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(Bild: Denios)

  • Chemieunternehmen werden mit komplexen und manchmal widersprüchlichen gesetzlichen Auflagen konfrontiert, wenn es um die Lagerung großer Mengen unterschiedlicher Gefahrstoffe geht.
  • Um die Logistik vor diesem Hintergrund trotzdem leistungsstark und flexibel aufzustellen, setzt ein Spezialchemie-Unternehmen in Tübingen auf ein modulares Lagerkonzept.
  • Die Gesamtanlage bietet einen hohen Nutzen im laufenden Betrieb bei einem gleichzeitig hohen Maß an Sicherheit.

Lasst uns einfach den ersten Schritt gehen“, so lautet das Credo von Günther Schätzle, Manager Plant Engineering Production & Logistics bei CHT Germany in Tübingen, der deutschen Gesellschaft einer weltweit operierenden Unternehmensgruppe für Spezialitätenchemie. In seiner knapp 20-jährigen Beschäftigung bei CHT hat sich für ihn ein Erfolgskonzept verfestigt: sequenzielles Vorgehen bei Neueinführungen und flexible Anpassungen auf Basis modularer Konzepte in allen Bereichen – sprich: schrittweises Ausprobieren, was funktioniert, und den maximalen Spielraum nutzen, um Herausforderungen effizient zu begegnen. Für ein Großprojekt hat sich diese Herangehensweise nun erneut bewährt.

Gesetzliche Auflagen als Herausforderung

Das neue Lager stellt eine hohe Flexibilität in der Chemikalienlogistik sicher.
Das neue Lager stellt eine hohe Flexibilität in der Chemikalienlogistik sicher. (Bild: Denios)

Chemieunternehmen werden mit komplexen und manchmal widersprüchlichen gesetzlichen Auflagen konfrontiert, wenn es um die Lagerung großer Mengen unterschiedlicher Gefahrstoffe geht. Je nach Gefährlichkeitsmerkmal und Lagermenge sind entsprechend aufwendige Schutzmaßnahmen vorzusehen. Bei verschiedenen Gefahrstoffen ist stets zu prüfen, ob eine Zusammenlagerung erlaubt ist. Brand- und Explosionsgefahren sind sorgfältig abzuwägen und im Brandschutzkonzept zu berücksichtigen. Der Genehmigungsprozess ist anspruchsvoll und langwierig.

Die CHT-Gruppe entwickelt und produziert seit knapp 70 Jahren Chemikalien für Produkte und Prozesse, die in unterschiedlichste Industriebereiche geliefert werden. Das Stammwerk des Unternehmens in Dußlingen nahe Tübingen produziert jährlich 50.000 t Spezialchemikalien für Kunden auf der ganzen Welt. Auf dem Gelände lagern mehrere Tausend Tonnen Gefahrstoffe. Das Werk unterliegt daher den erweiterten Pflichten der Störfallverordnung und der besonderen Überwachung durch die Behörden.

Bauvorhaben entgegen der üblichen Vorgehensweise

Die am Standort produzierten Produkte werden immer komplexer und kundenspezifischer, weshalb der flexiblen und sicheren Lagerung verschiedenster Gefahrstoffe eine große Bedeutung zukommt. Gleichzeitig wird die Umsetzung der Lagervorschriften für solche Stoffe immer aufwendiger. Erschwerend kommt die zunehmende Versorgungsunsicherheit auf dem Rohstoffmarkt hinzu. Die Logistik muss also leistungsstark und flexibel gestaltet werden, und dazu war der Bau einer weiteren Lager­einrichtung für Gefahrstoffe am Standort dringend erforderlich.

