Die Übernahme-Welle geht weiter. Dabei handelt es sich um viel mehr als öffentlichkeitswirksame Mega-Deals wie Bayer-Monsanto, Dow-Dupont oder Linde-Praxair. Weit häufiger schlucken Unternehmen eher kleine Nischenanbieter und Start-ups, um ihre Kompetenz zu erweitern, oder Mitbewerber, um ihre Marktposition zu stärken.
Doch rund die Hälfte aller Firmenübernahmen scheitert – diese Quote gilt unverändert seit über zwei Jahrzehnten. Das heißt, bei jeder zweiten Übernahme werden die damit verbundenen Ziele nicht oder nur teilweise erreicht – entweder wegen Fehlern beim Unternehmenskauf oder bei der anschließenden Integration. Damit die Akquisition und Integration gelingt, sollten angehende Unternehmensaufkäufer folgende Punkte beherzigen, um ihre Ziele zu erreichen und die erhofften Werte zu generieren.
Akquisitionsziele aus Unternehmensstrategie ableiten
Die Übernahme eines Unternehmens ist nie ein Selbstzweck. Hiermit sind stets unternehmerische Ziele verbunden. Das übernehmende Unternehmen möchte etwa seine Umsätze oder Erträge steigern, seine Kompetenz ausbauen oder sich neue Marktsegmente erschließen. Dies sind aus der Unternehmensstrategie abgeleitete Ziele. Deshalb ist eine stringente, in sich schlüssige Unternehmensstrategie die Grundlage für eine erfolgreiche Akquisition.
Meist lassen sich die in der Unternehmensstrategie formulierten Ziele zumindest theoretisch auf verschiedenen Wegen erreichen – etwa durch ein entsprechendes Wachstum des Unternehmens selbst oder durch den Erwerb eines anderen Betriebs. Zeigt die Analyse, dass die Akquisition eines anderen Unternehmens der erfolgversprechendste Weg ist, die Unternehmensziele zu erreichen, dann ergeben sich hieraus auch der Nutzen und die Zielwerte der Akquisition.
Passende Targets suchen
Aus der Unternehmensstrategie sowie den Unternehmens- und Akquisitionszielen lassen sich die Kriterien ableiten, die ein Unternehmen erfüllen muss, damit es ein potenzieller Übernahmekandidat ist. Beispielsweise, ob es Zugang zu einem neuen Markt verschafft, über ein exzellentes Entwicklerteam verfügt oder es dem Unternehmen ermöglicht, sich als Systemlieferant im Markt zu profilieren.
Sind mehrere geeignete Unternehmen für eine mögliche Übernahme identifiziert, lassen sie sich anhand der Akquisitionskriterien miteinander vergleichen. Danach können die Deals verfolgt werden, mit denen das Unternehmen am ehesten seine strategischen und unternehmerischen Ziele erreicht.
Schlagkräftiges Akquise- und Integrationsteam
Die Akquisition und Integration eines Unternehmens bedarf eines schlagkräftigen Mergers & Acquisitions (M&A)- und Post Merger-Integration (PMI)-Teams, das an einem Strang zieht. In diesem Team sollten außer M&A-Experten auch Führungskräfte der Bereiche vertreten sein, die von der Übernahme am stärksten betroffen sind.
Möglichst früh sollten in das Akquise- und Integrationsteam auch Vertreter des Übernahmekandidaten eingebunden werden, weil sie ihr Unternehmen am besten kennen. Ebenfalls im Team vertreten sein, sollten Personen, die Erfahrung mit dem Gestalten von Changeprozessen in Unternehmen haben. Dies können externe PMI-Experten oder firmeninterne Personal- und Organisationsentwickler sein.
Das operative Modell klären
Damit die Integration gelingt, ist es sehr wichtig zu klären: Wie sollen beide Unternehmen künftig zusammenarbeiten? Sollen sie zu einer Einheit verschmelzen oder auch künftig weitgehend autark agieren? Die Antworten auf diese Fragen hängen von den Übernahmezielen ab. Angenommen, das Akquiseziel lautet: Das Unternehmen soll nach der Übernahme kostengünstiger produzieren. Dann empfiehlt es sich meist, das übernommene Unternehmen weitgehend in das übernehmende zu integrieren, um die gewünschten Synergieeffekte zu erzielen.
Anders ist es, wenn ein Unternehmen zum Beispiel ein Start-up erwirbt, das aufgrund seiner Struktur und Kultur sehr schnell im Entwickeln neuer Problemlösungen ist. Dann ist es meist zielführender, wenn das erworbene Unternehmen auch künftig weitgehend als eigenständige Einheit agiert. Ansonsten besteht die Gefahr, genau das zu zerstören, was den Erwerb des Unternehmens so attraktiv macht.
