
(Bild: Günter Menzl – StockAdobe.com)
Warum verläuft die Jobsuche in der Altersklasse dennoch meist zäh? Und wie ist es um den Wechselwillen der Best Ager selbst bestellt? Es braucht nach langen Jahren im Berufsleben Bereitschaft und Mut, den Wechsel anzugehen. Ein Erfahrungsbericht:
Zum Jahreswechsel dachten laut einer repräsentativen Studie von LinkedIn knapp 60 Prozent der Berufstätigen über einen Jobwechsel nach. Mehr Geld, bessere Work-Life-Balance und bessere Entwicklungsmöglichkeiten spielten die wichtigste Rolle. Naturgemäß war die Wechselbereitschaft bei den Anfang 30-Jährigen mit 69 Prozent deutlich höher als bei den Älteren. Aber immerhin noch ein Viertel der über 55-Jährigen konnte sich vorstellen, einen neuen Job anzunehmen.
Der Arbeitssuchende
Einer davon ist Jürgen van Santen. Sein ehemaliger Arbeitgeber hat den Vertrieb umstrukturiert, Aufgaben neu zugeordnet oder outgesourct. Seine Position gab es danach „so nicht mehr“ und auch keine adäquate Stelle innerhalb der Firma. Deshalb entschied sich der 58-jährige Frankfurter nach 30 Jahren im Unternehmen für den Wechsel.
Die Personalberaterin
Während drei Viertel der älteren Mitarbeiter einem späten Jobwechsel in der Regel kritisch gegenüberstehen und Personaler in den Unternehmen lieber nach jüngeren Mitarbeitern Ausschau halten, kann Ulrike Luz diese Haltung nicht so recht verstehen. Sie ist Karriereberaterin bei VBLP, einem Unternehmen, das sämtliche Prozesse der Personalveränderung begleitet, vom Outplacement und Transfer über Coaching bis zum Changemanagement. Sie stellt immer wieder fest, dass Ältere über wertvolles Know-how verfügen und über die Erfahrung, diverse Unternehmenskrisen durchgestanden zu haben. Außerdem seien ihre Klienten „offen und flexibel“. Allerdings würden sie im Laufe der Beratung lernen müssen, ihre Ansprüche zurückzunehmen. „Ältere Mitarbeiter sind oft ein hohes Gehalt gewohnt, sind weniger mobil, weil sie ein Haus oder eine Wohnung besitzen oder die Kinder noch zur Schule gehen“, so Luz. Auch wenn Fachkräfte und Spezialisten so gesucht sind wie nie zuvor, um den passenden Job zu finden, müssten ältere Arbeitssuchende bereit sein, Zugeständnisse zu machen.
Der Personalverantwortliche im Unternehmen
Ingo Zwermann war lange in Personalverantwortung bei einem Konzern und zwei großen Mittelständlern. Aus seiner Sicht müssen ältere Bewerber vor allem drei Faktoren erfüllen. Zum einen müssen sie in das Unternehmen passen. Zum anderen ist ihm wichtig, dass sie bereits in mehreren Unternehmen gearbeitet haben. „Sonst hätten sie es schwer, sich an die neue Arbeitskultur zu gewöhnen“, so der inzwischen selbständige Coach. Und schließlich muss es eine klare Perspektive von fünf bis acht Jahren geben. Eine Chance auf Neueinstellung hätten Ältere allerdings nur, wenn sie eine Anstellung im höheren Management suchen oder als Fachkraft über spezielle Kompetenzen verfügen.
Out- und Newplacement
Für Jürgen van Santen war es zunächst wichtig, sich innerlich von seinem Arbeitgeber zu verabschieden: „Man geht nach 30 Jahren nicht einfach so“. So entschied er sich für VBLP und Ulrike Luz als Coach. Hilfreich war ein digitales Out- und Newplacement-Tool, das das Unternehmen entwickelt hat. 30 Jahre Erfahrung mit Personalprozessen sind in das sehr detaillierte Programm eingeflossen, mit dem die Klienten begleitend arbeiten können. „Mir haben die gestellten Aufgaben sehr geholfen, meine Gedanken zu sortieren, wichtige Dinge aufzuschreiben und mir über Meilensteine klar zu werden“, so van Santen. Eigentlich sollte jede Führungskraft diese intensive Reflektion zum besseren Selbstverständnis alle zehn Jahre durchlaufen, resümiert er inzwischen.
Bewerbung neu lernen
Jürgen van Santen investierte viel Zeit in Bewerbungen. Denn obwohl er als Führungskraft in den vergangenen Jahrzehnten an vielen Bewerbungsgesprächen beteiligt war und Personalentscheidungen getroffen hat, merkte er schnell, dass er nun auf der Bewerberseite praktisch Anfänger war: „Der gesamte Prozess hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert“: Storytelling ist inzwischen für Kandidaten im Bewerbungsprozess ein A und O: das eigene Arbeitsleben prägnant und schlüssig in eine Geschichte zu verpacken.
Die ersten Bewerbungsversuche waren für den Frankfurter allerdings „enttäuschend“, auf lediglich ein Fünftel seiner Bewerbungen bekam er überhaupt eine Antwort. Und in den wenigen Gesprächen musste er sich oft beinahe rechtfertigen: Als 58-Jähriger habe er immerhin noch eine Dekade Arbeit vor sich. Ulrike Luz vermutet, dass vor allem bei Online-Bewerbungen das Alter oft automatisch ein KO-Kriterium ist: „Ältere Arbeitssuchende finden eher über ihr Netzwerk oder direkte Ansprache einen neuen Arbeitgeber, weniger über Stellenausschreibungen“. Letztlich geht es darum, alle drei Chancen zu nutzen, denn Ingo Zwermann macht bei seinen Coachees oft die Erfahrung, dass deren Netzwerk für einen Stellenwechsel sehr wenig hergibt.