Im zentralen Tanklager der BASF in Ludwigshafen sorgen 68 Tankbehälter für ein sicheres und effizientes Lagern flüssiger Produktionsstoffe wie zum Beispiel Methanol und Naphtha.

BASF-Tanklager in Ludwigshafen. (Bild: BASF)

„Wir haben den Anspruch, das bevorzugte Chemieunternehmen zu sein, um die grüne Transformation unserer Kunden zu ermöglichen“, sage Dr. Markus Kamieth, Vorsitzender des Vorstands von BASF, während seiner Keynote auf dem Capital Markets Day in Ludwigshafen, wo das Unternehmen seine neue Strategie vorstellte: „Das starke und breitgefächerte Portfolio an Chemiegeschäften in unserem Kern macht BASF unverzichtbar – für Kunden weltweit und in einer Vielzahl von Branchen. Diejenigen Bereiche, die wir als eigenständige Geschäfte führen, bedienen spezifische Branchen und sind weniger eng mit unseren integrierten Wertschöpfungsketten verbunden. Zukünftig werden wir den vollen Wert dieser Geschäfte stärker herausstellen.“ Seine neue „Winning Ways“-Strategie präsentierte das Unternehmen entlang von vier strategischen Hebeln: Focus, Accelerate, Transform und Win.

Focus: Portfoliomanagement mit klaren Rollen

Mit dem Strategiehebel Focus definiert BASF ihren Ansatz zum Portfolio-Management neu. Das Unternehmen unterscheidet nun zwischen Core Businesses (Chemicals, Materials, Industrial Solutions und Nutrition & Care) und Standalone Businesses, die spezifische Branchen bedienen (Environmental Catalyst and Metal Solutions, Battery Materials, Coatings, Agricultural Solutions). In diesem Zusammenhang kündigte BASF an, dass Environmental Catalyst and Metal Solutions sowie Battery Materials ab 1. Januar 2025 als separate Unternehmensbereiche im Segment Surface Technologies ausgewiesen werden.

BASF hat im Jahr 2023 in den Core Businesses eine starke Performance erzielt und will durch die Integration in die Wertschöpfungsketten und den Produktionsverbund wertvolle Synergien schaffen. Im Jahr 2023 erwirtschafteten die Kerngeschäfte einen Umsatz von rund 6 Milliarden Euro. In etwa 75 Prozent dieser Geschäfte ist BASF unter den drei Marktführern. Durch organisches Wachstum und strategische Akquisitionen will BASF diese Position weiter stärken.

Die Standalone Businesses von BASF bedienen spezialisierte Industrien und bieten dem Unternehmen mehr Flexibilität. Um auf die spezifischen Marktanforderungen besser reagieren zu können, verfolgt BASF eine Strategie der operativen Autonomie für diese Geschäfte. Ein Beispiel ist das Geschäftsfeld Coatings, das hohe Cash-Beiträge liefert und daher auf strategische Optionen zur Wertschöpfung geprüft wird. Weiterhin starkes Wachstum erwartet der Konzern auch im Geschäft Battery Materials, das jedoch auch durch hohe Markt- und Technologierisiken gekennzeichnet ist.

Accelerate: Geschäfte stärken und Eigenverantwortung erhöhen

Mit dem Accelerate genannten Hebel zielt die neue Strategie auf mehr Tempo bei der Wertgenerierung und die Vereinfachung der Unternehmensorganisation ab. BASF will Geschäfte durch eine schlankere und differenziertere Gruppensteuerung stärken. Das Unternehmen legt die Verantwortung für den Geschäftserfolg noch stärker in die Hände der einzelnen Unternehmensbereiche. In diesem Zusammenhang wird ein verbessertes Performance-Management-System eingeführt, das eine engere Verknüpfung zwischen Anreizen und bereichsspezifischen Leistungen herstellt. Darüber hinaus vereinfacht und verschlankt das Unternehmen seine Organisation, indem es die Rollenverteilung klarer gestaltet, flachere Hierarchien einführt und Bürokratie abbaut. Die Führungsspannen werden angepasst, um die Eigenverantwortung zu erhöhen.

BASF will auch das Potenzial künstlicher Intelligenz nutzen, um die Produktivität zu steigern und Innovationen zu beschleunigen. Durch den weltweiten Einsatz von KI im gesamten Unternehmen will BASF mittelfristig eine deutliche Ergebnisverbesserung erzielen.