Um diese Aufgaben erfüllen zu können, setzte Schätzle auf ein modulares Konzept. Er entschied sich damit nicht für die sonst übliche Vorgehensweise in der Branche – den Bau einer weiteren großen Lagerhalle mit offenen Regalen. „Zu unflexibel, zu hohe behördliche Hürden und Baukosten, zu lange Projektlaufzeit“, so sein Fazit. Eine große Lagerhalle müsste gemäß den Zusammenlagerungsvorschriften in brandschutztechnisch getrennte Bereiche eingeteilt werden. Da die zu lagernden Stoffe und Mengen im laufenden Betrieb jedoch stark variieren können, stellt die einmalig festzulegende Einteilung eine gravierende Einschränkung dar. Schlussendlich würde der Bau der Lagerhalle auch deutlich länger dauern, denn in dieser Größenordnung gibt es keine Fertiglösung. Lagermodule können jedoch anschlussfertig geliefert und umgehend aufgestellt werden.

Fünf Kernpunkte entscheidend für das Projekt

Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach sorgt für den energieautarken Betrieb der Gesamtanlage.
Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach sorgt für den energieautarken Betrieb der Gesamtanlage. (Bild: Denios)

Im Frühjahr 2020 holte Schätzle sich Denios, einen Spezialisten für die sichere Gefahrstofflagerung, ins Haus. Nach einer einjährigen technischen und kommerziellen Planungsphase gingen die beiden Unternehmen das gemeinsame Projekt an, das neben der Lieferung von 30 Lagermodulen eine digitale Fernüberwachung der Anlagendaten beinhaltet. Gemeinsam mit dem Industriebauspezialisten Company4 wurden die fünf Kernpunkte des Vorhabens formuliert: Sicherheit, Flexibilität, Modularität, Energieautarkie, Digitalisierung.

Die Lagermodule stehen auf einer Spezial-Betonplatte, ausgebildet als flüssigkeitsdichte Wanne. Die gesamte Konstruktion mit Boden, Lagermodulen und Dach erfüllt die Anforderungen aller Regelwerke, auch jener für den Bau von Anlagen in der Erdbebenzone 3, der höchsten Kategorie in Europa.
Während der Bauzeit wurde CHT von Denios bereits mit ersten Lagermodulen zur unterbrechungsfreien Zwischenlagerung versorgt. Die finale Auslieferung der restlichen Systeme und die Endmontage erfolgten Anfang November 2021 reibungslos und zügig. Innerhalb von drei Wochen waren die 30 Lagermodule aufgebaut. Anschließend wurden der überspannende Stahlbau für die Überdachung des gesamten Lagerbereiches errichtet, die Elektroversorgung für alle Lagersysteme und die Datenvernetzung mit dem hauseigenen Prozessleitsystem sichergestellt und die stationäre Löschanlage installiert. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach sorgt für den energieautarken Betrieb der Gesamtanlage.

Sicherheit und Flexibilität bei allen Lagermodulen

Im Chemikalienlager kommen insgesamt 30 Module in zwei verschiedenen Bauarten zum Einsatz.
Im Chemikalienlager kommen insgesamt 30 Module in zwei verschiedenen Bauarten zum Einsatz. (Bild: Denios)

Das Baugenehmigungsverfahren für das Chemikalienlager wurde dadurch beschleunigt, dass für jedes Lagermodul eine Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) vorliegt. Somit erfüllen die Gefahrstofflager in Verbindung mit der wasserrechtlichen Allgemeinen Bauaufsichtlichen Zulassung der Auffangwannen alle Voraussetzungen für die behördliche Erteilung der Baugenehmigung. Die Module sind jeweils separat brandschutztechnisch ausgestattet und nach den gesetzlichen Vorgaben (u. a. AwSV, TRGS 510) bewertet sowie für die lokalen Wind-, Schnee- und Erdbebenlasten ausreichend bemessen.

