Chemie & Pharma Summit 2024

Bundeskanzler Olaf Scholz und der frisch wiedergewählte VCI-Präsident Dr. Markus Steilemann wollen den Dialog zu den Herausforderungen am Industriestandort Deutschland fortführen. (Bild: simone-m-neumann)

Die vergangenen zwei Jahre waren für die chemisch-pharmazeutische Industrie die herausforderndsten seit langer Zeit – für die energieintensive Chemie noch mehr als für Pharma. Die Lage im internationalen Wettbewerb ist noch immer sehr angespannt. „Viele Unternehmen verlieren zunehmend den Glauben an gute Rahmenbedingungen am Standort Deutschland. Das muss sich ändern“, sagt der jüngst im Amt bestätigte VCI-Präsident Dr. Markus Steilemann und betont: „Das Vertrauen unserer innovativen Industrie in das Potenzial des Standorts ist groß. Deutschland hat die riesige Chance, zu einem Zentrum für grüne Zukunftstechnologien zu werden. Doch die Zuversicht schwindet, dass das ,Geschäftsmodell Deutschland‘ dem globalen Wettbewerb dauerhaft standhalten kann. Die strukturellen Defizite hängen wie Blei an unseren Füßen. Deshalb fordern wir den industriepolitischen Aufbruch, der mit aller Kraft durchgesetzt werden muss.“ Ein Muss für eine wettbewerbsfähige Industrie sind aus Sicht des VCI günstigere Stromkosten, konsequenter Bürokratieabbau, ein Steuerbooster, ein Industrial Deal in der EU sowie Investitionen in Bildung, Sicherheit und Infrastruktur.

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte in seiner Eingangsrede zu den Vertreterinnen und Vertretern der Branche: „Die Chemieindustrie ist die Basis unseres Erfolgs als Industrienation. Damit das so bleibt, haben wir mit der Chemie- und Pharmastrategie, der Wachstumsinitiative, der Senkung der Stromsteuer und der Strompreiskompensation die politischen Weichen gestellt. Deutschland ist ein zentraler Standort für die Chemieindustrie in der Welt. Ich will, dass er das bleibt.“

"Maßnahmen reichen nicht aus"

Scholz ging in seiner Rede auf prioritäre Maßnahmen ein, die die Bundesregierung zur Stärkung des Chemiestandortes plant. Der VCI begrüßt die Ablehnung eines Totalverbots ganzer chemischer Stoffgruppen und das Bekenntnis zu einem risikobasierten Ansatz in der REACH-Verordnung. Die Unterstützung für das chemische Recycling und des Massenbilanzansatzes bewertet der Verband als sehr positiv. Kritik äußert der VCI vor allem daran, dass die Entlastung bei den viel zu hohen Energiepreisen nicht weit genug geht und eine Unterstützung bei den Netzentgelten dringend erforderlich ist. „Das Ergebnis ist ein erster Schritt. Die Maßnahmen reichen aber nicht aus, um den nötigen Aufbruch hin zu einem starken Chemiestandort zu starten. Die guten Ankündigungen des Bundeskanzlers müssen jetzt schnell realisiert werden“, betont Steilemann.

Der VCI setzt weiterhin auf den konstruktiven Dialog, fordert aber auch Klarheit über den wirtschaftspolitischen Kurs der Bundesregierung. „Ich plädiere sehr deutlich für eine Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Verhältnissen“, sagt Steilemann. „Wir können keine ideologisch gefärbten Vorgaben und Detailregelungen gebrauchen. Was wir brauchen, ist unternehmerische Freiheit in einem Spielfeld, das wir selbst am besten kennen.“ Das Land müsse offensiver und dynamischer werden, mit mehr Mut zur Veränderung. „Eine optimistische, konstruktive Grundhaltung tut Not: Wir sollten uns nicht als letzte Generation verstehen, sondern als erste, die es in der Hand hat, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dafür müssen wir aber den Menschen auch zeigen: Es gibt Lösungen und Fortschritt ist machbar – auch dank der Innovationen aus Chemie und Pharma.“

