Interview mit Sebastian Dahlke, Hermetic-Pumpen
„Die Digitalisierung hat ähnliches Potenzial wie die Erfindung der Dampfmaschine“

Sebastian Dahlke ist Geschäftsführer bei Hermetic-Pumpen. "Der Einkaufs- und Verkaufsprozess für Pumpen hat sich deutlich verändert. Ohne digitale Auswahlwerkzeuge wird man in Zukunft nicht mehr erfolgreich sein."
CT: Das Thema Digitalisierung beherrscht derzeit die Industrie – und wird von jedem Hersteller anders interpretiert. Hermetic hat zur Achema gleich zwei Projekte dazu vorgestellt – das Expertentool und die Star Pump Alliance. Welchen Stellenwert hat die Digitalisierung aus Ihrer Sicht?
Dahlke: Einen enorm großen. Das Potenzial ist riesig – ich vergleiche das mit der Erfindung der Dampfmaschine im 18. Jahrhundert. Damals konnte sich kaum jemand vorstellen, wie diese Erfindung die Wirtschaft revolutionieren wird. Gefühlt stehen wir heute vor der gleichen Situation. Die Zahl der Entwicklungen, die aus der Digitalisierung folgen, werden nicht linear sondern exponentiell wachsen.
CT: Welchen konkreten Nutzen versprechen Sie sich und Ihren Kunden von Ihren Digitalisierungsbemühungen?
Dahlke: Einerseits geht es uns darum, den Vertriebsprozess zu unterstützen; aber auch das Thema vorausschauende Wartung ist ein wichtiger erster Ansatz. Mit dem Expertentool unterstützen wir Ingenieure, die bereits wissen, was sie brauchen und die Vorauswahl in Richtung Spaltrohrmotorpumpe getroffen haben. Diese erhalten als Ergebnis eine Auswahl an Pumpen, die für ihren speziellen Anwendungsfall passen. Oft haben die Anwender in ihren Spezifikationen Puffer vorgesehen, in der Spezifikation für Angebote stehen aber ganz exakte Daten. In der Vergangenheit hat das dann zu individuell ausgelegten Unikaten geführt. Das Expertentool zeigt dem Anwender, dass die Spezifikation eventuell gar nicht so weit weg von einer Standardpumpe liegt – und diese hat eine kürzere Lieferzeit und einen attraktiven Preis.
CT: Wie wichtig ist das Argument Lieferzeit?
Dahlke: Das wird immer wichtiger. Und bei der Ersatzteilbeschaffung wird das sogar zum wesentlichen Faktor. Steht die Anlage, dann verliert der Kunde Geld. Deshalb optimieren wir unsere Abläufe von der Angebotsabgabe bis zur Auslieferung: Wenn der Anwender unser Expertentool nutzt, wollen wir innerhalb von ein bis zwei Tagen mit einem Angebot antworten – Ziel ist es sogar, Angebote automatisch zu erstellen. Außerdem streben wir in der letzten Ausbaustufe des Expertentools an, je nach Baugröße zu einer garantierten Lieferzeit von sechs Wochen zu kommen.
CT: Inwieweit sind organisatorische Abläufe in der Beschaffung ein Treiber für die Digitalisierung?
Dahlke: Auch hier sehen wir deutliche Veränderungen, und das hat vor allem mit der Altersstruktur der Beschaffer zu tun: Der technische Einkauf in großen Konzernen ist oft eine Karrierestation für junge Ingenieure. Diese wollen kein Papier mehr wälzen, sondern erwarten moderne Auswahlwerkzeuge. Das ist auch die Stoßrichtung der Star Pump Alliance, die wir gemeinsam mit Netzsch Pumpen und Systeme und Edur Pumpenfabrik Eduard Riedlien gegründet haben: Während unser eigenes Expertentool für die Auslegung von Spaltrohrmotorpumpen gedacht ist, hilft das Auswahlwerkzeug der Star Pump Alliance dabei, erst einmal die richtige Pumpentechnologie für eine Anwendung zu finden. Als Ergebnis erhält der Interessent dann für die selektierte Technologie ein Angebot von einem Mitglied der Star Pump Alliance.
CT: Inwiefern ist das Konservieren von Expertenwissen eine Motivation für den Aufbau solch digitaler Expertensysteme?
Dahlke: Das ist durchaus ein wichtiger Faktor. Natürlich wird man in der Star Pump Alliance nie über einen bestimmten Detaillierungsgrad hinausgehen. Aber es ist wichtig, dass der Auswahlentscheider die Technologien versteht und für seine Anwendung einschätzen kann. Das leistet die offen im Web zugängliche Software auf jeden Fall. Unser eigenes Expertensystem ist dagegen nicht frei verfügbar, sondern der Zugang wird den Kunden von unserem Vertrieb gezielt zur Verfügung gestellt. Im Hintergrund dieses Expertenwerkzeugs laufen Berechnungen und wird auf unser Spezialwissen zurückgegriffen, das wir natürlich nicht offen legen. Aber auf Basis der Daten, die in dem jeweiligen Tool eingegeben werden, haben wir natürlich eine ganz andere Basis für ein Fachgespräch mit den Kunden.
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