- Bei der großtechnischen Soda-Produktion fallen zum einen große Mengen salz- und kalkhaltiger Abwässer an, zum anderen entsteht eine beträchtliche Menge an CO2-Emissionen.
- In einem aktuellen Forschungs- und Demonstrationsprojekt entsteht ein Verfahren, um Soda im industriellem Maßstab mittels erneuerbarer Energien und aus der Luft abgeschiedenem CO2 herzustellen.
- Als Nebenprodukte entstehen dabei die wichtigen Basischemikalien Chlor und Wasserstoff, beziehungweise Chlorwasserstoff.
Soda ist ein weißes, kristallines Salz, das in Wasser gut löslich ist. Natriumcarbonat, das auch als Waschsoda oder Soda bekannt ist, wird mit der Formel Na₂CO₃ bezeichnet. Soda in Form von Natriumbicarbonat (NaHCO₃) ist vor allem im Haushalt als Backpulver bekannt. Besonders in der Pharmaindustrie, im Bereich der Hämodialyse, spielt der Einsatz von Natron eine wichtige Rolle. Hier dient das Bicarbonat als Hauptbestandteil der Hämodialysetherapie und hat dadurch für viele Menschen eine lebensrettende Wirkung. „Diese Anwendung unterstreicht die Wichtigkeit unserer Produkte nicht nur in industriellen Anwendungen, sondern auch in essenziellen Gesundheitsdienstleistungen“, erklärt Christoph Prazmowski, Geschäftsführer von Qemetica Soda Deutschland.
Glas-, Chemie-, Seifen-, Waschmittel-, Metallurgie-, Wasseraufbereitungs-, Zellstoff- und Papierindustrie sind nur eine kleine Auswahl an Abnehmern, für die die Soda des Chemieunternehmens eine unverzichtbare Rolle in der deutschen Industrie spielt. Die international tätige Unternehmensgruppe, die sich auf die Segmente Soda, Natron, Salz, Natriumsilikat, Pflanzenschutzmittel und Polyurethan konzentriert, produziert Soda schon seit vielen Jahren. Die Gruppe ist an Produktionsstandorten in Deutschland, Polen und Rumänien vertreten und beschäftigt über 3.000 Fachkräfte in der EU, darunter rund 670 in Deutschland. Das Sodawerk in Deutschland ist in Staßfurt, Sachsen-Anhalt, gelegen und hat eine 140-jährige Tradition. In Staßfurt wird Soda durch den Ammoniak-Soda-Prozess hergestellt. Dieser effiziente Prozess ermöglicht die Produktion von Natriumcarbonat (Soda) mithilfe von Ammoniak.
Soda-Herstellung heute und vor 100 Jahren
Das Verfahren ist ein entscheidender industrieller Prozess zur Herstellung von Natriumcarbonat. Es wurde 1861 von dem belgischen Chemiker Ernest Solvay entwickelt und ist heute Standard. In diesem Prozess wird Ammoniakgas (NH₃) mit Kohlendioxid (CO₂) und Wasser zur Reaktion gebracht, um Ammoniumhydrogencarbonat (NH₄HCO₃) zu bilden. Anschließend wird dieses mit Natriumchlorid (NaCl) vermischt und erhitzt, wobei Natriumhydrogencarbonat (NaHCO₃), Ammoniak (NH₃), Wasser (H₂O) und Kohlendioxid (CO₂) entstehen. Bei weiterem Erhitzen entsteht Soda, während Wasser und Kohlendioxid als Nebenprodukte freigesetzt werden. Der Vorteil des Verfahrens ist, dass das freigesetzte Ammoniakgas wiederverwendet und in einem geschlossenen Kreislauf geführt werden kann. So ist die kosteneffiziente und groß angelegte Herstellung von Natriumcarbonat möglich, was die chemische Industrie maßgeblich beeinflusst hat.
