Der globale Übergang zu klimafreundlicher Energieversorgung steht vor großen Herausforderungen, insbesondere vor dem Hintergrund derzeitiger geopolitischer Spannungen.

Der globale Übergang zu klimafreundlicher Energieversorgung steht vor großen Herausforderungen, insbesondere vor dem Hintergrund derzeitiger geopolitischer Spannungen. (Bild: KI-generiert mit Dall-E3 / OpenAI)

  • Die IEA betont im World Energy Outlook die steigende Bedeutung der Energiesicherheit, insbesondere angesichts der geopolitischen Spannungen im Nahen Osten, und warnt vor möglichen Störungen in der Öl- und Gasversorgung.
  • Erneuerbare Energien, vor allem Solar- und Windkraft, werden schneller wachsen als die Stromnachfrage. Um die Klimaziele zu erreichen, muss die Energiewende dennoch schneller voranschreiten.
  • Zukünftige Entwicklungen im Energiesektor hängen von vielen Unsicherheiten ab, vor allem von politischen Entscheidungen, die den Übergang zu sauberer Energie und das Erreichen von Klimazielen beeinflussen.

Der World Energy Outlook 2024 befasst sich mit drei übergeordneten und miteinander verbundenen Themen. Das erste ist die Energiesicherheit, die die Internationale Energieagentur (IEA) als ihr langjähriges Kernmandat bezeichnet. Angesichts der steigenden Risiken im Nahen Osten sieht die Agentur dies als besonders wichtig. Das zweite Thema betrifft die Aussichten für die Energiewende hin zu sauberer Energie, die in den letzten Jahren stark an Fahrt gewonnen hat, jedoch noch schneller voranschreiten muss, um die Klimaziele zu erreichen. Als drittes Thema geht der Bericht näher auf die Unsicherheiten der aufgestellten Projektionen ein. Diese seien „ein stets präsenter Faktor in jeder zukunftsgerichteten Analyse, der in diesem Jahr besonders stark ins Gewicht fällt“, heißt es im Bericht.

Die IEA analysiert zukünftige Entwicklungen in drei Szenarien: das Szenario der aktuellen Politiken (STEPS, Stated Policies Scenario), das Szenario der angekündigten Zusagen (APS, Announced Pledges Scenario) und das Szenario „Netto-Null-Emissionen bis 2050“ (NZE, Net Zero Emissions). Diese Modelle verdeutlichen die komplexen Wechselwirkungen zwischen politischer Entscheidungskraft, Marktkräften und technologischen Entwicklungen. Während das STEPS-Szenario die aktuellen Trends abbildet, untersucht das APS-Szenario die Umsetzung der Klimaversprechen und das NZE-Szenario den ambitionierten Weg zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C. Politische Entscheidungen sind das entscheidende Unterscheidungsmerkmal zwischen den Szenarien. Die Agentur betont, dass keines davon eine Prognose darstellt.

Was ist die IEA?

Die Internationale Energieagentur (IEA, International Energy Agency) ist eine unabhängige Organisation, die 1974 gegründet wurde, um eine sichere und nachhaltige Energieversorgung weltweit zu fördern. Ursprünglich als Reaktion auf die Ölkrise der 1970er Jahre ins Leben gerufen, sollte die IEA den Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) helfen, ihre Energiesicherheit zu erhöhen.
Heute geht die Rolle der IEA weit über die Sicherheit von Öllieferungen hinaus: Sie berät Regierungen und die internationale Gemeinschaft in Fragen zu Energiepolitik, Energiesicherheit und Nachhaltigkeit. Die IEA unterstützt die Energiewende, indem sie fundierte Analysen, Empfehlungen und jährliche Berichte wie den „World Energy Outlook“ veröffentlicht. Sie fördert den Ausbau sauberer Energien und Effizienzmaßnahmen und setzt sich für das Erreichen globaler Klimaziele ein. Vorsitzender der IEA ist seit 2015 der türkische Wirtschaftswissenschaftler Fatih Birol, der zuvor 20 Jahre lang als Chefökonom der Agentur amtierte.

Weltweit wachsender Strombedarf

Der weltweite Energiebedarf stieg 2023 um 2 %. Während die Nachfrage in Industrieländern leicht zurückging, stieg sie in Schwellen- und Entwicklungsländern deutlich an. Alle Szenarien zeigen eine anhaltende Nachfrage nach Strom, die durch wirtschaftliches Wachstum, Elektrofahrzeuge und die Digitalisierung stark befeuert wird. Der Anteil von Strom am Endverbrauch wird im STEPS bis 2035 auf 26 %, im APS auf 29 % und im NZE auf 36 % steigen. Die Nachfrage in China nimmt besonders schnell zu und wird bis 2030 das Niveau aller Industrie­länder zusammengenommen übertreffen.

