- Analysten, die für 2018 eine Erholung des Ölpreises vorhergesagt hatten, behielten zunächst recht. In den letzten Monaten des Jahres erfolgte dann ein Einbruch, der fast auf dem Jahresanfangswert endete.
- Auch im neuen Jahr werden die Förderpolitik der Opec-Staaten und ihrer Verbündeten sowie der Fracking-Boom in den USA die preisbestimmende Faktoren sein.
- Viele zusätzliche Unsicherheiten machen eine Prognose schwierig, der Ausblick ist aber eher pessimistisch. Mehrere Analysten haben ihre Prognosen zum Jahresende 2018 bereits nach unten korrigiert.
Nach dem Absturz in der „Zeit des billigen Öls“ in den Jahren 2014 und 2015 sollte die 2017 begonnene Konsolidierung weitergehen. Und vor rund einem Jahr, zu Anfang 2018, deutete noch alles darauf hin, dass der Ölpreis sich tatsächlich aus seinem Dauertief erholen würde: Von Januar bis September ging es praktisch stetig aufwärts. Ein Barrel der Ölsorte Brent kostete Anfang Oktober geradezu sagenhafte 85 US-Dollar, ein Preis wie zuletzt gegen Ende 2014. Der Titel der damaligen Prognose „Öl schwimmt oben“ schien sich zu bewahrheiten.
Zum Jahressende 2018 häuften sich jedoch die trüben Nachrichten: stockende Konjunktur, schwächelnde Weltwirtschaft, plötzlich sinkende Nachfrage nach Öl und Gas. Gleichzeitig sprudeln die Ölquellen wie nie zuvor, die drei größten Produzenten USA, Saudi Arabien und Russland meldeten Rekordfördermengen. Im November produzierten die USA, mittlerweile auf Platz 1 der Erdölförderländer, sogar mehr Öl als sie selbst brauchen und wurden erstmals seit 1991 zum Netto-Exporteur. Die angedrohten US-Sanktionen gegen den Iran sorgten wegen Ausnahmeregelungen für den Ölmarkt nicht wie befürchtet für eine weitere Verknappung.
Zurück auf Anfang
Die großen Absatzmärkte in China und Indien fragten unterdessen in der zweiten Jahreshälfte 2018 überraschend wenig nach Öl, und rund um den Globus verhält sich die Wirtschaft, nun ja, zögerlich. Die Folge von plötzlich drastischem Überangebot: Ein drastischer Absturz, nach dem Hoch im Oktober fiel der Preis für Brent Mitte Dezember beinahe unter die 50-Dollar-Marke. Zu Anfang 2019 dümpelt er mit 50 bis 60 Dollar in einem Bereich wie gut ein Jahr zuvor, als es gerade wieder aufwärtsgehen sollte. Zurück auf Anfang.
Der Vergleich mit den Ölpreis-Prognosen verschiedener Banken und Organisationen fällt somit interessant aus: Tatsächlich lag der Preis für ein Barrel der Ölsorte Brent im Jahresdurchschnitt für 2018 bei 71,4 US-Dollar. Von den Prognosen aus unserer Übersicht kam dem noch die Bank of America am nächsten, mit geschätzten 64 Dollar, also deutlich darunter. Die rasante Erholung des Preises in der ersten Jahreshälfte, die den Schnitt deutlich nach oben trieb, haben die pessimistischen Prognosen von 56 bis 64 Dollar also unterschätzt. Allerdings ist ein Durchschnitt angesichts der Kapriolen von fast ganz unten bis fast ganz oben nur wenig aussagekräftig. Schaut man auf den tatsächlichen Kurs zu Jahresende von 53,4 US-Dollar pro Barrel Brent, so liegt dieser sogar noch unter dem niedrigsten Tipp von 56 US-Dollar. Diesen hatte das Wall Street Journal in einer Umfrage unter Managern ermittelt.
Opec kürzt, USA drehen auf
Was die Preisentwicklung des Ölpreises im Jahr 2019 betrifft, so sind sich die Experten in einer Vorhersage einig: Unvorhersagbarkeit. „Wie 2018, oder schlimmer“ titelt beispielsweise das Magazin Forbes in einer Analyse. Die Faktoren sind ähnlich wie im vergangenen Jahr: Die Opec-Staaten und ihre Verbündeten haben im Dezember 2018 erneute Förderkürzungen beschlossen, um den Preis zu stabilisieren oder sogar in die Höhe zu treiben, die Wirksamkeit der Maßnahme ist jedoch bislang unklar. Demgegenüber stehen die USA, in denen der Fracking-Boom in der Öl- und Gasförderung unverändert anhält. Ein Ende ist dort nicht in Sicht: Erst kürzlich wurden in der Förderregion des Perm-Beckens zwischen Texas und New Mexico neue Öl- und Gasvorkommen entdeckt. Diese lassen sich durch Fracking erschließen und sollen mit geschätzten 6,5 Mrd. t Erdöl mehr als zehnmal soviel Öl enthalten, wie die USA derzeit in einem Jahr fördern.
Zusätzliche Unsicherheit auf dem Energiemarkt kommt durch das gespannte Verhältnis zwischen EU, USA und Russland. Im erdölreichsten Land der Welt Venezuela ist unterdessen die Wirtschaft sowie das politische System vollends zusammengebrochen. Mögliche Intervention oder Nicht-Intervention durch verschiedene andere Weltmächte könnten hier den Ölpreis ebenfalls erschüttern, nach oben wie nach unten.
In der Auswertung der Reuters-Umfrage unter 38 Analysten ist die Situation zusammenfassend als „surging supply, unclear demand“ beschrieben. Schwallendes Angebot, unklare Nachfrage. Dennoch kommen die befragten Experten zu einer recht optimistischen Prognose: 74,5 US-Dollar soll der Umfrage zufolge ein Barrel der Sorte Brent durchschnittlich im Jahr 2019 kosten, fast der höchste Wert der diesjärigen Übersicht. Darüber liegen nur völlige Optimisten wie etwa die niederländische Bank ABN Amro, die einen Brent-Preis von 90 Dollar vorhersagt.
Einen pessimistischeren Ausblick haben einige Banken, die nach dem Absturz zum Ende 2018 alle ihre Prognosen deutlich nach unten korrigierten: Morgan Stanley von 78,5 auf 68,5 Dollar, Goldman Sachs von 70 auf 62,5 Dollar und JP Morgan von 83,5 auf 73 Dollar. Zum unteren Ende der Vorhersagen kommt die US-Behörde EIA, die einen Preis von 61 Dollar schätzt oder gar befürchtet. Unterboten wird sie noch von der Citi Group mit einer Schätzung von 57 Dollar. Ob am Ende des Jahres die Schwarzseher oder die Optimisten recht behalten, lässt sich angesichts der vielen Unklarheiten nur abwarten.