
(Bild: Negro Elkha – stock.adobe.com)
- So unterschiedlich Wasserstoff genutzt werden kann, so vielfältig sind die Materialien, die für die Wasserstoffwirtschaft benötigt werden.
- Ob ein Material mit Wasserstoff vereinbar ist, kommt auf dessen wasserstoffspezifische und anwendungsspezifische Eigenschaften sowie seine Verarbeitungseigenschaften an.
- Bei Herausforderungen beim Verarbeiten und Anwenden von Wasserstoff kann ein Materialwissenschaftsexperte unterstützen.
Wasserstoff soll eine wichtige Rolle in einer nachhaltigeren Zukunft der Energieversorgung und Wirtschaft spielen. Bis zu 10 GW Elektrolyse-Kapazität plant der Bund bis Ende des Jahrzehnts aufzubauen. Aktuell wird auch das Nutzen von Wasserstoff als Energieträger weiter vorangetrieben: Mit dem Ende der Einreichungsfrist der Fernleitungsnetzbetreiber für Streckenabschnitte des Wasserstoffkernnetzes bei der Bundesnetzagentur Mitte 2024 nimmt auch die geplante Energieinfrastruktur in diesem Bereich planerisch Form an. Damit soll Wasserstoff ein wichtiger Teil der Energieinfrastruktur Deutschlands werden. Während Wasserstoff hier als Energieträger fungiert, kann das Gas darüber hinaus auch als chemischer Reaktant – etwa für die Stahlindustrie zur Produktion von grünem Stahl – eine wichtige Rolle für die Produktion der Zukunft spielen.
Die Grundlage für die noch in der Zukunft liegende Wasserstoffwirtschaft legen Forschung und Entwicklung neuer Methoden, um das Gas zu gewinnen, zu transportieren und weiterzuverarbeiten. In allen Prozessschritten kommt Wasserstoff mit anderen Materialien in Kontakt oder interagiert mit ihnen. So unterschiedlich Wasserstoff genutzt werden kann, so unterschiedlich sind auch die dahinterliegenden Prozesse und so vielfältig die Materialien, die für die Wasserstoffwirtschaft benötigt werden. Das führt schnell zu der Frage, wann Materialien wasserstofftauglich sind. Das gilt insbesondere für Polymere: Der Technologiekonzern 3M hat aufgrund von Materialexpertise einen detaillierten Einblick in die Mechanismen möglicher Degradation.

Polymere Materialien? Bitte passend.
Ob ein Material mit Wasserstoff vereinbar ist, lässt sich nach drei Kriterien bewerten: Den wasserstoffspezifischen und anwendungsspezifischen Eigenschaften sowie den Verarbeitungseigenschaften inklusive der Skalierbarkeit.
Wasserstoffspezifische Eigenschaften: Grundsätzlich müssen Materialien, die in Kontakt mit Wasserstoff kommen, verträglich mit der Beschaffenheit des Gases sein. Das bedeutet zunächst, dass die Materialien eine möglichst geringe Permeation haben – es sollte also möglichst wenig Wasserstoff durch den Festkörper diffundieren. Bei Silikonen ist die Wasserstoffpermeation materialbedingt höher als zum Beispiel bei Epoxiden.
Zudem sollten Materialien sogenanntes Blistering verhindern: Durch Änderungen des Drucks können Blasen entstehen, die zu wasserstoffinduzierten Rissen führen können, die wiederum unpassendes Material beschädigen. Zuletzt ist noch zu beachten, dass Bestandteile der polymeren Werkstoffe die Prozesse nicht etwa durch Vergiften der Katalysatoren negativ beeinflussen.

Kleiner als die Spitze eines Streichholzes
Wasserstoff zeigt großes Potenzial für die Wirtschaft und Infrastruktur der Zukunft, denn das Gas kann sowohl als Reaktant als auch als Energieträger fungieren. Wichtig ist nun, weiter skalierbare Anwendungen zu finden und eine Serienfertigung zu erreichen. Gleichzeitig können das Verarbeiten und Anwenden von Wasserstoff Herausforderungen bürgen, die Anwender individuell adressieren müssen. Hier kann ein Partner wichtige Impulse geben und unterstützen. Als erfahrenerExperte in der Materialwissenschaft bringt der Technologiekonzern in diesem Bereich sein Wissen und seine Lösungen ein.
