Aktualisierte Bioökonomie-Strategie der EU-Kommission
EU will Bioökonomie stärken, Cefic kritisiert fehlenden Rahmen
Die EU-Kommission hat ihre Bioökonomie-Strategie aktualisiert, die einen zentralen Beitrag zum Erreichen der europäischen Klima- und Umweltziele leisten soll. Die europäische Chemieindustrie sieht Chancen, warnt aber vor erheblichen Umsetzungslücken.
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Ziel der Strategie ist es, den Übergang von fossilen zu
biologischen Rohstoffen voranzutreiben und neue Wertschöpfungsketten in
Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Industrie und Forschung zu erschließen. Neben
der Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen setzt die EU auf
Innovationen, die nachhaltige Nutzung biologischer Ressourcen und einen
besseren Zugang zu Finanzierungsinstrumenten für Unternehmen, darunter
Start-ups und KMU.
Im Mittelpunkt steht der Aufbau wettbewerbsfähiger Märkte
für biobasierte Produkte. Dafür plant die Kommission unter anderem neue
Nachfrageanreize, eine stärkere Rolle der öffentlichen Beschaffung sowie
Investitionen in neue Technologien und industrielle Skalierung. Auch die
nachhaltige Bereitstellung von Biomasse und die bessere Nutzung von Rest- und
Nebenströmen zählen zu den Kernelementen.
Industrieallianz soll Vermarktung biobasierter Lösungen fördern
Nach Angaben der Kommission ist die Bioökonomie schon heute
ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Europa: Sie umfasst mehr als 17 Mio.
Beschäftigte und einen Wertschöpfungsbeitrag von rund 2,7 Billionen Euro. Eine
im Rahmen der Strategie geplante „Bio-based Europe Alliance“ soll europäische
Unternehmen zusammenbringen, um bis 2030 biobasierte Lösungen im Gesamtwert von
10 Mrd. Euro auf den Markt zu bringen.
Der europäische Chemieindustrieverband Cefic begrüßt die
ambitionierte Ausrichtung der Kommission grundsätzlich. Die Bioökonomie sei
eine „zentrale Säule der industriellen Transformation“, und die Chemieindustrie
spiele eine Schlüsselrolle als Produzent biobasierter Vor- und
Zwischenprodukte. Positiv bewertet der Verband insbesondere die geplante
Förderung neuer Märkte, die stärkere Verknüpfung von Bioökonomie und
Kreislaufwirtschaft sowie zusätzliche Unterstützung für Innovationen.
„Vor allem Nachfrage für biobasierte und zirkuläre Produkte schaffen“
Gleichzeitig warnt der Verband vor deutlichen Lücken in der
praktischen Umsetzung. Die Strategie beschreibe zwar ehrgeizige Ziele, lasse
aber einen klaren ordnungspolitischen Rahmen weitgehend vermissen. Ohne
verbindliche Maßnahmen drohten Marktfragmentierung und fehlende
Investitionssicherheit, so Cefic. Es brauche einheitliche Regeln für den
europäischen Binnenmarkt und konkrete Anreize, damit biobasierte Lösungen
wirtschaftlich konkurrenzfähig werden.
Kritisch sieht der Verband zudem die unzureichend
adressierte Frage der Biomasseverfügbarkeit. Für eine funktionierende
industrielle Bioökonomie müsse die Versorgung mit nachhaltig erzeugten biogenen
Rohstoffen planbar und verlässlich sein – sonst sei der Aufbau neuer
Produktionskapazitäten kaum möglich. Außerdem reiche es nicht aus, bestehende
Programme nur zu verstärken; erforderlich seien gezielte industriepolitische
Maßnahmen, die Innovationen schneller in den Markt überführen und den Übergang
von Pilotanlagen in den industriellen Maßstab erleichtern.
Ohne Nachfrage gibt es keinen Business Case. Und genau diesen Business Case brauchen wir jetzt.
Marco Mensink, Generaldirektor, Cefic
„Eine Strategie allein reicht jedoch nicht aus. Wir brauchen
Taten und Umsetzung“, forderte Marco Mensink, Generaldirektor des Cefic. „Das
bedeutet: einen Rechtsrahmen für die industrielle Bioökonomie, der einen echten
Binnenmarkt für biobasierte Produkte in Europa schafft, sowie eine klare Vision
für die heimische Produktion und für Importe – einschließlich einer möglichen
Rolle der Ukraine und anderer EU-Partner. Vor allem aber heißt das,
Marktnachfrage für CO₂-arme, biobasierte und zirkuläre Produkte zu schaffen –
Märkte, die derzeit keinerlei Preisaufschlag für solche Lösungen bieten. Ohne
Nachfrage gibt es keinen Business Case. Und genau diesen Business Case brauchen
wir jetzt.“
Der Industrieverband fordert daher, die
Bioökonomie-Strategie als vollwertige Industriestrategie zu verstehen. Dazu
gehören aus Sicht des Cefic klare Marktanreize, eine bessere Koordination
innerhalb der EU-Regulierung, Unterstützung beim Aufbau neuer Wertschöpfungsketten,
mehr Infrastruktur für biotechnologische Produktion und langfristig
wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für den Standort Europa. Nur so könne die
EU das Potenzial der Bioökonomie heben und international mit neuen
Bio-Materialien und Bio-Chemikalien eine führende Rolle einnehmen.