Eine Branche sendet Notsignale
Chemisch-pharmazeutische Industrie mit weiterem schwachen Jahr
Hohe Kosten, schwache Nachfrage und dadurch sinkende Auslastung belasteten die chemisch-pharmazeutische Industrie auch 2025. Darum fordert der VCI von der Bundesregierung und der EU klare Weichenstellungen für eine wettbewerbsfähige Zukunft am Standort Europa.
Der Verband ist überzeugt, dass die EU auf Augenhöhe mit den USA und China gelangen könnte.
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Die chemisch-pharmazeutische Industrie liefert zentrale Vorprodukte für nahezu alle verarbeitenden Branchen und ist ein wesentlicher Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts. Seit einigen Jahren befindet sich die Branche jedoch in einer anhaltend schwierigen Phase, geprägt von rückläufiger Produktion, geringer Auslastung und einer verhaltenen Investitionsbereitschaft. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) beschreibt 2025 als ein weiteres schwaches Jahr, in dem die strukturellen Belastungen deutlich sichtbar geworden sind. Markus Steilemann, Präsident des Verbandes, gibt trotzdem Hoffnung: „Müssen wir an unserem Standort verzweifeln? Da kommt von mir ein klares nein.“ Seiner Meinung nach, verfügt Deutschland über ein Ökosystem voller Pfunde, mit denen wir viel stärker wuchern müssten. Denn aktuell würde, wer Wachstum sucht, ins Ausland blicken.
Die Zahlen belegen das: Der Branchenumsatz sank 2025 um 1,0 % auf 220 Mrd. Euro, die Produktion ging um 0,5 % zurück. Auch die Beschäftigung verringerte sich leicht um 0,5 %, was etwa 2.400 Arbeitsplätzen entspricht. Dabei zeigt sich eine deutliche Differenzierung innerhalb der Industrie: Während die Pharmaproduktion um 3,0 % zulegen konnte, verzeichnete die reine Chemieproduktion ein Minus von 2,5 %. Die Auslastung der Anlagen fiel auf 70 % und liegt damit deutlich unter einem wirtschaftlich sinnvollen Niveau.
Wer ist schuld?
Schuldzuweisungen bringen in Steilemanns Augen wenig. Die Branche müsse nach vorne blicken und verschiedene gesellschaftliche Gruppen müssten an einem Strang ziehen, um eine gemeinsame Zukunftsgestaltung zu ermöglichen. Bekanntermaßen sind die Ursachen der aktuellen Schwäche vielfältig. Neben hohen Produktions- und Energiekosten belasten umfangreiche regulatorische Vorgaben und langsame Genehmigungsverfahren den Standort. Zugleich ist der Auftragsbestand seit 2021 um mehr als 20 % gesunken, was auch auf die schwache Nachfrage wichtiger Abnehmerbranchen zurückzuführen ist.
Die Transformation unserer Wirtschaft in eine wettbewerbsfähige und gute Zukunft wird uns viel abverlangen.“
Markus Steilemann, VCI-Präsident
Zusätzlich verschärfen globale Faktoren wie Überkapazitäten in China oder protektionistische Maßnahmen der USA den Wettbewerb. Die laufende Transformation hin zu klimaneutralen Produktionsprozessen stellt viele Unternehmen vor weitere Investitionsentscheidungen, die sich aufgrund hoher Kosten und geringer Zahlungsbereitschaft der Märkte nur schwer darstellen lassen.
Was ist zu tun?
Für 2026 erwartet der Verband lediglich eine stagnierende Produktion sowie ein weiteres Umsatzminus von rund 2 %. Unternehmen in Deutschland nannten als Maßnahmen für die Zukunft, laut einer Umfrage des Verbands aus November 2025, ihre Standorte – sei es Forschung (8 %) oder Produktion (21 %) – zu verlagern, Anlagen dauerhaft stillzulegen (20 %) oder ganze Werke zu schließen (12 %). Zwei Drittel gaben an, Kostensenkungsprogramme zu fahren und 48 % hoffen, mit Innovationsoffensiven ihre Standorte erhalten oder sogar stärken zu können. Die Branche betont die Notwendigkeit verlässlicher Rahmenbedingungen und einer kostenseitig wettbewerbsfähigen Industrielandschaft.
Der Verband benennt als Vorgehensweise für die Zukunft zentrale Handlungsfelder in einem Sechs-Punkte-Plan. Dazu gehören niedrigere Energie- und Produktionskosten, ein spürbarer Abbau bürokratischer Hürden, ein schnelleres Umsetzen von Genehmigungsverfahren, gezielte Förderung von Forschung und Entwicklung, stabile politische Rahmenbedingungen und Prioritäten sowie eine europäisch abgestimmte Industriepolitik. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu stärken, Unternehmen Planungssicherheit zu bieten und die Transformation hin zu klimafreundlichen Prozessen wirtschaftlich tragfähig zu gestalten. Für Steilemann ist das Wichtigste auf dem Weg zu diesen Zielen, überhaupt loszugehen und ins Umsetzen zu kommen.