In dem modularen Chemikalienlager kommen zwei verschiedene Modulbauarten zum Einsatz:

  • Isolierte Gefahrstofflager mit feuerbeständiger Dämmung, die zum Schutz von benachbarten Anlagen und Gebäuden gegenüber einer Brandgefahr im Lager mit Brandschutzabständen aufgestellt werden müssen.
  • Brandschutzlager (F 90 / REI 90), also Gefahrstofflager mit einer feuerbeständigen F-90-Doppelrahmenkonstruktion für beidseitigen Brandschutz. Brennt es innen, sorgt der äußere Tragrahmen des Raumsystems für den nötigen Halt. Brennt es außen, entsprechend umgekehrt. Die F-90-Abtrennung dient dem Schutz vor gegenseitiger
  • Brandeinwirkung zwischen Lager und benachbarten Anlagen und Gebäuden. Hier sind keine Sicherheitsabstände erforderlich.

Deutlich mehr Stellkapazität auf drei Ebenen

Das isolierte Gefahrstofflager bietet auf drei Lagerebenen deutlich mehr Stellkapazität als das Brandschutzlager mit zwei Lagerebenen: 18 IBC oder 60 Fässer im Vergleich zu 8 IBC oder 32 Fässer. Aufgrund der baulichen Brandschutzvorgaben darf das isolierte Gefahrstofflager jedoch nur unter Einhaltung von Sicherheitsabständen aufgestellt werden, es sei denn, es grenzt an einen brandschutztechnisch abgetrennten Bereich, wie zum Beispiel das Brandschutzlager. Um Fläche zu sparen, wurden daher die beiden verschiedenen Modultypen unter Berücksichtigung von Brandschutzabständen kosten- und platzeffizient aufeinander abgestimmt und im Wechsel aufgestellt. Schätzle zieht dazu sein Fazit: „Es sieht zwar auf den ersten Blick etwas chaotisch aus, dass wir die verschieden großen Lagermodule im Wechsel aufgestellt haben. Das ist aber der Trick bei der ganzen Angelegenheit. So lassen sich unter Einhaltung der Vorschriften mehr als doppelt so viele Paletten auf gleicher Fläche einlagern, als wäre ausschließlich eine Modulbauart zum Einsatz gekommen.“

Schätzle betont besonders die zusätzliche Flexibilität des neuen Gefahrstofflagers: „Jedes Lagermodul ist ein eigener Lagerbereich nach Gefahrstoffrecht. Wir können jederzeit die Lagerklassen pro Modul wechseln. Das ist ein hochflexibles Konzept und gibt uns die notwendige Freiheit beim Bestücken des Lagers mit allen Lagerklassen, die die TRGS 510 kennt.“

Günther Schätzle
Günther Schätzle ist vom Nutzen des modularen Gefahrstofflagers absolut überzeugt. (Bild: Denios)

Zusätzlich ist jedes Lagermodul mit dem digitalen Leckage-Warnsystem Spillguard connect ausgestattet, das die Daten per Narrowband IoT in eine Cloudanwendung überträgt und dort für den anwenderseitigen Abruf bereitstellt. CHT wandelt die Clouddaten in ein MTP-Datenformat um und nutzt sie so im eigenen Prozessleitsystem für das Condition Monitoring. Die Gesamtanlage bietet ein hohes Maß an Sicherheit, das überzeugte nicht nur den TÜV. Auch die zuständige Genehmigungsbehörde für das Bauvorhaben bewertete das Sicherheitskonzept als zukunftsweisend für die Branche und genehmigte das Vorhaben besonders schnell.

CHT kann aufgrund der Vielzahl untereinander abgetrennter Lagermodule nun auf jede Lageranforderung umgehend reagieren. Stoffbezogene Mengenschwellen sind in den kleineren Lagereinheiten deutlich besser einzuhalten und Anpassungen aufgrund schwankender Nachfragen sehr viel schneller zu realisieren. „Der Nutzen ist absolut überzeugend“, konstatiert Schätzle. Aus seiner Sicht hat das Projekt Vorzeigecharakter für die gesamte Chemieindustrie und dient der Standortsicherung in Europa. Ihm liegt bereits ein Angebot für ein zweites modulares Chemikalienlager vor. Das Konzept soll auch an weiteren Standorten der Spezialchemie-Gruppe in Betracht gezogen werden.

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