Das Verfahren ist effizienter und umweltfreundlicher als das ursprünglich verwendete Leblanc-Verfahren, bei dem das Natriumcarbonat durch Umsetzung von Natriumchlorid mit Schwefelsäure und Kalk hergestellt wurde. Im Leblanc-Verfahren wird Natriumcarbonat aus Natriumchlorid (Kochsalz), Schwefelsäure (H₂SO₄) und Kalkstein (CaCO₃) hergestellt. Der Prozess beginnt mit der Reaktion von Kochsalz und Schwefelsäure, um Natriumsulfat (Na₂SO₄) und Salzsäure (HCl) zu bilden. Anschließend lässt man das Natriumsulfat mit Kalkstein reagieren, um Natriumcarbonat (Na₂CO₃), Calciumsulfat (Gips) und Kohlendioxid zu erzeugen. Das erzeugte Soda wird aus der Reaktionsmischung isoliert und gereinigt. Obwohl das Leblanc-Verfahren erfolgreich Natriumcarbonat liefert, hatte es mehrere Nachteile. Beispielsweise werden große Mengen an Salzsäureabfall gebildet und teure Ausgangsmaterialien wie Schwefelsäure verwendet.
Herausforderungen der Gegenwart
Weltweit werden aktuell knapp 58 Mio. t/a Soda produziert, fast zur Hälfte durch das Ammoniak-Soda-Verfahren. Während das Verfahren in Europa und vielen anderen Ländern als Standard gilt, ist es in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten. Dies geht besonders zurück auf die abnehmende Qualität industrieller Abwässer in natürlichen Gewässern, denn das Thema rückt im Zuge von Klimaveränderungen und Trockenphasen in Verbindung mit sinkenden Wasserpegeln immer weiter in den Blick der Öffentlichkeit, während es parallel auch politisch an Bedeutung gewinnt. Durch Modernisierung und Schonzeiten in den heißen Sommermonaten konnten Produzenten, wie Qemeticas Sodawerk in Staßfurt, einen beachtlichen Rückgang von Abfallprodukten und Energiebedarf in den letzten zehn Jahren verzeichnen. Allerdings bleibt die Herausforderung, dass eine Salzfracht als Abwasser in der Produktion von Soda unvermeidlich ist, bestehen.
Die konkrete Herausforderung besteht darin, dass eine Filterung des Wassers, wie beispielsweise bei Meerwasser, für das sehr kalkhaltige Wasser eines Sodawerks nicht analog umsetzbar ist, denn die Poren der Spezialfilter, die in anderen Industrien zum Einsatz kommen, werden hier durch den hohen Kalkfluss verstopft. Die zweite konventionelle Filtermethode, das Wasser mit Hochdruck durch die Filter zu zwingen, ist so energieintensiv, dass der daraus resultierende CO₂-Ausstoß in keiner angemessenen Relation zu den erzielten Ergebnissen stünde. Das Vermeiden von salzhaltigem Abwasser ist somit ohne eine Einschränkung der Produktion heute nicht möglich. Dennoch wird immer deutlicher, dass es eines neuen Verfahrens bedarf, um den Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden.
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Auf dem Weg zu emissionsfreier Produktion
Um eine langfristige Lösung für einen nachhaltigen Betrieb zu finden, verfolgt der Soda-Hersteller aktiv das Ziel, neue Verfahrenskonzepte durch Investitionen zu entwickeln. Beispielsweise wurde 2020 bis 2022 in einem EFRE (Europäische Fonds für regionale Entwicklung) geförderten Projekt eine neue Anlage zur Beseitigung von Stickstoff in industriellem Abwasser getestet. Allerdings war auch dieser Lösungsansatz so energieaufwendig, dass eine Umrüstung aus ökonomischer Sicht nicht tragbar wäre. Deshalb gilt es, weiter nach einer technologischen Antwort zu suchen. Kamil Majczak, CEO der Ciech-Gruppe, sieht darin sogar eine klare Verpflichtung: Die ganze Unternehmensgruppe arbeitet darauf zu, bis 2040 CO₂-Neutralität zu erreichen, nicht allein die Salzfracht-Problematik anzugehen, sondern eine ganzheitliche Alternative entwickeln.
