- Turbokompressoren waren bislang kaum als Prozessgas-Verdichter geeignet.
- Miniaturisierte, gasgelagerte Turbokompressoren ermöglichen den ölfreien und verschleißarmen Betrieb mit hohem Wirkungsgrad.
- Diese Eigenschaften erlauben der Technik den Einsatz in industriellen Anwendungen, in denen Turbomaschinen bisher nicht denkbar waren.
Bei Kompressoren galt bisher der Leitsatz: je kleiner, desto komplexer und geringer der Wirkungsgrad. Dies gilt insbesondere für Turbokompressoren, was deren Einsatz in Industrieprozessen aufgrund der großen Herausforderungen beim Design, der Fertigung und dem Betrieb limitierte. Die technischen Herausforderungen sind dabei vor allem in der Miniaturisierung zu suchen. Durch die Entwicklung von Turbokompressoren mit Gaslagerung ist es nun möglich, den nach dem dynamischen Prinzip arbeitenden Verdichtern neue Anwendungen zu erschließen.
Für rotierende Wellen werden prinzipiell Kugel-, Magnet- oder Gaslager eingesetzt. Um die geforderten Förderleistungen zu erreichen, arbeiten die miniaturisierten Turbokompressoren von Celeroton mit Drehzahlen jenseits 200.000 1/min. Da klassische Lager bei diesen Drehzahlen schnell verschleißen, ist eine kontaktfreie Lagerung notwendig, um industrielle Forderungen an die Lebensdauer zu erfüllen. Die von Celeroton entwickelte dynamische Gaslagerung bringt eben diese Eigenschaft mit.
In zahlreichen industriellen Prozessen sollen Gase mit hohen Anforderungen an die Reinheit transportiert werden. Kompressoren sind dabei kritische Komponenten, da diese oft eine Quelle für Verunreinigungen sind oder kurze Wartungsintervalle aufgrund mechanisch belasteter Dichtungen aufweisen. Kompressoren sollten keinen Abrieb generieren und keine Schmierstoffe in das Prozessgas einbringen. Gleichzeitig fordert die Prozessindustrie eine hohe Lebensdauer. Dazu kommt, dass die Auswahl der zu verwendenden Materialien eingeschränkt ist und davon abhängt, ob diese mit dem Prozessgas kompatibel ist. Weitere wichtige Entscheidungskriterien sind ein niedriger Energieverbrauch, eine hohe Effizienz und die prozessoptimierte Auslegung.
Berührungslose Gaslager und Miniaturisierung erschließen neue Anwendungen
Solche technisch anspruchsvollen Anforderungen ermutigen zu neuen Lösungsansätzen. Celeroton als junges Hightech-Unternehmen bietet ölfreie Turbokompressoren für anspruchsvolle Anwendungen an. Um die eingangs beschriebenen Herausforderungen zu erfüllen, arbeiten die Maschinen mit einer berührungslosen Gaslagerung, einer miniaturisierten Aerodynamik und einem hochdrehenden permanenterregten Synchronmotor, der trotz der hohen Drehzahlen nur geringe Verluste aufweist.
Gaslager wurden als Folienlager in der Luft- und Raumfahrt in den 50er und 60er Jahren kommerziell erfolgreich eingesetzt. Gebräuchliche Synonyme für Gaslager sind die Begriffe „Fluidlager“ oder vereinfacht auch „Luftlager“. Gemeint ist damit, dass das Lager, zum Beispiel eines Rotor-Stator-Systems, aus einem dünnen Gaskissen zwischen dem Rotor und der Stator-Buchse besteht. Indem das Prozessgas als Lagermedium dient, sind keine Öle, Fette oder sonstige Schmiermittel eingesetzt. Diese sich selbst versorgende Gaslagerung benötigt keine reibschlüssigen Dichtungen und ist prinzipiell für alle gasförmigen Medien realisierbar. Um die notwendige Tragkraft herstellen zu können, wird in diesem Gaskissen ein Überdruck aufgebaut, der bei einer Auslenkung zunimmt. Das Gas übt so eine Kraft entgegen der Auslenkung auf den Rotor aus und hält diesen im Zentrum der Stator-Buchse. Das Gaskissen dient also dazu, die notwendige Steifigkeit und Dämpfung bereitzustellen. So kann das Gaskissen einwirkende Störungen, wie beispielsweise Unwucht und Vibrationen, aufnehmen.
Neben dem ölfreien Betrieb ist die Lebensdauer bzw. das Serviceintervall der berührungsfrei arbeitenden Gaslagerung theoretisch unlimitiert. Praktisch wurden in Anwendungen für Luft mehrere 10.000 Betriebsstunden bei mehreren 100.000 Start-Stopp-Zyklen erfolgreich gezeigt.