Der Bericht zeigt, dass die Nutzung erneuerbarer Energien in allen Szenarien schneller wächst als die Stromnachfrage. Bereits 2023 stieg ihr Anteil an der weltweiten Stromversorgung auf 30 %, während fossile Brennstoffe auf den niedrigsten Stand seit 50 Jahren fielen (60 %). Prognosen zufolge könnte der Anteil von Solar- und Windenergie bis 2035 auf über 40 % (STEPS) und bis 2050 auf fast 60 % steigen. Die Kernenergie bleibt in allen Szenarien stabil bei etwa 10 % der Stromerzeugung.

Der Markt ändert sich: Der Bedarf an den fossilen Energieträgern könnte bis 2030 seinen Höhepunkt überschreiten, während die Verfügbarkeit regenerativer Energiequellen wächst.
Der Markt ändert sich: Der Bedarf an den fossilen Energieträgern könnte bis 2030 seinen Höhepunkt überschreiten, während die Verfügbarkeit regenerativer Energiequellen wächst. (Bild: Daten: IEA, Grafiken: CHEMIE TECHNIK)

Mehr Erneuerbare, weniger fossil

Fossile Brennstoffe deckten 2023 noch 80 % des weltweiten Energiebedarfs. Laut der IEA könnten Öl, Gas und Kohle jedoch bis 2030 ihren Höchststand erreichen. Dennoch bleibt die Nachfrage nach Öl in Bereichen wie der Luftfahrt bestehen, und die Nutzung von Gas in Schwellenländern bleibt weiterhin hoch.

Das Jahr 2023 sah einen weltweiten Zuwachs an sauberer Energie, wobei 560 GW an neuen Kapazitäten für erneuerbare Energien ans Netz gingen. Die IEA erwartet, dass 2024 rund 2 Bio. USD in saubere Energien fließen werden – nahezu doppelt so viel wie in fossile Energien. Seit 2020 haben Regierungen weltweit zudem fast 2 Bio. USD an Fördermitteln für saubere Technologien bereitgestellt. Gleichzeitig wurden rund 940 Mrd. USD zur Unterstützung der Energiekosten für Verbraucher während der Energiekrise bereitgestellt, die meisten dieser Maßnahmen sind mittlerweile jedoch ausgelaufen.

Laut IEA haben seit dem letzten Bericht viele Länder neue Energiepolitiken und Regulierungen eingeführt. Nationale Investitionen konzentrieren sich verstärkt auf die heimische Produktion sauberer Technologien, um die Energiesicherheit zu stärken und die heimische Wirtschaft anzukurbeln. Dadurch wurde auch die Zahl der Handelsmaßnahmen im Energiesektor erhöht, von 40 in den Jahren 2015 bis 2020 auf fast 200 in den letzten vier Jahren. Die IEA warnt vor den Gefahren einer zunehmenden Isolation und Fragmentierung der globalen Energie- und Technologiemärkte durch solche protektionistischen Maßnahmen.

Die Preise sinken: Photovoltaik und Windenergie werden wettbewerbsfähige Energiequellen, und auch die Speichermöglichkeiten werden günstiger.
Die Preise sinken: Photovoltaik und Windenergie werden wettbewerbsfähige Energiequellen, und auch die Speichermöglichkeiten werden günstiger. (Bild: Daten: IEA, Grafiken: CHEMIE TECHNIK)

Risiken und Herausforderungen

Die IEA hebt hervor, dass sich die geopolitischen Risiken auch auf die Energieversorgung auswirken. Rund 20 % des weltweiten Öl- und Flüssigerdgasangebots (LNG) werden durch die Straße von Hormus transportiert, eine wichtige Engstelle im Nahen Osten. Unterbrechungen an solchen Punkten könnten erhebliche Preisschwankungen zur Folge haben. Daher sei der Ausbau einer sicheren Brennstoffinfrastruktur wesentlich, um eine stabile Energieversorgung während des Übergangs sicherzustellen und den Ausbau emissionsarmer Technologien zu ermöglichen.

Trotz dieser Herausforderungen erwartet die IEA bis 2030 eine Entspannung bei den Ölpreisen, da sich die Reservekapazität erhöhen könnte. Neue LNG-Projekte könnten die Exportkapazität bis 2030 um fast 50 % steigern.

Flexibilität und Netzsicherheit

Da die Nachfrage nach Strom und die Bedeutung variabler Energiequellen weiter zunehmen, rücken flexible Stromsysteme in den Fokus. Batterien spielen eine zentrale Rolle für die kurzfristige Netzstabilität, während Nachfrageanpassungen und thermische sowie Wasserkraftwerke zur saisonalen Flexibilität beitragen. Die IEA sieht es als prioritär an, die Infrastruktur für Speicherung und Netzwerke weltweit auszubauen.

Die IEA mahnt, dass höhere Investitionen und rasche Fortschritte bei der Einführung sauberer Energietechnologien notwendig sind, um Klimaziele zu erreichen. Technologien wie Solar-Photovoltaik, Windkraft, Kernenergie und Elektrofahrzeuge sollen bis 2050 drei Viertel der CO2-Reduktionen im APS- und NZE-Szenario ausmachen. Die IEA fordert zudem eine breite internationale Zusammenarbeit, um die Herausforderungen der globalen Energiezukunft zu meistern.

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