- Die Messtechnik in der Chlorproduktion darf keine unerwünschten Reaktionen im Prozess zulassen und muss zugleich den aggressiven Eigenschaften des Produkts wider-
stehen. - Eine zuverlässige Lösung zur Drucküberwachung bilden Druckmittlersysteme vorwiegend mit Prozesstransmittern und mit aufgabenspezifischen Werkstoffen für die mess-stoffberührten Teile.
- Für besonders neuralgische Messstellen im Prozess empfiehlt sich eine Ausführung mit integrierter Membranbruchüberwachung.
Durch seinen praktischen Nutzen kommt Chlor (Cl2) seit seiner Entdeckung vor mehr als 200 Jahren in zahlreichen Anwendungen zum Einsatz. Wegen seiner umwelt- und gesundheitsgefährdenden Eigenschaften wird Cl2 jedoch in bestimmten Bereichen zunehmend durch andere Stoffe wie Ozon oder Wasserstoffperoxid ersetzt – zum Beispiel bei der Trinkwasseraufbereitung oder der Papierbleiche. In der chemischen Industrie ist der Stoff jedoch nach wie vor unverzichtbar, vor allem als Grundstoff für PVC – außerdem spielt er in der Arzneimittel-Produktion eine bedeutende Rolle.
Richtiger Werkstoff für messstoffberührte Teile
Aufgrund der hohen Reaktivität von Chlor, die zum Beispiel in Verbindung mit organischen Substanzen wie Schmierfetten oder Füllflüssigkeiten explosionsartig auftreten kann, ist der Herstellungsprozess strengen Sicherheitsanforderungen unterworfen. Auch die Messtechnik, die in den einzelnen Verfahrensschritten zum Einsatz kommt, muss dementsprechend ausgelegt werden. Die Instrumentierung zur Drucküberwachung reicht dabei vom hochgenauen Prozesstransmitter mit Selbstdiagnosefunktion bis zum Manometer für eine fremdenergiefreie Vor-Ort-Anzeige, häufig auch redundant aufgebaut, als Back-up.
Die chlorgerechte Ausführung von Messgeräten wird in unterschiedlichen Normen und Richtlinien beschrieben. Die GEST-Empfehlungen von Eurochlor, dem Dachverband der Chlorproduzenten in Europa, dienen der Branche in Europa als Maßstab. Dieser Leitfaden rät zu Druckmittlern für die Anbindung von Druckmessgeräten an den Prozess, vorzugsweise im Direktanbau an die jeweilige Messtechnik. Druckmittler übertragen den Prozessdruck über eine frontbündige Membran hydraulisch und trennen das mit ihm verschweißte Messgerät sicher vom Prozess. Die Übertragungsflüssigkeit muss auf jeden Fall inert, also reaktionsträge mit den meisten Stoffen sein – ein mögliches Beispiel ist Halocarbonöl. Alle messstoffberührten Teile des Druckmittlers sind mit chlorbeständigen Werkstoffen auszuführen, abhängig von der jeweiligen Applikation und dem Einsatz von Feucht- oder Trockenchlor.
Als Werkstoffe für die Membran kommen anwendungsspezifisch verschiedene Metalle, aber auch Kunststoffe in Frage. Als einziges Metall eignet sich Tantal sowohl für Trocken- und Feuchtchlor bei Temperaturen bis 150 °C. Allerdings müssen hier begrenzte Festigkeiten und damit die Möglichkeit von Rissbildungen ins Kalkül gezogen werden. Für Einsätze bei Trockenchlor bieten sich auch Hastelloy C276 und Alloy C4 an, vor allem wegen ihrer ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften bis zu einer Temperatur von max. 300 °C. Titan ist aufgrund der Gefahr von Metallbrand auf Feuchtchlor-Applikationen nur beschränkt verwendbar. Die Kunststoffe ECTFE, PTFE und PVDF wiederum sind vergleichsweise flexibel einsetzbar. Ersterer weist unter ihnen die niedrigste Permeationsrate auf, jedoch ist eine Anwendung unter Druck bei mehr als 100 °C nicht zu empfehlen.
Druckmessung während der Elektrolyse
Chlor wird über eine Chloralkali-Elektrolyse aus Natriumchlorid und Wasser gewonnen. Bei diesem Verfahren entstehen neben dem Chlor zwei Kuppelprodukte: Wasserstoff und Natronlauge, die unter anderem zur Synthese bestimmter Chemikalien und für Folgeprodukte genutzt werden. Die Elektrolyse funktioniert allerdings nur, wenn Anode und Kathode getrennt sind. Andernfalls würden sich Chlor und Wasserstoff zu einem explosiven Gemisch verbinden. Die Industrie wendet bei diesem Prozess mittlerweile mehrheitlich das energiesparende Membranverfahren an. Dabei spannt man eine dünne Spezialmembran zwischen Anode und Kathode, die lediglich positive Natriumionen diffundieren lässt.
