlage für die Elektrolyse von grünem Wasserstoff direkt vor Ort. Realisiert hat das Projekt der Systemanbieter für integrierte Energielösungen GP Joule, der als Generalunternehmen fungiert. Die Produktion des grünen Wasserstoffs ist Teil eines regionalen Wasserstoff-Ökosystems, um von fossilen Kraftstoffen auf regenerative Treibstoffe umzusteigen. Damit die Sektorenkopplung mit hoher Verfügbarkeit und sicherer Fernanbindung gelingt, kommt Automatisierungstechnik vom Hersteller Phoenix Contact zum Einsatz.
In Bremerhaven hat das Generalunternehmen GP Joule eine komplette Wertschöpfungskette für grünen Wasserstoff umgesetzt: von der Elektrolyse als Schlüsseltechnologie über das Verdichten und das Lagern in mobilen Tankwagen bis zur Tankstelle und den passenden Brennstoffzellen-Bussen für den ÖPNV. Einzig die Windenergieanlage, die als Energielieferant für den Elektrolyseur dient, steht bereits seit einigen Jahre im Gewerbegebiet am Grauwallring.
Bis zu 900 kg Wasserstoff pro Tag
Wo liegen heute die maßgeblichen Herausforderungen bei der Wasserstoffversorgung? Laut dem Generalunternehmen sind Lösungen gefragt, die die richtige Energieart in der erforderlichen Menge am besten Ort zur exakten Zeit zur Verfügung stellen. Für den Energieträger Wasserstoff folgt daraus, dass es bei einer ganzheitlichen Betrachtung nicht ausreicht, sein Know-how lediglich auf einzelne Prozessschritte zu fokussieren, sondern es muss die gesamte Wertschöpfung und Logistik einbezogen werden. Genau hier liegt die Stärke des Systemanbieters aus Schleswig-Holstein, der die eigene Expertise im Bereich der Wasserstoffmobilität in der Praxis auf die Straße bringt. In Bremerhaven hat das Generalunternehmen dazu mit dem Hyrunner einen mobilen Speicher für den intelligenten Wasserstofftransport vom Elektrolysestandort zur Tankstelle oder einem Industriekunden realisiert.
„Die beiden Elektrolysecontainer am Fuß der Windenergieanlage arbeiten unter Volllast mit einer elektrischen Leistung von jeweils einem Megawatt. Daraus produziert die Elektrolyse bis zu 900 Kilogramm Wasserstoff pro Tag, der in rund sechs Stunden in einen der Tankwagen gefüllt wird“, erzählt Marian Hieke, Abteilungsleiter Technik beim Generalunternehmen. Das Tank- und Lagersystem ist mit einem Druck von 380 bar tätig. Zur Verdichtung werden Kompressoren verwendet, die der Wasserstoff aus der Elektrolyse mit einem Eingangsdruck von 30 bar erreicht. Er gelangt zunächst in einen Pufferspeicher und wird von dort auf den gewünschten Tankdruck überführt.
I/O-System für Ex- und Nicht-Ex-Bereich
Als mobile Speicher- und Transporttanks nehmen die Wasserstofftrailer eine zentrale Rolle in der Prozesskette ein. Die Fahrzeuge beinhalten viel Steuerungs- und Schnittstellenintelligenz, die in einem robusten Schaltschrank aus Edelstahl untergebracht ist. Das Herstellen und der Einsatz von Wasserstoff werfen verschiedene Fragen zum Explosionsschutz (Ex) auf. Damit die Risikobewertung nicht dazu führt, dass die komplette Automatisierung aus teuren Ex-Komponenten besteht, empfiehlt sich ein funktionaler Baukasten. Dieser deckt sowohl die Ex- als auch Nicht-Ex-Bereiche wirtschaftlich ab. Im Bremerhavener Projekt rüstet der Hersteller nur die Prozesse mit Ex-I/O-Modulen aus der Produktfamilie Axioline aus, in denen der Ex-Schutz tatsächlich nötig ist. Ein Beispiel im Hyrunner sind Eingangskarten für die Ventile der Wasserstoffleitungen. Mit ihnen lassen sich die Signale direkt auf die entsprechend zertifizierten I/O-Module verdrahten. Separate Ex-Barrieren sind folglich überflüssig, was wertvollen Platz spart und die Kosten senkt. Außerhalb der Ex-Zone reicht das Standard-I/O-Portfolio aus dem Axioline-Baukasten aus – und das ohne funktionale Einschränkungen in Form eines durchgängigen Gesamtsystems.
Standortsteuerung sammelt alle Betriebsdaten
Während der Prozesse fallen zahlreiche Daten an, die in einer Cloud gespeichert sowie vielfältig genutzt werden können. Für das Übertragen in die Cloud sorgt ein im Schaltschrank verbauter industrieller Mobilfunkrouter der Baureihe TC Router 3002T-4G, die notwendige IT-/OT-Security stellt der Router TC Mguard RS4000 bereit. Mit dieser Ausstattung ist der straßentaugliche Speicher in der Lage, eigenständig und sicher mit der Cloud zu kommunizieren sowie in Abstimmung mit den vorgelagerten Elektrolyse- und Speicherprozessen ein zeiteffizientes Tanken zu ermöglichen. „Wir ermitteln zum Beispiel Füllmengen, steuern Ventile und verfolgen per GPS, wo sich der Trailer gerade befindet“, erklärt Hieke. „Ergänzt werden die Funktionen durch ein in die Steuerung PLCnext Control integriertes System zur eichgenauen Abrechnung des gelieferten Wasserstoffs.“
So autark der mobile Speicher für die Versorgung des wasserstoffbasierten ÖPNV in Bremerhaven unterwegs ist, so nahtlos fügt er sich aus dem Blickwinkel der Digitalisierung in die gesamte Prozesskette ein. Als oberste Steuerungsinstanz wird am Standort der Elektrolyseure ebenfalls PLCnext Control genutzt. Die sogenannte Standortsteuerung sammelt sämtliche Betriebsdaten der Prozesskette von der Elektrolyse bis zum Tankanhänger ein und leitet sie über den Router TC Mguard und eine Antenne kabellos an eine zentrale Auswerteeinheit weiter.

