Das Konzept der sogenannten Click-Chemie geht zurück auf den US-Amerikaner Barry Sharpless. Dieser schlug vor rund 20 Jahren den Ansatz vor, komplexe Moleküle herzustellen, indem einzelne „Bausteine“ mit Hilfe von effizienten Reaktionen zwischen bestimmten funktionellen Gruppen miteinander verbunden werden. Unabhängig voneinander entdeckten Sharpless und der Däne Morten Meldal im Jahr 2001 eine Reaktion, die genau dies ermöglicht: die Kupfer-katalysierte Azid-Alkin-Cycloaddition.
Hinter diesem komplexen Namen verbirgt sich eine chemische Reaktion, bei der ein Azid und ein Alkin einen sogenannten Triazol-Ring bilden. Diese Ringbildung war auch zuvor schon bekannt, allerdings verläuft sie erst bei Zugabe von Kupferionen als Katalysator effizient und vor allem spezifisch und ohne störende Nebenprodukte. Der Triazol-Ring ist ein häufiges Strukturelement in pharmazeutischen Wirkstoffen, beispielsweise Antibiotika. Außerdem lassen sich mit solchen Reaktionen die oft nur schwierig neu zu knüpfenden Bindungen zwischen zwei Kohlenstoff-Atomen umgehen. Stattdessen, so der ursprüngliche Gedanke von Barry Sharpless, lassen sich bestehende Einheiten oder Moleküle mit Aziden und Alkinen funktionalisieren und dann wie Bausteine aneinanderklicken.
Zweiter Chemie-Nobelpreis für Sharpless
Für Sharpless ist es die zweite Nobel-Auszeichnung: Er erhielt den Nobelpreis für Chemie „für seine Arbeit an chiral katalysierten Oxidationsreaktionen“ im Jahr 2001 – zufälligerweise in dem Jahr, aus dem auch die Entdeckung stammt, die schließlich zu seinem zweiten Nobelpreis führte. Sharpless ist damit eine von fünf Personen, die zweimal mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Die anderen mehrfachen Preisträger sind Marie Curie (Physik 1903, Chemie 1911), Linus Pauling (Chemie 1954, Frieden 1962) John Bardeen (Physik 1956 und 1972) und Frederick Sanger (Chemie 1958 und 1980).
Carolyn Bertozzi nutzte das Prinzip der Click-Chemie für ihre Forschung an lebenden Zellen und hob die Methode damit „auf ein neues Level“, so die Bewertung der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften. Bertozzi untersuchte sogenannte Glykane, Ketten von Zuckern an der Oberfläche von Zellen, die bei der Signalübertragung und Erkennung von Zellen untereinander eine wichtige Rolle spielen, beispielsweise bei Immunreaktionen. Im Rahmen ihrer Arbeit fütterte Bertozzi Zellen mit Azid-markiertem Zucker. Mit einem Farbstoff, der über eine Alkin-Gruppe verfügt, konnte sie so diejenigen Glykane markieren und aufspüren, in denen der jeweilige Zucker verbaut war. Eine Besonderheit dabei war, dass sie die Reaktion so modifizierte, dass sie auch ohne das für lebende Zellen giftige Kupfer auskommt. Für diese Art der Reaktion – spezifisch genug, dass sie mit keinem anderen Teil des Stoffwechsels reagiert, und gleichzeitig unschädlich für den Organismus – prägte Bertozzi den Begriff der Bioorthogonalen Chemie. Bertozzi ist die achte Frau, die den Nobelpreis für Chemie erhält.
Auf der Grundlage der Forschungsarbeit der diesjährigen Preisträger sind mittlerweile weitere ähnliche Reaktionen entstanden. Die möglichen Anwendungsfelder gehen weit über die Synthese komplexer Pharmazeutika und die Markierung von Biomolekülen hinaus. Denkbar sind beispielsweise Oberflächen, die sich per Klick-Chemie schnell und einfach mit gewünschten Molekülen funktionalisieren lassen, oder Kunststoffe, deren spezifische Weichmacher festgeklickt sind und nicht mit der Zeit freigesetzt werden. Mittels bioorthogonaler Chemie hergestellte Krebs-Therapeutika befinden sich derzeit in klinischen Tests.