Im Sodawerk Staßfurt investiert das Unternehmen in die Entwicklung eines Verfahrens, welches die aktuelle Produktion von Soda in ein Zero-Waste-Verfahren transformieren soll. Zusammen mit dem Max-Planck-Institut wurde dazu das Projekt Coda (Carbon-negative sODA ash) initiiert, bei dem das Institut die benötigte Technologie für dieses Verfahren entwickelt. Das Projekt verfolgt das Ziel, den herkömmlichen Ammoniak-Soda-Prozess durch ein nachhaltiges Verfahren zu ersetzen, das es Herstellern ermöglicht, Soda auf ressourcen- und klimaschonendere Weise zu produzieren.
Das Coda-Verfahren beruht auf drei Teilprozessen: erstens die Natriumhydroxid-Erzeugung durch Elektrolyse von Steinsalzsole unter Nutzung erneuerbarer Energien, zweitens die CO₂-Absorption direkt aus der Luft und drittens die wasserfreie Soda-Kristallisation mit den entsprechenden nachgeschalteten Prozessen. So können im Vergleich zum Ammoniak-Soda-Verfahren theoretisch Emissionen von insgesamt rund 900 kg CO₂ pro Tonne hergestellter Soda vermieden werden, wobei rund 500 kg durch direkte Kohlenstoffvermeidung (CDA) eingespart und zusätzlich rund 400 kg CO₂ durch Carbon Capture and Utilization (CCU) absorbiert werden. Zugleich entstehen durch die Elektrolyse Wasserstoff und Chlor als wertvolle Nebenprodukte, oder Chlorwasserstoff kann durch bipolare Elektrodialyse erzeugt werden.
Verfahren wie Coda, die eine Lösung für die aktuellen Herausforderungen darstellen könnten, befinden sich zwar in der Entwicklung, sind aber in der Praxis heute noch nicht einsetzbar. Vor den Herausforderungen des Klimawandels steht Qemetica dennoch nicht allein. Der weltweite Umstieg von fossilen Brennstoffen zu CO₂-Neutralität und ressourcenschonender Produktion ist eine branchenübergreifende Angelegenheit und stellt den größten produktionstechnischen Wandel seit der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert dar.
Um diese außergewöhnliche Herausforderung zu bewältigen, wird ein hohes Maß an Investitionen und Zusammenarbeit benötigt. Die steigende Bepreisung für CO₂ und die Gebühren für die unvermeidbare Salzfracht im Abwasser verringert kurzfristig die finanziellen Mittel, die dringend bei Investitionen für einen langfristigen ökonomischen Wandel gebraucht werden. „Es ist ein Rennen mit der Zeit um die Entwicklung der Technologie, die die Antwort auf die Herausforderungen unserer Produktion sein wird“, sagt Majczak, „Wir haben dieses Rennen aufgenommen und sind ganz vorne dabei.“
10. Engineering Summit
Bereits zum zehnten Mal veranstalten die VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau und Hüthig Medien / CHEMIE TECHNIK den Engineering Summit. Vom 1. bis 2. Oktober 2024 treffen sich auf der branchenübergreifenden Kommunikationsplattform Führungskräfte aus allen Segmenten des Anlagenbaus sowie Betreiber und Zulieferer. Dort werden strategische Fragestellungen, Herausforderungen und Chancen des Anlagenbaus thematisiert. In diesem Jahr stehen die Aspekte Agilität in volatilen Zeiten, Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, Produktivität und Nachwuchsgewinnung auf dem Programm. Nähere Informationen und Tickets unter www.engineering-summit.de