Alle Einheiten sind ausfallsicher ausgelegt
Bei der technischen Ausstattung der Datenlogistik – als Hysite bezeichnet – wird großer Wert auf die Verfügbarkeit gelegt. Die Ausfallsicherheit ist technisch mit zwei Spannungsversorgungen vom Typ Quint4-PS verbunden mit einem Redundanzmodul der Produktfamilie Quint-Oring realisiert. Fünf Batteriemodule unterstützen die Lösung und bilden zusammen mit einer Quint4-UPS eine unterbrechungsfreie Stromversorgung. Auf diese Weise lassen sich kurzzeitige Stromausfälle überbrücken oder die komplette Anlage im Fall einer Störung kontrolliert herunterfahren, ohne dass diese – mit Blick auf die hohe Reaktionsfähigkeit von Wasserstoff – einen kritischen Zustand erreicht.
Auch die beiden Steuereinheiten ergeben über das Konzept der applikativen Systemredundanz (ASR) des Herstellers ein hochverfügbares Redundanzpaar. Abgerundet wird die Verfügbarkeitslösung durch das Netzwerk, das die einzelnen Teilmodule des Standorts miteinander verbindet und sich aufgrund seiner Ringstruktur als ausfallsicher gegenüber einzelnen Fehlern erweist.

Wärme im Nahwärmenetz nutzen
Die regenerative Erzeugung von Wasserstoff aus Windstrom stellt in Bremerhaven den Anfang einer wasserstoffgeführten Mobilität dar. Da bei der Elektrolyse beachtliche Mengen an (Ab-)Wärme sowie Sauerstoff entstehen, denkt das Unternehmerkonsortium hinter Hy.City.Bremerhaven bereits darüber nach, wie sich beides wirtschaftlich nutzen lässt. Zur Verwendung der immerhin 340 kW (Ab-)Wärme bietet sich laut Projektteam ein örtliches Nahwärmenetz an, zumal es in direkter Nachbarschaft ausreichend gewerbliche und industrielle Abnehmer gibt. Die Weiterverarbeitung des Sauerstoffs steht ebenfalls auf der Agenda.
CT-Fokusthema Wasserstoff

In unserem Fokusthema informieren wir Sie zu allen Aspekten rund um das Trendthema Wasserstoff.
- Einen Überblick über die ausgewählten Artikel zu einzelnen Fragestellungen – von der Herstellung über den Transport bis zum Einsatz von Wasserstoff – finden Sie hier.
- Einen ersten Startpunkt ins Thema bildet unser Grundlagenartikel.