Anlass für die erneute Überprüfung sind rund 3.500 Vorfälle um Dicamba, die die EPA allein in diesem Jahr erfasst hat. Dabei geht die Behörde davon aus, dass die Zahl der tatsächlichen Vorfälle noch weitaus höher ist als die gemeldeten Ereignisse.
Umstritten seit 2018
Dicamba dient, ähnlich wie Glyphosat, zum Schutz genmanipulierter Kulturpflanzen, insbesondere Baumwolle und Sojabohnen. Während die angebauten Pflanzen ein Gen zur Resistenz gegen den Wirkstoff tragen, fehlt unerwünschten und schädlichen Pflanzen diese Resistenz, so dass sie sich sehr selektiv bekämpfen lassen. Bei Dicamba trat jedoch bereits in der Vergangenheit das Problem auf, dass der Wirkstoff verfliegt und mit dem Wind auch auf angrenzende Felder getragen werden kann.
Schon seit 2018 ist das Mittel umstritten. Anfang 2020 hatte ein US-Gericht die Herstellerkonzerne Bayer und BASF zu einer Entschädigung von 256 Mio. US-Dollar an einen Landwirt verurteilt, nach dem Dicamba von einem benachbarten Baumwollfeld dessen Pfirsichbäume geschädigt hatte. Aufgrund solcher Vorfälle hatte die EPA die Zulassung für Dicamba im Juni 2020 zurückgezogen. Im Oktober 2020 wurde die Zulassung erneuert, allerdings befristet auf fünf Jahre und unter Auflagen wie zusätzlicher Kontrolle. Die Formulierungen sollten außerdem um einen Zusatz ergänzt werden, so dass der Wirkstoff weniger flüchtig ist.
„Geringe Veränderungen“ zum Vorjahr
Den jetzigen Bericht (hier das Original, englisch) bezeichnet die Behörde als Teil der Selbstverpflichtung der aktuellen Regierung zu „Transparenz und wissenschaftlicher Integrität“. Vor diesem Hintergrund prüft die EPA nun die Entscheidungen zur Zulassung 2018 und der erneuten Zulassung 2020. Beide Berichte dazu zeigten, dass die Behörde es versäumt habe, die ihr bekannten Risiken vollständig offenzulegen und zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass die EPA trotz der 2020 eingerichteten Kontrollmaßnahmen nur „geringe Veränderungen in Anzahl, Schwere und geographischer Ausdehnung“ der in der Wachstumsperiode 2021 gemeldeten Dicamba-Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Der Bayer-Konzern ließ eine Anfrage des Handelsblattes zu einer Stellungnahme zunächst unbeantwortet.
Angesichts der Daten zur Anbausaison 2021 prüft die EPA nun, wie hoch das Risiko durch Dicamba für andere Pflanzen ist, insbesondere für Kulturpflanzen, die nicht Ziel des Wirkstoffes sind, sowie für eventuelle bedrohte Arten und deren Lebensräume. Außerdem will die Behörde ihre Möglichkeiten zum Umgang mit weiteren gemeldeten Vorfällen auf den Prüfstand stellen. Allerdings gehen die Autoren des Berichts nicht davon aus, das beschlossene Maßnahmen sich schon bis zur Saison 2022 vollständig umsetzen lassen, da gesetzlich vorgeschriebene Verfahren einzuhalten seien. Darüber hinaus betont die EPA, weiterhin den Austausch mit und die Informationen von Wissenschaftlern, Akademikern, staatlichen landwirtschaftlichen Beratern, Landwirten, dem US-Landwirtschaftsministerium sowie Regulierungs- und Kontroll-Organisationen als Grundlage ihrer Entscheidungen zu nutzen.