Bundeskanzler Olaf Scholz (links) und VDMA-Präsident Karl Haeusgen eröffneten den 13. Deutschen Maschinenbau-Gipfel

Bundeskanzler Olaf Scholz (links) und VDMA-Präsident Karl Haeusgen eröffneten den 13. Deutschen Maschinenbau-Gipfel. (Bild: Maschinenbau-Gipfel 2022)

  • Der 13. Deutsche Maschinenbau-Gipfel von VDMA und der Fachzeitung Produktion in Berlin beschäftigte sich unter anderem mit der Energiekrise.
  • Auch wenn die Branche aktuell noch relativ stabil läuft, zeigte der Kongress, wie sich die Unternehmen auf die kommenden Herausforderungen vorbereiten.
  • Neben kurzfristigen Maßnahmen stand dabei auch die zukünftige Diversifizierung von Energieversorgung, Lieferketten und Absatzmärkten auf dem Programm.

Aktuell gestaltet sich die Lage im Maschinen- und Anlagenbau vergleichsweise ruhig. „Wir haben eine Reihe von Unternehmen, denen es noch gut geht, aber auch eine Reihe von Unternehmen, die vom Energiekosten-Anstieg hart getroffen sind“, sagte Karl Haeusgen, Präsident des Branchenverbandes
VDMA, zum Auftakt der Veranstaltung. In der Summe laufe der Maschinenbau „noch stabil“. Diese Einschätzung bestätigte auch eine Live-Umfrage unter den 700 Teilnehmenden im Saal. Bei lediglich knapp 10 % der Maschinenbauer und Entscheidungsträger der Branche überwogen die Sorgen über die zukünftige Geschäftsentwicklung, die große Mehrheit gab sich dagegen kämpferisch. Claus Wilk, Chefredakteur der Fachzeitung Produktion und Mitveranstalter des Gipfels, lobte dieses „Selbstverständnis des Maschinenbaus, die Dinge anzupacken“.

Maschinenbau und Politik im Schulterschluss

Beeindruckend war dabei auch die Geschlossenheit, mit der sich die Branche hinter die europäische Politik stellte. „Wir müssen gemeinsam alles tun, um unsere Demokratie, unsere offene Gesellschaft und freie Marktwirtschaft zu verteidigen“, erklärte VDMA-Präsident Haeusgen. Gleichzeitig schrieb er dem anwesenden Bundeskanzler Scholz aber auch die Sorgen und Forderungen der Maschinen- und Anlagenbauer ins Stammbuch. „Uns als Maschinenbau treffen steigende Strompreise nicht nur direkt, sondern auch durch die Gefährdung vieler Zulieferer“, so Haeusgen. Das Merit-Order-System, nach dem sich der Preis an der Strombörse am teuersten Anbieter – also derzeit an den Gaskraftwerken – orientiert, müsse unbedingt angepasst werden. Auch die bürokratische Belastung etwa durch das Lieferkettengesetz sei „völlig praxisfern“.

Aussagen, die nicht nur im Saal für Applaus sorgten, sondern auch die Zustimmung des Bundeskanzlers erhielten. Mit den Ausführungen von Haeusgen sei er „zu 99 % einverstanden“, erklärte Olaf Scholz in seiner direkt folgenden Ansprache. Die allererste Aufgabe seiner Politik sei es, die Energiepreise wieder auf ein erträgliches Niveau zu bringen. Er arbeite daran, die Energiesicherheit Deutschlands weiter zu erhöhen. Neben kurzfristigen Maßnahmen wie dem Füllen der Gasspeicher und der schnellen Inbetriebnahme von LNG-Terminals noch in diesem Winter will Scholz dazu auch die langfristigen Perspektiven, insbesondere den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der zugehörigen Netze. Unbedingt notwendig sei etwa der Ausbau der Windkraft-Kapazitäten – und zwar „in jedem Bundesland“, wie Scholz wohl vor allem mit Blick auf die süddeutschen Länder betonte. Außerdem würde Deutschland schon jetzt besser dastehen, „wenn die geplanten Netze von Nord nach Süd schon fertig wären“, so Scholz. Der Bundeskanzler versprach dem Maschinenbau jedoch, nun alle Gesetze auf den Weg zu bringen, die für ein Gelingen der Energiewende notwendig sind.