Transform: Wertorientiert zu einem nachhaltigen Portfolio

Im Mittelpunkt von Transform steht das Vorantreiben der grünen Transformation. „Die wichtigsten BASF-Kundenindustrien stehen vor enormen Herausforderungen bei der Erreichung ihrer Transformationsziele. Wir liefern die chemischen Produkte, die unsere Kunden auf diesem Weg unterstützen“, sagt Kamieth. BASF geht bei der grünen Transformation schrittweise vor, abgestimmt auf die steigende Kundennachfrage. In einer ersten Phase hat BASF zunehmend auf erneuerbaren Strom gesetzt, neue Technologien getestet und nachhaltige Produkte auf den Markt gebracht. Heute bietet BASF bereits Tausende von Produkten mit reduziertem oder sogar Netto-Null-CO2-Fußabdruck (PCF) in ihrem breiten Portfolio an.

In einer zweiten Phase wird BASF zunehmend erneuerbare Rohstoffe sichern und die Mengen an Produkten mit nachhaltigen Eigenschaften entsprechend den Kundenbedürfnissen erhöhen. Wie bei ihrem Ansatz für erneuerbare Energien wird BASF eine eigene Einheit für erneuerbare Rohstoffe gründen. Der schrittweise Transformationsansatz des Unternehmens zeigt sich auch bei den Ausgaben: Die mit der Transformation verbundenen Ausgaben werden von 2025 bis 2028 voraussichtlich durchschnittlich 600 Millionen Euro pro Jahr betragen.

Ihren Klimaschutzzielen bleibt BASF weiterhin voll und ganz verpflichtet: Bis 2050 strebt das Unternehmen Netto-Null-Treibhausgasemissionen für die Produktion (Scope 1), den Energieeinkauf (Scope 2) und den Rohstoffbezug (Scope 3.1) an. Bis 2030 will BASF die Scope-1- und Scope-2-Emissionen im Vergleich zu 2018 um 25 Prozent senken. Darüber hinaus hat sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt, seine spezifischen Scope-3.1-Emissionen bis 2030 um 15 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 2022 zu senken.

Anpassung am Standort Ludwigshafen

Zielsetzung für den Standort Ludwigshafen ist es, ein führender, nachhaltiger Chemiestandort für Europa und ein starker Eckpfeiler für den Erfolg von BASF zu sein. Dr. Katja Scharpwinkel, Mitglied des Vorstands und Standortleiterin, erklärt: „Wir haben eine gründliche Analyse unserer Produktionsanlagenstruktur in Ludwigshafen auf Grundlage der aktuellen und zukünftigen Markt- und Kundenanforderungen für Chemikalien durchgeführt. Die Mehrzahl der Anlagen ist in ihren jeweiligen Märkten wettbewerbsfähig. Unsere Ergebnisse zeigen aber auch, dass einzelne Anlagen und Produktionslinien aufgrund von mangelnder Wettbewerbsfähigkeit oder struktureller Unterauslastung keine ausreichenden Erträge mehr erzielen.“

Erste Maßnahmen zur Anpassung von Anlagen, die aus dieser Analyse abgeleitet wurden, werden bereits umgesetzt, darunter die Schließung der Anlagen für Adipinsäure, Cyclododecanon (CDon) und Cyclopentanon (CPon), die Ende August 2024 angekündigt wurden. Scharpwinkel: „Weitere Maßnahmen zur Anpassung von Anlagen werden derzeit geprüft und soweit erforderlich schrittweise umgesetzt.“

Darüber hinaus wird BASF ihre Strukturen außerhalb der Produktion in Ludwigshafen anpassen und die Kosten durch ein umfassendes Maßnahmenpaket erheblich senken. Wie bereits angekündigt, strebt BASF bis Ende 2026 jährlich fortlaufende Gesamteinsparungen von rund 2,1 Milliarden Euro an.

Die BASF-Analyse zeige auch, dass alle wichtigen Wertschöpfungsketten in ihren Märkten wettbewerbsfähig sind und dass der Konzern von der Veränderungsdynamik im Rahmen der grünen Transformation profitiere. Das integrierte Verbundsystem des Standorts biete einzigartige Vorteile, den Kunden Lösungen bereitzustellen, die ihre grüne Transformation ermöglichen.

