Hinaus in die Welt: Wenn Familienbetriebe zu Großunternehmen werden, ändert sich vieles.

Hinaus in die Welt: Wenn Familienbetriebe zu Großunternehmen werden, ändert sich vieles. (Bild: Fotolia)

  • Mittelständler wandeln sich häufig mit der Zeit von handwerklich geprägten Familienunternehmen zu weltweit tätigen Hightech-Firmen mit mehreren Hundert oder sogar mehreren Tausend Mitarbeitern.
  • Damit sie im Zuge dieses Wachstums nicht die typischen Stärken des Mittelstands wie Flexibilität und Individualität aufgeben müssen, benötigen sie eine angepasste Personalentwicklung.
  • Dieser Umstieg erfordert einen langfristig geplanten und schrittweise vollzogenen Wandel in der Unternehmenskultur, der den neuen Ansprüchen des gewachsenen Unternehmens Rechnung trägt.
Wenn die Personalentwicklung mit dem Wachstum nicht Schritt hält, wird es schwierig, Fachkräfte zu finden und ans Unternehmen zu binden. Bild: Fotolia

Wenn die Personalentwicklung mit dem Wachstum nicht Schritt hält, wird es schwierig, Fachkräfte zu finden und ans Unternehmen zu binden. Bild: Fotolia

In den zurückliegenden zwanzig Jahren hat sich das Profil vieler mittelständischer Betriebe jedoch stark gewandelt. Sie haben sich von handwerklich geprägten Unternehmen zu weltweit tätigen Hightech-Unternehmen entwickelt. Entsprechend sind die Qualifikationsanforderungen an ihre Mitarbeiter und ihre Mitarbeiterzahl gestiegen. Doch leider hinkt ihre Personal- und Organisationsentwicklung oft der Entwicklung des Gesamtunternehmens hinterher. Das bremst ihr Wachstum. Betroffenen Unternehmen fällt es schwer, Mitarbeiter mit der benötigten Qualifikation zu finden und an sich zu binden – insbesondere dann, wenn sich ihr Standort eher im ländlichen Raum befindet, der vor allem für junge Arbeitnehmer eine geringere Anziehungskraft als die städtischen Metropolen hat. Außerdem haben sie Probleme, die Qualifikation ihrer Mitarbeiter und ihre Organisationsstruktur so zu entwickeln, dass sie der wirtschaftlichen Entwicklung des Gesamtunternehmens entspricht

Stärkeres strategisches Denken im Personalbereich

Dies liegt daran, dass sie inzwischen faktisch Großunternehmen mit 500, 1.000 oder gar mehr Mitarbeitern sind. Dennoch kämpfen sie oft noch mit Problemen, die für Klein- und Mittelunternehmen typisch sind: In ihnen fehlt eine systematische Organisation, sie haben wenig Kompetenz in den Bereichen Organisations- und Personalentwicklung, und ihre Entwicklungsplanung erfolgt meist kurzfristig. Wenn eine längerfristige Planung existiert, gerät sie im „daily business“ oft in Vergessenheit.

Weil die Entwicklungsplanung weitgehend ad hoc erfolgt, haben viele Mittelständler, die in den letzten zwanzig Jahren stark wuchsen, Defizite im Bereich der systematischen Personal- und Organisationsentwicklung. Da ihre Personalfunktion nicht so wie das Gesamtunternehmen gewachsen ist, haben die wenigen vorhandenen Personal- und Organisationsentwicklungsexperten in der Organisation ein sehr breites Aufgabenfeld. Sie haben kaum Zeit für ein konzeptionelles, strategisches Arbeiten. Die Bedeutung einer strategischen Personalarbeit und -entwicklung wird zwar oft betont, doch faktisch sind sie im Alltag primär damit beschäftigt, auf akute Betriebsprobleme zu reagieren. Dabei kämpfen sie vielfach noch mit dem Problem, dass ihren Auftraggebern oder den Top-Entscheidern im Unternehmen das Bewusstsein fehlt, dass hinter den meisten Betriebsproblemen ein Manko im Bereich Personal- oder Organisationsentwicklung steckt. Entsprechend viel Überzeugungsarbeit müssen sie leisten.

