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CMC-armierter Stahl-Rohrleitungsbogen bei der Anwendungserprobung im Block 6 des Grosskraftwerks Mannheim. (Bild: Fraunhofer ISC)

  • Viele Betreiber würden in ihren Prozessen Druck und Temperaturen gerne noch weiter steigern, um höhere Wirkungsgrade zu erreichen.
  • Die heute verwendeten Werkstoffe geben metallurgisch jedoch kaum noch Raum für höhere Temperaturen und Drücke oder lassen sich nicht wirtschaftlich einsetzen.
  • Eine mögliche Lösung stellen neuentwickelte Armierungen dar. Zur Umhüllung der metallischen Rohrleitungen kommt hier ein kriechbeständiger keramischer Faserverbundwerkstoff (CMC) zum Einsatz.

Komplexe Anlagenkomponenten sind bei Druck und Temperatur nicht nur in der Spitze, sondern auch zunehmend zyklisch belastet. Neben dem Kriechen, das bei hohen Temperaturen und überwiegend stationärem Betrieb auftritt, sind die so beanspruchten Bauteile einer zusätzlichen Wechselbeanspruchung ausgesetzt. Die heute im Anlagenbau verwendeten warmfesten Stahlwerkstoffe lassen metallurgisch kaum noch Raum für höhere Temperaturen. Die erreichbaren Prozesstemperaturen und -drücke ließen sich vielleicht durch den Einsatz von hochwarmfesten Nickelbasislegierungen und großen Wandstärken noch weiter steigern. Hinsichtlich der Herstellung, Verarbeitung, der Wirtschaftlichkeit und der Verfügbarkeit stellt dies aber eine große Herausforderung dar.

CMC-Armierung ertüchtigt auch bestehende Rohrleitungen

Einen zukunftsweisenden Ansatz, um die Prozessparameter Druck und Temperatur zu erhöhen und gleichzeitig zügige und überschaubare Reparaturen zu ermöglichen, stellt ein neues Armierungssystem dar. Zur Umhüllung von metallischen Rohrleitungen (Liner) kommt hier ein höchst kriechbeständiger keramischer Faserverbundwerkstoff (CMC) in der Funktion einer stützenden Mantelstruktur (Jacket) zum Einsatz. Das keramische Jacket kann Kriechverformungen der unter Druck stehenden Rohrleitung bei hohen Temperaturen wirksam behindern. Zwischen Metallrohrleitung und CMC-Armierung kommen keramische Zwischenschichten als Oxidationsschutz, zur Dehnungskompensation und zur Homogenisierung der Kraftübertragung zum Einsatz.

Dieses System zur Armierung bietet prinzipiell auch die Möglichkeit, bestehende Komponenten zu ertüchtigen, die eine grenznahe Kriechdehnung – zum Beispiel am Auslegungsende – erreicht haben. Besonders attraktiv sind dabei die vergleichsweise kurzen Stillstandzeiten. Denn anders als beim kompletten Austausch der Komponenten bzw. des Rohrstranges lässt sich hier die bestehende Rohrleitung beschichten, CMC-armieren und thermisch behandeln.

In einem bereits abgeschlossenen Projekt, welches auf Beschluss des Bundestages vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde, hat das Projektteam in Laborversuchen nachgewiesen, dass sich die Standzeit von Stahlrohrleitungen bei Betriebstemperaturen von 600 °C und einem Innendruck von 350 bar um mehr als den Faktor 5 erhöhen lässt. Die derzeitigen, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Entwicklungsaktivitäten richten sich auf die technische Umsetzung und Erprobung von armierten Rohrleitungen im Anwendungsprozess sowie auf den Test von CMC-armierten Prüfkörpern unter zyklischen Beanspruchungen.

Verschiedene Werkstoffe für verschiedene Einsatzbereiche

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Konzept der CMC-Armierung von metallischen Rohrleitungen.

Für faserverstärkte keramische Armierungen können anwendungsabhängig unterschiedliche Faser- und Matrixkomponenten zum Einsatz kommen. Liegt die Betriebstemperatur der zu armierenden Rohrleitung oberhalb von 500 °C, kommen in erster Linie oxidische keramische Fasern – etwa Aluminiumoxid- oder Mullitfasern – als Verstärkungskomponente in Betracht. Diese sind an Luft auch bei Temperaturen bis 1.300 °C ausreichend fest und kriechbeständig. Im Temperaturbereich unter 500 °C lässt sich auf kostengünstigere Faserverstärkungen, zum Beispiel auf Basis von Quarzglasfasern oder Basaltfasern zurückgreifen.

Als lastübertragende Matrixkomponente kommen häufig keramisierbare Precursoren wie Polysiloxane, Polycarbosilane oder Polysilazane zum Einsatz, welche sich in einem Temperaturbereich von 350 °C bis 800 °C in amorphe Keramiken überführen lassen. Dies ermöglicht im Fertigungsprozess die thermische Prozessierung der Armierung auf der Rohrleitung, ohne diese durch die Temperatureinwirkung zu schädigen. Zudem kann der Einsatz von Füllstoffen notwendig sein, wenn während der Prozessierung eine zu starke Schwindung der Matrix auftritt. Erlaubt die Anwendungsumgebung das Nachrüsten mit separat gefertigten CMC-Armierungen, können auch höherfeste CMC-Werkstoffe auf Basis hochfeststoffhaltiger keramischer Matrix-Schlicker eingesetzt werden, welche bei Temperaturen bis 1.300 °C gesintert werden.