Wie kommen wir durch die Energiekrise?

Helene Derksen-Riesen
Helene Derksen-Riesen (2. von rechts) erläuterte die aktuellen Nöte vieler Unternehmen bei der Energiebeschaffung. (Bild: Maschinenbau-Gipfel 2022)

Die überragende Bedeutung des Themas Energie für die Industrie wurde auch in einer späteren Podiumsdiskussion noch einmal deutlich. Die Auswirkungen der derzeitigen Krise auf die Industrie machte Helene Derksen-Riesen, Executive Vice President Corporate Development and Real Estate beim Elektronikhersteller Weidmüller deutlich. Für die Gasversorgung 2023 habe sie nur von einem einzigen Anbieter ein Angebot erhalten – zum zwölffachen Preis! Gemeinsam mit den steigenden Strompreisen sei diese Entwicklung zwar „nicht existenzbedrohend“, aber trotzdem dramatisch. Vielen Maschinenbauern kommt dabei entgegen, dass ihre Produktion nicht besonders energieintensiv ist: Im Maschinenbau bewegt sich der typische Anteil der Energiekosten am Umsatz – zumindest bisher – im niedrigen einstelligen Bereich, teilweise sogar unter 1 %. Bei einzelnen Unternehmen – etwa Gießereien – sieht das aber ganz anders aus. Mit entsprechenden Folgen.


VDMA-Präsident Karl Haeusgen lobte daher in der Diskussion auch den Entwurf der Politik zur Gaspreis-Bremse. Die Lösung über eine einmalige Zahlung im Dezember und eine spätere langfristige Lösung sei eine „gute Idee“. Zwar gebe es durch den pauschalen Ansatz Streuverluste, das sei aber angesichts des Zeitdrucks unumgänglich gewesen.

Auch Achim Zerres, Abteilungsleiter Energie bei der Bundesnetzagentur, sieht Deutschland grundsätzlich gut aufgestellt. Eine Vorhersage, ob es zu einer Mangellage kommt, sei aber sehr schwierig, da gerade die Gasszenarien – insbesondere was den Verbrauch von Privathaushalten und Gewerbe angeht – „extrem temperaturabhängig“ seien. Falls es ein vergleichbarer Winter wie in den letzten Jahren werde, komme Deutschland seiner Einschätzung nach ohne Mangellage davon. Bei einem besonders kalten Winter werde es allerdings „schwierig“.


Selbst eine mögliche Ausrufung der Notfallstufe durch die Bundesregierung würde zwar „nicht ohne Schmerzen“ ablaufen. Sofern es zu einer solchen Mangellage komme, sei man aber zumindest gerüstet, diese „gut zu verwalten“. Ziel seiner Behörde sei es dabei, die Einschränkungen für alle Verbraucher so gering wie möglich zu halten und Unternehmen beispielsweise eine Vorlaufzeit von drei Tagen zu ermöglichen. Dies sei angesichts der aktuellen Frist von 24 Stunden, in der ihr Unternehmen die Mengenzusagen erhalte, zwar ein Fortschritt, erklärte Praktikerin Derksen-Riesen vom Maschinenbauer Weidmüller. Für ein geordnetes Herunterfahren der Anlagen benötige man aber trotzdem vier bis fünf Tage, so Derksen-Riesen.