Umdenken im Personalbereich findet statt

Doch diese Situation ändert sich allmählich. Zunehmend findet bei den Entscheidern in den mittelständischen Unternehmen ein Umdenken statt – unter anderem weil sie registrieren: Die Struktur unserer Mitarbeiter hat sich gewandelt. Unsere Belegschaft ist heute viel heterogener als oft noch zur Jahrtausendwende. Zudem haben unsere Mitarbeiter häufiger einen akademischen Abschluss, zum Beispiel als Ingenieur oder Betriebswirt. Diese Mitarbeiter stellen außer an ihren Arbeitgeber auch an ihre Arbeit sowie ihre Führung andere Anforderungen als die Mitarbeiter in der Vergangenheit.

Gerade die mittelständischen Unternehmen, die „Hidden Champions in der Provinz“ sind, spüren zudem immer stärker die Folgen des demografischen Wandels. Auch weil es ihnen zunehmend schwerfällt, hochqualifizierte und -motivierte Mitarbeiter an sich zu binden, stellen zurzeit viele Mittelständler ihre Personalführungs- und -entwicklungskonzepte auf den Prüfstand. Dabei lautet die zentrale Frage: Wie können wir unsere Personalarbeit sowie Unternehmens- und Führungskultur so modernisieren, dass sie einerseits den Marktanforderungen entspricht und wir andererseits nicht die Stärken eines mittelständischen Unternehmens verlieren? Denn ein Irrweg wäre es, unreflektiert die Personalentwicklungs- und Führungskonzepte der Konzerne – in abgespeckter Form – auf die mittelständischen Unternehmen zu übertragen. Dies entspräche nicht ihrem Bedarf, zudem ginge hierdurch ihre Identität verloren. Also muss der Mittelstand eigene, passgenaue Lösungen entwickeln.

Diese Lösungen zu entwickeln und im Betriebsalltag umzusetzen, erfordert Zeit. In der Regel bildet den Startschuss ein Change-Projekt, das sich in folgenden Schritten vollzieht:

Schritt 1: Ist-Situation erfassen

Zu Beginn der Veränderungsinitiative wird in einer Art Check-up die aktuelle Situation erhoben – also zum Beispiel ermittelt:

  • Wie und wodurch haben sich unsere Personalanforderungen verändert?
  • Wie hat sich unsere Mitarbeiterstruktur verändert, und inwieweit haben sich Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter gewandelt?
  • Welche Verfahren setzen wir aktuell zur Personalsuche und -entwicklung ein? Sind sie noch angemessen?
  • Wie führen und kommunizieren wir heute in unserem Unternehmen, wie sollten wir künftig führen und kommunizieren?
  • Wie arbeiten wir heute zusammen, wie müssen wir künftig zusammenarbeiten, um für den Markt gerüstet zu sein?
  • Das Ziel hierbei: ein Erfassen der aktuellen Situation und des Veränderungsbedarfs in der Organisation.

Schritt 2: Zielbild entwerfen

Anschließend gilt es, mit den relevanten Stakeholdern ein Zielbild zu erarbeiten, das beispielsweise folgende Dimensionen umfasst:

  • Wohin wollen wir uns entwickeln?
  • Welche Kultur soll in unserem Unternehmen in fünf oder zehn Jahren existieren?
  • Über welche Kompetenzen verfügt unsere Organisation dann? Was sind ihre Stärken?
  • Wie sorgen wir dann dafür, dass wir über die benötigten Mitarbeiter mit den erforderlichen Eigenschaften verfügen?

Schritt 3: Maßnahmenplan erstellen

Aus dem Zielbild und der Analyse der Ist-Situation lassen sich konkrete Projekte und hieraus wiederum Maßnahmenpläne ableiten. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass der Aufbau einer strategischen Personalarbeit und Personalentwicklung sowie der damit verbundene Kulturwandel ein längerfristiger Prozess ist. Die Change-Kapazitäten jedes Unternehmens sind außerdem begrenzt. Schließlich gilt es neben den Entwicklungsarbeiten noch das Alltagsgeschäft zu erledigen.
Entsprechend wichtig ist eine Priorisierung der Teilprojekte und ein präzises Klären der Rollen und Verantwortlichkeiten. Dies verhindert die Gefahr, in unkontrollierten Aktionismus zu verfallen und die Organisation zu überfordern.