Eng damit verbunden ist die Frage: Was geschieht mit dem Management des übernommenen Unternehmens? Auch hier hängt die Antwort von den Akquisezielen ab. Angenommen ein Unternehmen übernimmt einen Mitbewerber primär, um seinen Marktanteil zu erhöhen. Dann ist es meist ratsam, die Verantwortlichen im Vertrieb mittelfristig auszutauschen. Denn aufgrund der bisherigen Konkurrenzsituation äußerten sich diese bisher gegenüber Kunden und Mitarbeitern – zumindest zwischen den Zeilen – oft despektierlich über das expandierende Unternehmen und seine Leistungen. Entsprechend unglaubwürdig wirken sie, wenn sie dieses nun plötzlich in den höchsten Tönen loben.
Anders ist es, wenn ein Unternehmen ein anderes erwirbt, um beispielsweise seine Kompetenz beim Entwickeln von „embedded systems“, also beim Verbinden von Hard- und Software in Maschinen, auszubauen. Dann ist es meist besser, das Management und andere Know-how-Träger nicht auszutauschen. So gehen keine Erfahrung und Kompetenz verloren.
Etappenziele und Kennzahlen definieren
Mit dem M&A- und PMI-Team sollte ein Akquise- und Integrationsplan erstellt werden, der auch die Etappenziele für die angedachte Übernahme eines Unternehmens sowie dessen anschließende Integration enthält. Diese Etappenziele sollten mit Kennzahlen hinterlegt sein, die den Grad der Zielerreichung messbar machen. In dem Plan sollten neben den Fristen auch die Maßnahmen definiert sein, die es zu ergreifen gilt, um diese Ziele zu erreichen. Außerdem sollten die Verantwortlichen hierfür benannt sein.
Kommunikationsplan mit den richtigen Akzenten
M&A-Projekte, bei denen es den Unternehmen nicht gelingt, den größten Teil ihrer Mannschaft auf das geplante Vorhaben einzuschwören, scheitern – trotz aller Vorbereitung und Planung. Kommunikation hilft, Widerstände zu vermeiden und eine Aufbruchsstimmung, also die nötige Motivation, zu erzeugen. Hierfür müssen neben dem Timing auch die Dosis und der Inhalt stimmen.
Deshalb sollte möglichst früh im Verlauf des Akquisitionsprozesses ein Kommunikationsplan entstehen. Unter anderem sollte dieser am Tag, wenn die Übernahme publik wird, und am Tag, wenn sie Realität wird, die richtigen Akzente setzen. Inhabergeführte Unternehmen haben beim Gestalten dieser Kommunikation mehr Freiräume als börsennotierte Unternehmen, die Veröffentlichungspflichten unterliegen.
Beim Erstellen des Kommunikationsplans sollten Führungskräfte bedenken, wie zum Beispiel die Mitarbeiter über Fortschritte bei der Integration informiert werden. Dies ist wichtig, weil der Integrationsprozess meist langwierig ist. Deshalb kann bei den Betroffenen das Gefühl entstehen „Da bewegt sich nichts“, wodurch ihre Energie erlahmt. Deshalb sollten auch kleine Fortschritte und Erfolge regelmäßig kommuniziert und gefeiert werden.
Ausreichend Ressourcen einplanen
Die praktische Integrationsarbeit erweist sich im Prozessverlauf meist als umfangreicher als im Vorfeld gedacht – zum Beispiel weil sich beim Harmonisieren der IT-Landschaften und beim Synchronisieren der Prozesse Detail-Probleme ergeben, die mit Mehrarbeit verbunden sind. Deshalb ist es wichtig, die für die Integration erforderliche Manpower möglichst realistisch zu planen und bereitzustellen – auch, damit das Tagesgeschäft ungehindert weiterlaufen kann.
Flexibel auf Unvorhergesehenes reagieren
Bei M&A- und PMI-Prozessen lässt sich nicht alles vorhersehen und planen. Deshalb ist der Akquisitions- und Integrationsplan im Prozessverlauf immer wieder neu zu justieren – zum Beispiel, weil sich Aufgaben als schwieriger und zeitaufwendiger als gedacht erweisen. Deshalb sollte in den Treffen des Akquise- und Integrationsteams regelmäßig gecheckt werden, inwieweit die Annahmen, die dem Plan zugrunde liegen, sich als richtig erwiesen haben. Bei Bedarf sollten die erforderlichen Änderungen bei der Maßnahmenplanung vorgenommen werden – möglichst ohne Schuldzuweisung. Denn diese führt dazu, dass Probleme künftig nicht mehr offen angesprochen werden.
Die richtigen Anreize
Häufig setzen Unternehmen bei M&A- und PMI-Projekten die falschen Anreize. Dies führt dazu, dass die Beteiligten konkurrierende Interessen haben und unterschiedliche Ziele verfolgen. Hieran scheitern viele M&A-Projekte.
Wichtig ist es zum Beispiel, bei den Leistungsanreizen den Fokus nicht auf den Abschluss des Deals zu setzen. Er sollte darauf liegen, dass der PMI-Prozess gelingt und die Ziele der Akquisition erreicht werden – wie zum Beispiel eine höhere Vertriebskraft oder größere Schnelligkeit beim Entwickeln marktreifer Produkte. Denn nur dann lassen sich die erhofften Werte generieren.
CT-Artikel: Firmenübernahmen – Das Management austauschen oder nicht?