Zerres erläuterte das Verteilungssystem der Bundesnetzagentur. Während im Falle eines Gasmangels die meisten Verbraucher pauschale Kürzungen in Kauf nehmen müssten, soll es für 2.500 Großverbraucher individuelle Verfügungen geben. Wer bereits vorher Energie eingespart hat, werde dann auch „großzügiger“ behandelt, so Zerres. Gegen solche Lösungen wiederum sprach sich VDMA-Präsident Haeusgen aus. Er wolle in einer Mangellage alle Verbraucher gleichbehandelt sehen, „außer Krankenhäuser“. Die Zuversicht, dass es nicht zu einer solchen Härtefall-Entscheidung kommen wird, betonte zum Abschluss des Maschinenbau-Gipfels Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Er sehe „gute Chance, über den Winter zu kommen“, es gebe jedoch andererseits auch „keine Garantie“ dafür.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht „gute Chancen“, ohne Gasnotlage über den Winter zu kommen. (Bild: Maschinenbau-Gipfel 2022)

Maschinenbau muss Abhängigkeiten verringern

Um nach einem hoffentlich gut überstandenen Winter nicht erneut in eine vergleichbare Situation zu geraten, sollte Deutschland die richtigen Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Auch darin waren sich Politiker und Maschinenbauer einig. VDMA-Präsident Haeusgen verschwieg dabei auch nicht die Verantwortung der Industrie: „Auch wir in der Industrie hätten es wissen müssen, wie gern sind auch Industrievertreter mit Gerhard Schröder nach Moskau gefahren“, erinnerte er. Daher müssten Industrie und Politik gleichermaßen ihre Strategien überdenken.


Um nicht erneut in eine gefährliche Abhängigkeit zu geraten, sei es wichtig sich zu diversifizieren – nicht nur was die Energieversorgung, sondern auch was Lieferketten und Absatzmärkte anginge. Insbesondere von China müsse sich der Maschinenbau ein Stück unabhängiger machen. Dass dies für eine ganze Volkswirtschaft oder Branche einfacher gesagt als in der Praxis getan ist, darauf verwies der Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter. Denn es sei schließlich nicht die EU oder die Bundesregierung, die Rohstoffe wie beispielsweise seltene Erden einkaufe, sondern eben immer einzelne Unternehmen. Die Politik müsse daher mit klug gewählten Förderungsmaßnahmen und Zöllen die richtigen Anreize setzen.

Bundestagsabgeordneter Anton Hofreiter
Die Notwendigkeit, aber auch die Probleme bei der Diversifizierung zeigte der Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter. (Bild: Maschinenbau-Gipfel 2022)

An Ideen und Erfahrungen, wo Alternativen zu China liegen könnten, mangelte es auf dem Kongress derweil nicht. In der zugehörigen Podiumsdiskussion „China and beyond“ wurde insbesondere Indien immer wieder als interessanter, wachsender Markt und Produktionsstandort für Maschinen- und Anlagenbauer genannt. Aber auch andere asiatische Länder wie Malaysia, Japan und Korea blieben spannende Optionen.


Mit Blick auf den drohenden Konflikt zwischen China und Taiwan wies Bernhard Baumgärtner, Regional Director Asia beim Pumpenhersteller Prominent, auf den oftmals unterschätzten Standortfaktor der politischen Stabilität hin. Doch diese ist selbst in so etablierten Märkten wie den USA nicht mehr unbedingt gegeben. Für Unternehmen könnte es sich daher lohnen, noch ein wenig abzuwarten, in welchen Ländern und Regionen sie ihr Geschäft verstärken wollen. Denn wie Marc Saxer, Leiter des Büro für Regionale Zusammenarbeit in Asien, Geopolitik, Weltordnung und Wirtschaft von morgen bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, betonte, stehen mit den Folgen des Parteitags in China und der US-Midterm-Elections sowie den Präsidentschaftswahlen 2024 derzeit grundlegende Weichenstellungen in der Weltpolitik an. In zwei bis drei Jahren könnte der Blick daher klarer sein, wohin die globale Gesellschaft – und damit auch die Industrie – steuert.

13. Deutscher Maschinenbau-Gipfel in Bildern

Der größte Maschinenbau-Gipfel aller Zeiten war ein Erfolg. Redner und Teilnehmende nutzen die Chancen zum Austausch und Netzwerken und diskutierten über die Herausforderungen der Branche. Die Veranstaltung in Bildern.

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