Zum Beispiel beim Lagern von Wasserstoff: Dieser wird normalerweise unterhalb seines Siedepunkts also bei -253 °C in doppelwandigen Tanks und einem ringförmigen Raum, der mit Isoliermaterial gefüllt ist, gelagert. In diesem Zwischenraum kommen Glashohlkugeln des Technologiekonzerns zum Einsatz. Sie verbessern die thermische Isolation der Tanks, indem sie Wärmestrahlung blockieren, wodurch weniger Wasserstoff verdunstet. Eine einzelne Kugel ist dabei deutlich kleiner als die Spitze eines Streichholzes. Die Kugeln haben eine konstruierte sphärische Glasform, sind nur geringfügig Wärmeleitfähigkeit und haben ein hohes Verhältnis von Festigkeit zu Dichte – so reduzieren sie Verdampfungsemissionen aus Flüssigwasserstoff-Lagertanks.
Der übergreifende Bereich Klimatechnologie und Wasserstoff im Speziellen sind wichtige Fokusthemen für den Technologiekonzern. Mit dem Ziel, individuelle Lösungen im Bereich Wasserstoff zu finden, betrachtet das Unternehmen das benötigte Design und die Einsatzbedingungen und wählt auf der Basis des Verarbeitungsprozesses die dazu passenden Werkstoffe aus. So unterstützt der Technologiekonzern den Weg hin zu einer Wasserstoffwirtschaft und einer nachhaltigen Zukunft.
Anwendungsspezifische Eigenschaften: Durch die verschiedenen Nutzungszwecke von Wasserstoff sind die anwendungsspezifischen Kriterien an Materialien sehr individuell. Je nachdem, ob Wasserstoff beispielsweise in einer Druckgasflasche mit 700 bar oder einer Elektrolysezelle je nach Typ im sauren oder alkalischen Bereich zum Einsatz kommt, müssen die benötigten Materialien sehr unterschiedliche Anforderungen erfüllen.
Grundsätzlich sollten bei der Anwendung die folgenden drei Kriterien berücksichtigt werden: der pH-Wert der Lösung sowie der Druck und die Temperatur, mit der die Stoffe in der Anwendung in Kontakt kommen. So kann zum Beispiel der pH-Wert bei der alkalischen Wasserelektrolyse in einer konzentrierten Kalium-Hydroxidlösung stark im basischen Bereich liegen, während der Wert beim Betrieb einer Proton-Exchange-Elektrolysezelle stark sauer ist.
Verarbeitungseigenschaften und Skalierbarkeit: Schlussendlich müssen die Materialien für das serienmäßige Verarbeiten geeignet sein, also in ihrer Beschaffenheit in einer hohen Frequenz verarbeitet werden können. Da Wasserstoff in Zukunft sowohl in der Energieversorgung als auch in der Produktion zum Einsatz kommen soll, ist das Skalieren in der Produktion von Elektrolyseuren und weiteren Produktionsanlagen besonders relevant.
Interview mit Dr. Jens Eichler von 3M
Dr. Jens Eichler verantwortet als Hydrogen Technology & Business Architect die Aktivitäten von 3M zur Lösung von Herausforderungen bei der Applikation von Wasserstoff, basierend auf 49 Technologieplattformen des Konzerns. Zuvor war der promovierte Materialwissenschaftler nach einem Aufenthalt am Indian Institute of Science in Bangalore bei ESK Ceramics verantwortlich für die Entwicklung und Lehrbeauftragter an der University of Applied Sciences Kempten. In den letzten 10 Jahren hat er bei 3M die Technologieplattformen Additive Fertigung und Thermisches Management mitgestaltet. Seit Januar 2025 ist er in seiner Rolle als Hydrogen Technology & Business Architect Teil der New Growth Ventures Organisation bei 3M.
CT: Wie unterscheidet sich die Materialauswahl zwischen Wasserstoff und anderen kryogenen Flüssigkeiten wie Stickstoff?