Der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IGBCE Michael Vassiliadis kommentierte die auf dem Branchengipfel diskutierten Maßnahmen zur Stärkung des Chemie-Standorts Deutschland als begrüßenswert, aber unvollständig: "Die heute auf dem VCI Summit skizzierten Pläne der Bundesregierung zur Stärkung des Chemie-Standorts Deutschland mindern den Überdruck auf dem Kessel im Millibar-Bereich. Mit Blick auf die Arbeitsplätze in dieser deutschen Schlüsselindustrie bringen sie keine Entwarnung. Dass die bereits vor einem Jahr auf dem Chemiegipfel verabredeten Einzelmaßnahmen in konkretes Regierungshandeln umgesetzt werden sollen, ist zu begrüßen. Klar ist aber auch: Es bleiben offene Fragen, und ein großer Wurf für diese Leitindustrie ist weiterhin notwendig."

"Wir werden die Kehrtwende nicht allein schaffen"

Die Energiepreise seien im internationalen Wettbewerb nach wie vor viel zu hoch, Investitionen in moderne Infrastruktur dagegen zu niedrig. Dies sei nicht nur ein deutsches Problem, wie in der jüngsten BDI-Studie kritisiert, sondern eine Gefahr für ganz Europa, wie der Bericht von Prof. Mario Draghi im Auftrag der EU-Kommission zeigt. "In Deutschland ist nach der BDI-Studie ein Fünftel der industriellen Wertschöpfung akut bedroht", mahnt Vassiliadis. Dies gelte ganz besonders für die energieintensive und modernisierungsbedürftige Chemieindustrie.

Angesichts der Größe und Schwere der Herausforderungen appellierte Vassiliadis an die Politik: "Weil Anlagen, Investitionen und Herausforderungen in der Chemie so groß sind, werden wir die Kehrtwende mit diesen Ansätzen allein nicht schaffen. Es braucht klare Zusagen und Zeitpläne für eine funktionierende Wasserstoffversorgung und CO2-Entsorgung, für günstigen und rund um die Uhr verfügbaren Grünstrom und für die Förderung des Baus von Industrieanlagen, die sich heute betriebswirtschaftlich noch nicht rechnen. Wir müssen schnell in die Offensive kommen, wenn wir das Spiel drehen wollen."

Wahl des VCI-Präsidenten und des Präsidiums

Am Donnerstag, 12.09.2024, haben die Mitglieder des VCI das Präsidium neu gewählt. Dr. Markus Steilemann, der Vorstandsvorsitzende von Covestro, wurde im Amt bestätigt. Neu im Präsidium ist Dr. Markus Kamieth von der BASF  als Vizepräsident des VCI. VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup bedankte sich bei Präsident Markus Steilemann, den Vizepräsidenten und weiteren Präsidiumsmitgliedern für die Bereitschaft, sich in der kommenden Amtsperiode im Verband der Chemischen Industrie für die Branche zu engagieren.

Das VCI-Präsidium setzt sich nun wie folgt zusammen:

  • Dr. Markus Steilemann, seit Juni 2018 Vorstandsvorsitzender des Kunststoffherstellers Covestro AG, wurde von der Mitgliederversammlung im Amt des Präsidenten bestätigt. Der promovierte Chemiker und Diplom-Betriebswirt führt den Verband der Chemischen Industrie seit September 2022.
  • Neu ins Amt des Vizepräsidenten wurde Dr. Markus Kamieth (BASF SE) gewählt, Carsten Knobel (Henkel AG & Co. KGaA) wurde für weitere zwei Jahre in diesem Amt bestätigt.
  • Als Mitglieder des Präsidiums wurden für weitere zwei Jahre in das Leitungsgremium des Verbandes wiedergewählt: Hubertus von Baumbach (C.H. Boehringer Sohn AG & Co. KG), Dr. Christian Kohlpaintner (Brenntag SE), Christian Kullmann (Evonik AG) und Matthias Zachert (LANXESS AG).
  • Dem Präsidium gehören weiterhin an: Bill Anderson (Bayer AG), Martin Babilas (Altana AG), Reinhold von Eben-Worlée (Worlée-Chemie GmbH), Dr. Henrik Follmann (Follmann Chemie GmbH), Belén Garijo (Merck KGaA), Dr. Wolfgang Große Entrup (VCI), Dr. Christian Hartel (Wacker Chemie AG), Sabine Herold (DELO Industrie Klebstoffe GmbH & Co. KGaA) und Julia Schlenz (Dow Deutschland).

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