Schritt 4: Veränderungen erfassen

Kulturelle Veränderungen vollziehen sich langsam. Deshalb ist es wichtig, auch partielle Veränderungen systematisch zu erfassen und zu kommunizieren. Sonst entsteht leicht das Gefühl „Da bewegt sich ja gar nichts“, und die Veränderungsenergie erlahmt. Dieses systematische Erfassen ist auch nötig, um zu kontrollieren: Sind wir noch auf dem richtigen Weg, oder sind Kurskorrekturen oder ergänzende Maßnahmen nötig?

Schritt 5: Teilergebnisse sichern

Ein Kulturwandel erfordert das Aufgeben gewohnter Denk- und Verhaltensmuster. Das fällt allen Menschen schwer. Entsprechend schnell verfallen sie oft wieder in ihre alten Gewohnheiten. Deshalb ist es wichtig, sich zu überlegen: Mit welchen Instrumenten und Verfahren stellen wir sicher, dass die erzielten Ergebnisse keine „Eintagsfliegen“, sondern nachhaltig sind?

Schritt 6: Mit der Veränderung fortfahren

Die Erfolge und Teilerfolge sollten nicht nur kommuniziert, sondern gegebenenfalls auch mit den Betroffenen und Beteiligten gefeiert werden, damit neue Veränderungsenergie entsteht. Danach können weitere Teilprojekte gestartet werden, die entweder in der Prioritätenliste nicht oben standen oder auf den abgeschlossenen Teilprojekten aufbauen.

Die Führungsmannschaft ins Boot holen

Ein entscheidender, wenn nicht gar der entscheidende Erfolgsfaktor bei einem solchen Change-Projekt ist oft, dass sich im Projektverlauf die Einstellung und das Verhalten der Führungskräfte im Unternehmen ändern. Sie sind bei Mittelständlern oft von Haus aus beispielsweise Techniker oder Ingenieure, und in diesem Bereich liegt auch ihre Leidenschaft. Entsprechend ungern befassen sie sich mit solchen Themen wie Personal- und Organisationsentwicklung. Eine entsprechend geringe Bedeutung messen sie der Führungsarbeit bei – auch, weil es bei ihr so stark „menschelt“.
Zudem fällt es den Top-Entscheidern in Familienunternehmen oft schwer, zumindest Teile der Personal- und Führungsarbeit völlig loszulassen und zu delegieren – auch weil sie sich sehr stark mit ihrem „Kind“, dem Unternehmen, identifizieren. Deshalb regieren sie im Betriebsalltag häufig nicht nur in die Kompetenzbereiche ihrer Personalfachleute, sondern auch ihrer Führungskräfte hinein. So signalisieren sie ihnen unbewusst: Letztendlich habe ich hier das Sagen. Das frustriert gerade junge, hochmotivierte und top-qualifizierte Mitarbeiter sehr. Diese wechseln dann häufig nach zwei, drei Jahren den Arbeitgeber.

Das Führungsverhalten auf den Prüfstand stellen

Entsprechend wichtig ist es, bei solchen Projekten gerade in mittelständischen Unternehmen sicherzustellen, dass die Entscheider mit im Boot sitzen – und nicht, meist unbewusst, das Gesamtprojekt torpedieren. Entsprechend wichtig ist es zudem, dass sie regelmäßig ein Feedback über ihr Führungsverhalten und dessen Wirkungen erhalten – und zwar von einer unabhängigen, neutralen Person, deren Kompetenz sie vertrauen.

Dieses Feedback könnten ihnen theoretisch ihre Mitarbeiter geben, doch praktisch ist dies nur bedingt möglich. Denn die Mitarbeiter sind aufgrund der mächtigen Stellung der Eigentümer-Unternehmer in ihren Unternehmen und ihrer existenziellen Abhängigkeit von ihnen, meist – zu Recht – sehr vorsichtig mit ihrer Rückmeldung. Was sie stört, sagen sie dem Chef bestenfalls durch die Blume. Deshalb empfiehlt es sich, beispielsweise einen Berater oder Coach mit Managementerfahrung hinzuzuziehen, wenn es um eine veränderte Einstellung zur Personalentwicklung und -führung in der Führungsmannschaft geht. Dieser wird von den Entscheidern als Feedback-Partner leichter akzeptiert.

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