Jens Eichler: Flüssiger Wasserstoff hat mit -253 °C eine deutlich tiefere Temperatur als Stickstoff, bei dem wir von -196 °C sprechen. Schon allein das bringt bereits einige technische und materialbezogene Herausforderungen mit sich. Aufgrund seiner kleinen Molekülgröße kann es bei Wasserstoff zu Permeation kommen oder auch zu Versprödung beim Zusammentreffen mit verschiedenen Metallen. Wasserstoff ist außerdem reaktiver und entzündlicher als andere kryogene Flüssigkeiten, was einige zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erfordert. Diese genannten Herausforderungen sind aber alle technisch beherrschbar. Es braucht jedoch spezielle Lösungen, an denen wir bei 3M auch bereits arbeiten.
CT: Der Wasserstoff-Hochlauf lässt in der Praxis noch auf sich warten: Glauben Sie bei 3M, dass der große Durchbruch noch kommt, und welche strategische Rolle nimmt Wasserstoff bei Ihnen ein?
Eichler: Wir haben uns immer gefragt, wann und wo grüner Wasserstoff eine Rolle spielen wird. Die aktuellen Herausforderungen überraschen uns daher nicht. Wir glauben weiterhin, dass Wasserstoff in schwer zu dekarbonisierenden Industrien wie beispielsweise der Stahlindustrie wichtig sein wird. Wasserstoff ist oft noch nicht wirtschaftlich, aber entscheidend ist doch, dass wir den Klimawandel eingrenzen. Die Vision einer Wasserstoffwirtschaft entwickelt sich. Das sehen wir besonders in Deutschland. Wasserstoff zählt seit vielen Jahren zu unserer Strategie bei 3M, da wir daran arbeiten, Lösungen im Bereich Climate Tech bereitzustellen. Meine Rolle im Unternehmen ist es, diese Strategie weiterzuentwickeln und in aktive Programme umzusetzen. Mehr Details zu diesen Aktivitäten werden wir voraussichtlich im Laufe des Jahres teilen können.
CT: In welchen Bereichen und an welchen Stellen entlang der Wertschöpfungskette bringt 3M seine Technologien in die Wasserstoffwirtschaft ein?
Eichler: 3M-Materialien und -Produkte sind oft sogenannte „Enabler“ in der gesamten Wertschöpfungskette. Das heißt, sie machen viele Innovationen erst möglich, auch wenn sie selbst nicht direkt sichtbar sind. Wir entwickeln beispielsweise spezielle Katalysatoren für die PEM-Elektrolyse, um den Einsatz von Iridium zu reduzieren. Weiterhin sind wir bei der alkalischen Elektrolyse mit keramischen Werkstoffen in chemischen Pumpen vertreten. Im Bereich Transport und Lagerung bieten wir Dichtungen für Kompressoren, Klebstoffe für Drucktanks und Glashohlkugeln für stationäre Tanks an. Nicht zuletzt finden unsere Produkte auch in Brennstoffzellen Anwendung.
CT: Welche (Vorzeige-)Projekte gibt es hier bereits? Sind bestimmte Regionen besonders im Fokus?
Eichler: Unsere Zusammenarbeit mit der Nasa zeigt den Vorteil unserer Glashohlkugeln für kryogene Tanks. Europa, und hier speziell Deutschland, ist ein Fokusmarkt für grünen Wasserstoff. Meine Rolle als Hydrogen Technology & Business Architect für 3M unterstreicht dies. Wir arbeiten aber auch sehr eng mit Kunden in Nordamerika und Asien zusammen. Besonders interessant finde ich aber auch Länder mit speziellen Rahmenbedingungen wie beispielsweise Brasilien. Wir nutzen unser globales Netzwerk bei 3M, um regionale Trends besser zu verstehen und unsere Lösungen darauf abzustimmen.
CT-Fokusthema Wasserstoff

In unserem Fokusthema informieren wir Sie zu allen Aspekten rund um das Trendthema Wasserstoff.
- Einen Überblick über die ausgewählten Artikel zu einzelnen Fragestellungen – von der Herstellung über den Transport bis zum Einsatz von Wasserstoff – finden Sie hier.
- Einen ersten Startpunkt ins Thema bildet unser Grundlagenartikel.