Mit „Win“ schließlich will BASF die Eigenverantwortung, Schnelligkeit und Leistungsorientierung im gesamten Unternehmen steigern. „BASF hat das beste Team der Chemiebranche. Doch wir müssen uns verändern, damit die Mitarbeitenden mehr Eigenverantwortung übernehmen, schneller Entscheidungen treffen und wir unsere Performance verbessern können. Unsere Winning Culture wird ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Umsetzung unserer Strategie sein“, sagt Kamieth.

Betriebsrat und Gewerkschaft kritisieren Sparprogramm

Beim BASF-Betriebsrat und der Chemiegewerkschaft IGBCE stieß die vorgestellte Strategie nicht auf Gegenliebe: Beide Organisationen kritisieren die Neuausrichtung als einseitig gedacht. Dem Konzern gehe es im Schwerpunkt darum, Kosten einzusparen. Das reiche nicht als Konzept für eine erfolgreiche Zukunft und für die Sicherung der Standorte aus: „Durch die vielen Sparprogramme fühlen sich die BASF-Beschäftigten ohnmächtig. Für sie ist es eine Zeit großer Ungewissheit“, betont Sinischa Horvat, BASF-Betriebsratsvorsitzender. Die geplante Neuausrichtung der Strategie, die nun vorgestellt worden sei, helfe da nicht. „Denn darin geht es vor allem darum, Kosten zu sparen. Die Pläne für die grüne Transformation sind viel zu defensiv.“ Horvat erklärt: „Wir wollen und wir müssen die Weichen richtig stellen und unsere Stärken ausspielen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.“ Er fordert: „Dafür müssen wir eine Pionierrolle im Auf- und Ausbau von nachhaltigen Produkten einnehmen und mit gutem Beispiel vorangehen.“ Der Fokus müsse darauf liegen, innovativ nach vorne zu denken und offensiv zu investieren, um die Modernisierung der europäischen Standorte voranzubringen.

Der Fokus des Betriebsrats liege nun zunächst auf den Verhandlungen zur Verlängerung der Standortvereinbarung am Stammwerk in Ludwigshafen, die derzeit betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2025 ausschließt. Der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen müsse bis 2030 ausgeweitet werden. „Die Standortvereinbarung 2030 muss die Beschäftigten schützen, ihnen die bestmöglichen Bedingungen für die anstehenden Veränderungsprozesse sowie klare Zukunftsaussichten bieten und den Weg für eine langfristige Sicherung des Standorts beschreiben“, erklärt Horvat.

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IGBCE und Mitglied des BASF-Aufsichtsrats, gestand dem Konzern wie auch der gesamten Chemieindustrie in Deutschland wirtschaftlichen Druck zu. Er mahnte dennoch: „Aber trotz der Herausforderungen der Transformation und trotz eines schwierigen Marktumfelds, im Kern bleibt die deutsche Chemiebranche eine wettbewerbsfähige und innovative Industrie mit großen Zukunftspotenzial – hier in Deutschland, hier in Europa. Anlagen abbauen, Stellen streichen und zur Transformation in Trippelschritten: Für den größten Chemiekonzern der Welt genügt das nicht als Konzept“, so Vassiliadis.

„Was passiert mit der Region?“

Allein im vergangenen Jahr habe BASF zehn Anlagen in Deutschland abgeschaltet. Neben den Kosteneinsparungen müssten Alleinstellungsmerkmale und Wettbewerbsvorteile der Produkte in den Vordergrund rücken. „Technologieführerschaft und Innovationsgeist haben BASF groß gemacht. Diese Eigenschaften sind mehr denn je der Schlüssel zu nachhaltigen Produkten, die sich deutlich von der Konkurrenz abheben“, so Vassiliadis. Das bedeute auch Investitionszusagen in nachhaltige Produkte und Anlagen, in Neubauten, in die Infrastruktur und in die Modernisierung vorhandener Anlagen.

Laut Roland Strasser, Leiter des IGBCE-Landesbezirks Rheinland-Pfalz/ Saarland, sorgten sich die Beschäftigten des wichtigsten und größten Rheinland-Pfälzer Unternehmens nicht nur um ihre eigene Zukunft. “Sie fragen sich auch: Was passiert mit der Region? Welche Auswirkungen haben diese Entscheidungen auf die gesamte Wertschöpfungskette? Und: Entwickelt BASF sich zu einer Management-Holding?” Er fordert „Statt ständiger Ausgliederungen, Sparprogrammen und neuen Strategieausrichtungen braucht das Unternehmen einen mutigen, entschlossenen Plan nach vorne für die nachhaltige Chemie-Produktion von morgen.“

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