Zwischenschichten sorgen für Korro­sionsschutz und Lastenübertragung

Um die Funktionsfähigkeit der CMC-Armierungen bei der Betriebstemperatur von Rohrleitungen für heiße Medien wie Dampf sicherzustellen, ist es erforderlich, intermediäre Schichten zwischen Rohrleitung und Armierung in den hybriden Metall-Keramik-Verbund zu integrieren. Hierbei erfüllt ein Doppelschichtsystem zwei unterschiedliche Funktionen. Auf die metallische Oberfläche der Rohrleitung wird in einem ersten Schritt eine Korrosionsschutzschicht auf die Rohraußenoberfläche aufgebracht, welche die Hochtemperaturoxidation der Rohrleitung während der thermischen Prozessierung des CMC-Mantels und während des Betriebs der armierten Rohrleitung verhindert. Auf diese Weise lassen sich aufwachsende Oxidschichten auf der Metallrohroberfläche und somit Spannungsüberhöhungen im CMC-Mantel vermeiden.

Für den Einsatz als Korrosionsschutzschicht eignen sich präkeramische Polymere wie Polysilazane, welche sich bereits bei Temperaturen im Bereich von 200 °C zu dichten SiO2-Schichten mit chemischer Anbindung zur Metalloberfläche oxidieren lassen. Um für eine funktionsgerechte Lastübertragung von der innendruckbeaufschlagten Stahlrohrleitung auf die CMC-Armierung zu sorgen, muss eine zweite Zwischenschicht appliziert werden, die in der Lage ist, die Wärmedehnungsunterschiede zwischen metallischer Rohrleitung und keramischer Armierung zu kompensieren. In dieser Funktion haben sich kompressible, keramische Vliese bewährt, welche, bedingt durch die größere Ausdehnung der metallischen Rohrleitung gegenüber dem CMC-Mantel, eine von thermischen Dehnungen weitgehend unbeeinflusste Lastübertragung ermöglichen.

Konzepte und Techniken zur CMC-Armierung

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Einsatz einer Orbital-Wickelmaschine bei der Bewicklung einer Stahlrohrleitung mit Prepreg-Tapes.

Für eine last- und beanspruchungsgerechte CMC-Armierung von innendruckbeaufschlagten Rohrleitungen müssen die Verstärkungsfasern vorzugsorientiert in Umfangsrichtung der Armierung liegen. Dementsprechend kommen für die Fertigung der CMC-Armierung hauptsächlich Wickel- oder Tape-Legeverfahren zum Einsatz. Kurze Armierungssegmente (< 1 m) mit geringen Rohrdurchmessern (< 100 mm) lassen sich effizient mit etablierten Nass-Wickelverfahren herstellen, bei welchen eine Endlosfaser im Prozess mit einer keramisierbaren Flüssigmatrix infiltriert und automatisiert in Form einer CMC-Mantelstruktur abgelegt wird. Die zu armierende Rohrleitung fungiert hierbei als Wickelkern und kann auf diese Weise formschlüssig ummantelt werden.

Bei der Armierung längerer Rohrleitungsabschnitte mit größerem Rohrdurchmesser kommen für eine wirtschaftliche Bewicklung in erster Linie mit Flüssigmatrix vorinfiltrierte Gewebebänder – sogenannte Prepreg-Tapes – zum Einsatz. Derartige Tapes werden in einem separaten Prozess automatisiert hergestellt und lassen sich über Spezial-Wickelmaschinen oder Tape-Legeroboter auf den zu armierenden Rohrleitungen aufbringen.

Zur zerstörungsfreien Prüfung von CMC-Armierungen nach der Prozessierung sowie im Betriebseinsatz kommen unterschiedliche Methoden in Frage: Die Verfahren der Terahertz-Spektroskopie sowie der Thermografie sind mobil einsetzbar und direkt vor Ort möglich. Des Weiteren lassen sich armierte Komponenten vor dem Einbau ins Rohrleitungssystem mittels computertomographischer Messungen hochaufgelöst und zerstörungsfrei prüfen.

Anwendung im Grosskraftwerk Mannheim

Abbildung 4

CMC-armierter Stahl-Rohrleitungsbogen in der Haltekonstruktion für die Ofenpyrolyse.

Ein Konsortium industrieller und wissenschaftlicher Partner konnte im Rahmen des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Verbundprojekts „Faserverstärkte Werkstoffsysteme“ demonstrieren, dass die CMC-Armierung von Rohrleitungsabschnitten mit großen Abmessungen technisch realisierbar ist. Für die Anwendungserprobung im regulären Betrieb des Grosskraftwerks Mannheim wurde vom Projektteam ein Stahl-Rohrleitungsbogen aus dem Werkstoff P91 mit 2,5 m Länge und einem Außendurchmesser von ca. 320 mm mit einer CMC-Armierung von 20 mm Wandstärke ummantelt. Der Rohrbogen wurde mit insgesamt 750 m Aluminiumoxid-Prepreg-Tapes auf Polysiloxan-Basis armiert.

Durch ein spezielles Wickelmuster war es hierbei möglich, seitlich angeschweißte Haltenocken am Rohrbogenauslauf für den späteren Einbau in die Kraftwerksumgebung mit der Armierung zu umschließen. Als Zwischenschichtsystem kam eine Polysilazan-Korrosionsschutzschicht und ein kompressibles Kalzium-Silikat-Vlies mit 2 mm Dicke zum Einsatz. Die Wärmebehandlungsschritte bei Temperaturen unter 800 °C zur Verfestigung der Armierung wurden vor dem Einbau im Kraftwerk durchgeführt. Die Überwachung des CMC-Mantels während der Betriebsdauer wird durch mehrere in die Armierung integrierte Widerstands-Messdrähte und weitere Sensoren ermöglicht. Planung, Herstellung, Montage und Inbetriebnahme des armierten Rohrleitungsbogens wurden durch den TÜV Süd begleitet.

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