Die verbesserungsbedürftige Ausbildung und die dadurch wachsende Fachkräftelücke sehen die Beschäftigten als Standortgefahr für die Betriebe. Das ist der mehrheitliche Tenor einer Umfrage unter Industriebeschäftigten, die die IGBCE zum Start des neuen Ausbildungsjahres durchgeführt hat.
Unter den Befragten sind 71 Prozent der Meinung, die Industrie tue nicht genug, um die duale Ausbildung zu stärken. Für den eigenen Betrieb sehen das 56 Prozent so. Schon heute könne oder wolle ihr Unternehmen nicht mehr alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen, berichteten 42 Prozent und damit die Mehrheit der Befragten (33 Prozent konnten alle besetzen, 25 Prozent trauten sich keine Einschätzung zu). 74 Prozent der Befragten halten es für „sehr wahrscheinlich“ oder „eher wahrscheinlich“, dass Nachwuchsmangel und die sich weitende Fachkräftelücke langfristig für ihren eigenen Betrieb zur Standortgefahr werden.
„Mangelhaftes Engagement und fehlendes Problembewusstsein“
„Die Beschäftigten in unseren Industrien stellen ihren Arbeitgebern mehrheitlich ein kritisches Ausbildungszeugnis aus: Sie nehmen ein mangelhaftes Engagement und fehlendes Problembewusstsein wahr“, sagt Francesco Grioli, für den Bereich Jugend und Ausbildung verantwortliches Mitglied im geschäftsführenden Hauptvorstand der IGBCE. „Jede und jeden Auszubildenden würde man bei diesen Bewertungen warnen: Abschluss gefährdet!“
Aus Sicht der Beschäftigten müssen die Unternehmen in den IGBCE-Branchen dringend an ihrer Attraktivität als Arbeitgeber arbeiten: 60 Prozent der Befragten fordern dies ein. Dem eigenen Betrieb (2,9 von 5 möglichen Sternen) wie auch der eigenen Branche (3,4 Sterne) geben sie in der Hinsicht vergleichsweise schlechte Noten. Zu den Kernforderungen, um mehr Ausbildungsplätze zu besetzen, zählen zudem eine Übernahmegarantie in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (54 Prozent), mehr Investitionen in die Weiterbildung (45 Prozent) und die Ausbildung über Bedarf (42 Prozent).
Duale Ausbildung stärken: "Es braucht ein generelles Umdenken"
„Die Ergebnisse decken sich mit dem, was wir leider noch zu häufig in der täglichen Arbeit erleben“, so Grioli. „Viele Arbeitgeber haben das Problem zwar bereits erkannt und arbeiten an Initiativen mit uns. Aber es braucht ein generelles Umdenken in allen Unternehmen und auf allen Managementebenen. Wir laden alle Arbeitgeber dazu ein, mit uns die duale Ausbildung zu stärken. Die Zeiten von Bewerberüberschuss und Bestenauslese sind vorbei.“
Die IGBCE hat deshalb unter dem Motto „Fachkräfte fallen nicht vom Himmel – Ohne Ausbildung keine Zukunft“ eine Offensive gestartet, mit der sie Unternehmen für Unternehmen eine Stärkung der Ausbildung erreichen will. Angestrebt werden dazu bundesweit mehr als 120 Betriebsvereinbarungen bis Ende 2024, in denen unter anderem
- höhere Zielzahlen für die angebotenen Ausbildungsplätze festgeschrieben werden,
- die Anforderungen von Stellenausschreibungen, Bewerbungsverfahren, Einstellungstests den neuen Realitäten angepasst werden müssen (bspw. mit Blick auf Schulabschlüsse),
- die Unternehmen sich verpflichten, selbst mehr in die Aus- und Weiterbildung ihres Nachwuchses zu investieren.
Die Ausbildungszahlen in den IGBCE-Branchen haben bis heute nicht wieder an das Niveau von vor der Corona-Krise anschließen können. Gleichzeitig verschärft sich die Fachkräftelücke in den kommenden Jahren drastisch, wenn die Babyboomer-Generation in den Ruhestand geht. Ohne eine Erhöhung der Ausbildungsquote kommen künftig beispielsweise in der chemisch-pharmazeutischen Industrie auf eine*n neue*n Auszubildende*n drei aus dem Arbeitsleben ausscheidende Beschäftigte.
Usachen, Folgen und Lösungen für den Fachkräftemangel sind auch Thema der diesjährigen Schüttgut-Fachmesse Powtech (26. - 28. September 2023 in Nürnberg). Im Fachkräfte-Forum am 28. September 2023, 14 Uhr diskutieren Expert*innen Strategien für die Suche nach qualifiziertem Personal und Erwartungen angehender Arbeitnehmer. An der zugehörigen Umfrage von CHEMIE TECHNIK und Pharma+Food können Sie über diesen Link teilnehmen.
Engineering Summit 2023
Die Industrie zu transformieren ist eine der drängendsten Aufgaben im Kampf gegen den Klimawandel. Eine große Herausforderung für den Anlagenbau, der neue Verfahren, wie etwa die Wasserstoffwirtschaft in den großtechnischen Maßstab skalieren muss.
Ob das gelingen kann, hängt unter anderem von folgenden Fragen ab:
Gibt es ausreichend Fachkräfte?
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