KI-generierters Symbolbild zur desolaten Lage der Chemieindustrie in Deutschland, schmutzige und verfallende Anlagen in grau und rostbraun

(Bild: KI-generiert mit Dall-E3 / OpenAI)

In seinem Schlaglicht Chemie und Pharma beschreibt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) die schlechte Stimmung in der Branche. Die Mehrheit der Unternehmen bewertet laut jüngster Ifo-Umfrage die aktuelle Situation genauso negativ wie in den vergangenen Monaten. Auch die sich kaum gebesserte Nachfrage macht den Unternehmen zu schaffen. Die Mehrheit der Firmen gab an, die Produktion im Vergleich zum Vormonat konstant gehalten oder sogar gesenkt zu haben. Gründe für die Drosselung waren aber nicht nur die schwache Nachfrage, sondern auch die gut gefüllten Fertigwarenlager. Etwas besser sieht die Situation bei den Pharmaunternehmen aus: Sie bewerten die Nachfrage positiv und bezeichnen den Auftragsbestand als zufriedenstellend.

Die Branche hofft auf eine Erholung in den kommenden Monaten. Dabei fallen die Geschäftserwartungen aber insgesamt nur verhalten aus, auch zu seiner Jahrespressekonferenz im Dezember 2024 hatte der Verband bereits "kein Ende der Durststrecke" gesehen. Die Unternehmen planen, ihre Produktion auf niedrigem Niveau wieder auszudehnen. Für das Exportgeschäft kehrt der Optimismus etwas deutlicher zurück. Dabei bleibt die Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung am Heimatstandort jedoch bestehen. Neben der fehlenden Nachfrage bereiten vor allem die hohe Steuerlast und nicht konkurrenzfähige Energiepreise sowie eine überbordende Bürokratie den Unternehmen Sorgen. Die Hoffnungen der Branche ruhen auf der bevorstehenden Bundestagswahl und konstruktiven Koalitionsverhandlungen sowie einem daraus resultierenden wirtschaftspolitischen Neustart im Land.

"Neue Bundesregierung muss mit richtigen Prioritäten an den Start"

VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup kommentiert: „Der Industriestandort Deutschland ist ins neue Jahr gestolpert. Andere Volkswirtschaften widmen sich ihren Hausaufgaben, Deutschland steckt mitten im Wahlkampf. Daher läuft der Countdown unmissverständlich: Schnellstens nach der Wahl muss eine neue Bundesregierung mit den richtigen Prioritäten umgehend an den Start. Es zählen dann wuchtige Signale und klare Taten.“

Hilfe bei der Trendwende erhofft sich der Chemieverband von einem jüngst vorgelegten Plan der EU-Kommission zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Der „Competitiveness Compass“ soll wichtige Branchen wie die Chemie mit gezielten Maßnahmen unterstützen. Der VCI begrüßt den neuen strategischen Fokus der künftigen Europapolitik, fordert jedoch eine schnelle Umsetzung konkreter Maßnahmen. VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup betont: „Der massive Wettbewerbsdruck der Industrie zeigt, dass Europa seine Hausaufgaben sträflich vernachlässigt hat. Ein guter Plan ist ein Anfang, aber Willensbekundungen allein senken in unserer Branche nicht den Blutdruck. Entscheidend ist, dass endlich Taten folgen.“ Auch der europäische Chemieindustrieverband Cefic hatte zuletzt vehement konkrete Maßnahmen seitens der EU-Politik gefordert.

"Noch mehr staatlicher Einfluss ist ein No-Go"

Der „Wettbewerbs-Kompass“ enthalte wichtige und richtige Punkte für Chemie und Pharma wie Bürokratieabbau, smartere Regulierung, die Förderung von Produktivität und Innovation sowie die Vertiefung des Binnenmarkts. Kritik äußert der VCI daran, dass die EU bei ihrem Kurs des staatlichen Interventionismus bleibe, die Industriepolitik zentralisieren möchte und im Wettbewerb mit China und den USA zunehmend auf Protektionismus und Subventionen setze. „Noch mehr staatlicher Einfluss ist für die chemisch-pharmazeutische Industrie ein absolutes No-Go“, sagt Große Entrup. „Der Staat sollte sich aus der Wirtschaft zurückziehen. Und zwar jetzt.“

Die Chemie als innovativer und essenzieller Startpunkt nahezu aller industriellen Wertschöpfung soll gezielt im 4. Quartal 2025 gestärkt werden. Dass die Branche an einem entscheidenden Wendepunkt steht, hat der Europäische Chemieverband Cefic in einer aktuellen Studie dargelegt. Zwischen 2008 und 2023 hat die Chemie 11 Prozent Marktanteil verloren. Die in den vergangenen 2 Jahren angekündigten Werksschließungen betreffen bereits 21 große Standorte. Die durchschnittlichen Produktionsmengen sind 2023 im Vergleich zu 2021 um 14 Prozent zurückgegangen. Die Erholung 2024 blieb schwach. Die Auslastung der Kapazität liegt bei 75 Prozent.

„Wirtschaftliche Stärke und politischer Einfluss bedingen einander. Daher verliert Europa Jahr um Jahr an Wirtschaftskraft und Einfluss. Zwingend notwendig sind jetzt gewaltige Anstrengungen, um den Trend zu wenden“, sagt der VCI-Hauptgeschäftsführer. „Das gilt gleichermaßen für Europa wie für Deutschland. Die neue Bundesregierung muss mit einer Politikwende die Signale wieder auf Wachstum stellen. Und Brüssel muss erkennen, dass Wirtschaft nur erfolgreich von Wirtschaft betrieben wird.“

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