Die Anforderungen an die Druckmessung während der Elektrolyse sind komplex. Die Installation von Drucktransmittern an den beiden Kammern der Anlage reicht allein nicht aus. Entscheidend ist die Ermittlung des Differenzdrucks zwischen den Kammern. Für eine reibungslose Elektrolyse müssen ausgeglichene Druckverhältnisse herrschen, damit die Membran keinen Schaden nimmt. Wegen der geringen Materialstärke müssen Veränderungen beim Differenzdruck unmittelbar detektiert werden, um im Fehlerfall den Prozess unverzüglich stoppen zu können. Dazu kommen hochgenaue Differenzdrucktransmitter mit zwei Druckmittlern zum Einsatz – zum Beispiel aus der DPT-Typenreihe von Wika mit einer Genauigkeit bis 0,075 % der Spanne. In Anbetracht der kritischen Umgebung sollte das Gerät über eine eigensichere Elektronik verfügen, selbst bei einer Variante mit druckfester Gehäusekapselung. Entsprechend der Messaufgabe werden die Druckmittler des Differenzdrucktransmitters unterschiedlich ausgeführt: Die Chlor-Messstelle benötigt eine Membran aus Tantal, die für Wasserstoff eine Membran mit Goldbeschichtung.
Nach der Elektrolyse wird das gasförmige Chlor in einem weiteren Prozess gefiltert, gereinigt und unter Druck bei niedrigen Temperaturen verflüssigt. Chlor weist auch in diesen späteren Stadien des Herstellungsverfahrens bis hin zur Abfüllung ein erhebliches Gefährdungspotenzial auf. Die parallel ablaufenden Prozesse für die Kuppelprodukte Wasserstoff und Natronlauge erfordern ebenfalls erhöhte Aufmerksamkeit, da diese genauso reaktionsfreudig sind wie das Chlor selbst.
Schadensfällen lässt sich vorbeugen
Druckmittlermembranen sind, wie bereits erwähnt, speziell auf die Prozessbedingungen ausgelegt. Eine Beschädigung, zum Beispiel durch einen unvorhersehbaren Überdruck oder eine Korrosion anhaftender Partikel, lässt sich aber dennoch nie hundertprozentig ausschließen. Eine ungewollte Verformung kann das Messergebnis signifikant verfälschen. Im Fall eines Membranbruchs würde außerdem die Übertragungsflüssigkeit in den Prozess gelangen und die Qualität des Chlors beeinträchtigen. Zugleich kann Chlor auf diesem Weg durch das Messgerät in die Umgebung austreten.
An besonders neuralgischen Stellen im Prozess lässt sich einem derartigen Schadensfall durch ein Druckmittlersystem mit integrierter Membranbruch-Überwachung vorbeugen. Bei diesem von Wika entwickelten System – im Fall von Chlorapplikationen kommt Typ DMS27 in Frage – verfügt der Druckmittler über zwei übereinanderliegende Membranen. Die Luft zwischen beiden wird dabei evakuiert und das entstandene Vakuum von einem Sensor überwacht. Sollte die prozessseitige Membran beschädigt werden, übernimmt die zweite Membran ihre Messfunktion. Zugleich wird der Vakuumverlust erfasst und bei Erreichen des kritischen Werts ein elektronisches Alarmsignal gesendet. Bis zum Austausch funktioniert die Überwachung des Prozessdrucks weiterhin zuverlässig.
Die Produktion von Chlor setzt die Messtechnik im Prozess dauerhaft unter Stress. Selbst die widerstandsfähigste Druckmittlermembran zeigt unter diesen Bedingungen irgendwann Abnutzungserscheinungen. Ist die Messqualität in einem nicht vertretbaren Maß beeinträchtigt, bleibt nur der Austausch des Komplettsystems. Dabei wird die demontierte Einheit von Druckmittler und Druckmessgerät oft entsorgt. Im Fall von Manometern mag das durchaus eine wirtschaftlich vertretbare Lösung sein. Bei den hochwertigen Prozess- oder Drucktransmittern sieht die Rechnung jedoch anders aus.
Daher bieten einige Hersteller für diese Fälle einen technischen Service an, bei dem lediglich der Druckmittler erneuert oder überarbeitet wird. Das bisherige Messsystem wird aufgetrennt, der neue Druckmittler – inklusive neuer Übertragungsflüssigkeit – mit dem bisherigen Messgerät verschweißt und das gesamte System kalibriert. Auf diese Weise kann der Lebenszyklus des Transmitters voll ausgeschöpft werden, und die Gesamtkosten des Druckmittlersystems werden langfristig gesenkt.