Bild 1 zeigt ein Schnittbild eines typischen gasgelagerten Turbokompressors. Das Prozessgas umspült den gesamten Rotor, der gleichzeitig das einzige bewegte Teil im gesamten System ist. Komponenten wie Abstreifringe, Kolbenringe, Labyrinthdichtungen, eine Ölversorgung oder Ventile sind nicht notwendig und unterliegen – da nicht vorhanden – auch keinem Serviceintervall. Die hohen Drehzahlen, mit denen diese Turbokompressoren typischerweise arbeiten, ermöglichen es, Fördersysteme zu miniaturisieren. Anlagen benötigen damit deutlich kleinere Grundflächen und haben ein entsprechend geringeres Gesamtgewicht. Da die Kompressoren nur ein kleines gasgefülltes Volumen aufweisen, steht auch nur eine kleine Oberfläche mit dem Prozessgas in Kontakt. Auch die Anzahl an Materialien, die mit dem Prozessgas in Kontakt stehen, ist vergleichsweise gering. Die Konstruktion eignet sich deshalb besonders für hochreine oder reaktive Gase. Zudem wird bei Wartungsarbeiten nur eine kleine Spülgasmenge benötigt.
Die Drehzahlregelung ermöglicht eine bedarfsorientierte Leistungsaufnahme – dadurch wird auch im Teillastbetrieb ein hoher Wirkungsgrad erreicht, was sich positiv auf die Betriebskosten auswirkt. Aus den geringen Investitionskosten und dem niedrigen Wartungsaufwand resultieren niedrige Gesamtbetriebskosten (TCO).
In Projekten aus der Industrie sowie aus Forschung & Entwicklung wurden die Turbokompressoren mit einer Gaslagerung für verschiedene Gase theoretisch evaluiert und zum Teil auch realisiert. Darunter Sauerstoff, Stickstoff, Edelgase wie Helium oder Xenon, Kältemittel wie R1234yf, R134a, R32, R400a und R600a oder Gemische aus toxischen oder reaktiven Gasen.
Toxisches und hochreaktives Prozessgas erfolgreich gefördert
In einem konkreten Projekt sollte ein Gemisch aus Helium und einem weiteren, toxischen und hochreaktiven Gas von ca. 1 bar Absolutdruck auf ca. 3 bar verdichtet werden. Der Kompressor versorgt mehrere Zwischenprozesse und wird aus anderen Prozessen gespeist. Dies geschieht über entsprechende Zapfstellen. Die am Markt verfügbaren Verdichter, welche die Anforderungen bezüglich Reinheit, Kompatibilität mit dem Prozessgas, Druck und Volumenstrom erfüllen könnten, wären um den Faktor 90 schwerer und würden permanent im Teillastbereich bei niedrigem Wirkungsgrad betrieben werden. Der damit verbundene Energiebedarf war für den Prozessbetreiber inakzeptabel hoch. Zudem würden die in einem herkömmlichen Kompressor verbauten Kupplungen und Dichtungen häufige Serviceintervalle erfordern: zwei jeweils mehrtägige Abschaltungen pro Jahr waren für den Betreiber betriebswirtschaftlich nicht tragbar. Auch verbietet die hohe Reaktivität des Prozessgases Materialien wie diverse Stähle, einige Aluminiumlegierungen, diverse Kunststoffe sowie Öle und Fette.
Für dieses Anforderungsprofil ist der Turbokompressor mit berührungsfreier Lagerung geradezu prädestiniert. Um das geforderte Druckniveau und den Volumenstrom für die Versorgung der Zapfstellen sicherzustellen, wurden vier Turbokompressoren pro Stufe eingesetzt und in Serie geschaltet. Insgesamt sind 125 solcher Stufen vorhanden. Die vier Kompressoren, die eine Stufe bilden, ermöglichen durch die unterschiedlichen Druckniveaus eine effiziente Versorgung der Zapfstellen, wodurch der Energieeinsatz minimiert wird. Um eine maximale Zahl an Gleichteilen zu erreichen, wurde die Antriebsmaschine inklusive Gaslagerung so ausgelegt, dass sie für alle vier Kompressoren eingesetzt werden kann. Lediglich die eigentliche Kompressorstufe – der Impeller und das Spiralgehäuse – wurde pro Kompressor als separate Variante realisiert. Jeder Kompressor verfügt über einen Frequenzumrichter, der ein vollautomatisches und synchronisiertes An- und Abfahren des Prozesses ermöglicht.
Achema 2018 Halle 9.1 – E84