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- Noch zögern Unternehmen, sich in großem Umfang für das Konzept des modularen Anlagenbaus zu entscheiden.
- Eine Hilfe dabei bietet das Papier „Cost Engineering for Modular Plants“.
- Es zeigt, wie die besonderen Features modularer Anlagen in Investitionsentscheidungen eingepreist werden können.
Modulare flexible Anlagen sind reif für die Markteinführung in großem Umfang – das war das Fazit eines Round Table, den Dechema, Namur, VDMA, ZVEI und PNO im Oktober 2024 organisierten. Anbieter gibt es inzwischen für alle relevanten Module, Automatisierer und Systemintegrierer stehen bereit, und auch die notwendigen Standards und Schnittstellen sind definiert. Warum sieht man also noch relativ wenige Projekte in der Umsetzung jenseits eines Pilot- und vereinzelt Demo-Maßstabs?
Modulare flexible Anlagen können je nach Prozess und Standort eine Reihe von Vorteilen bieten. Diese schlagen sich aber kaum in der klassischen Investitionsrechnung nieder. Um dem abzuhelfen, haben Experten der Dechema/VDI-Fachgruppen Modulare Anlagen und Cost Engineering gemeinsam Ansätze zusammengestellt, die eine differenziertere Bewertung der verschiedenen Konzepte erlauben.
Großbaustelle vs. Standardbaukasten
Gegenübergestellt wurden dabei der konventionelle Anlagenbau („stick-built“), modular vorgefertigte Anlagen und modular flexible Anlagen auf MTP-Basis. Traditionell werden große Produktionsanlagen am späteren Standort Stück für Stück aufgebaut – häufig ausgehend vom Auf-/Ausbau der Infrastruktur über die Gebäude bis hin zu den eigentlichen Anlagenkomponenten. Der Platzbedarf dafür ist sehr hoch; dafür können während des Baus noch Anpassungen vorgenommen werden. Schwierig wird es zum Beispiel, wenn die Anlage in einen bestehenden Komplex eingefügt werden muss oder nicht genügend Platz für die Baustellen-Infrastruktur zur Verfügung steht.
Vorgefertigte Module orientieren sich in der Größe häufig an Schiffscontainern oder anderen transportablen Standardgrößen, können aber auch kleiner oder größer sein. Sie werden – oft zentral – vorgefertigt, an den Standort geliefert und dort zusammengefügt. Das erfordert vor Ort weniger Aufwand und auch weniger Platz für die Baustelle. Außerdem können Arbeitskosten durch die Aufteilung auf verschiedene Regionen häufig optimiert werden.
Modulare flexible Anlagen basieren auf definierten Funktionalitäten, deren Automatisierung in Form von „Module Type Packages“ (MTP) zur Verfügung gestellt werden. Die Automatisierungsschnittstellen der einzelnen Module sind standardisiert und fügen sich nahtlos in die übergeordnete Prozessarchitektur und -steuerung ein. Modulare flexible Anlagen können einfach verändert werden, indem Komponenten der Module ausgetauscht oder die Module selbst anders angeordnet werden. Die einzelnen Module und deren Automation sind nicht fest verbaut, sodass diese später auch an anderen Orten wiederverwendet werden können.

Der Preis der Schnelligkeit
Die Unterschiede zwischen den Konzepten manifestieren sich nicht nur in unterschiedlichen Kostenstrukturen im Capex. Sie schlagen sich vor allem über die Gesamtlebensdauer der Anlage nieder. Das beginnt bei der Abwägung zwischen Capex und Opex: Konventionelle Anlagen sind gegenüber modular vorgefertigten (und meist standardisierten) Anlagen im Bau meist günstiger, und lassen sich besser auf einen bestimmten Prozess optimieren. Das lohnt sich vor allem dann, wenn mit einer langen Betriebsdauer mit dem gleichen Prozess zu rechnen ist. Für schnelle Umbauten und Anpassungen dagegen eignen sich modular flexible Anlagen am besten, die mit wenig Aufwand schnell neu aufgesetzt werden können.
Weitere Faktoren betreffen den Planungsprozess und die Zeit bis zur Inbetriebnahme der Anlage: Der Bau von Stick-built-Anlagen beansprucht mehr Zeit, weil die einzelnen Schritte konsekutiv aufeinander aufbauen, während bei modularen Anlagen parallel gearbeitet werden kann. Lässt sich eine schnelle Time-to-Market in finanzielle Vorteile übersetzen, kann sich die Entscheidung für ein modulares Konzept lohnen. Auch bei einer kurzen Betriebsdauer macht sich positiv bemerkbar, wenn die einzelnen Module sich an anderer Stelle weiter nutzen lassen und Lock-in-Effekte vermieden werden können.
Mehr als „harte Zahlen“
Viele der genannten Unterschiede zwischen den Anlagenkonzepten wirken sich nicht unmittelbar auf Capex- oder Opex-Berechnung aus. Zudem kann sich die wirtschaftliche Bewertung je nach Szenario der zukünftigen Entwicklung verändern. Deshalb eignen sich statische Methoden nicht für die Entscheidungsfindung. Aber auch Bewertungsmethoden wie der Kapitalwert, der den Zeitfaktor berücksichtigt, bildet Unsicherheiten und Flexibilität nicht ab. Deshalb empfiehlt es sich, verschiedene Szenarien zu berechnen oder den Kapitalwert zumindest einer Sensitivitätsanalyse zu unterziehen, um Auswirkungen von zukünftigen Entscheidungen oder Veränderungen besser beurteilen zu können. Monte-Carlo-Simulationen machen es möglich, verschiedene Einflussparameter gleichzeitig in eine Simulation einzubeziehen, statt sie parallel zu untersuchen. Ein Entscheidungsbaum erlaubt es, die einzelnen Entscheidungspunkte zu definieren, und bildet die Tatsache ab, dass über die Lebensdauer einer Anlage immer wieder neue Entscheidungen notwendig werden können. Dennoch ist er vergleichsweise statisch. Die Realoptions-Analyse eignet sich besonders für Situationen, in denen sowohl die Unsicherheit als auch die Flexibilität groß sind, und kann viele der relevanten Faktoren abbilden. Fallstudien haben bereits gezeigt, dass sich diese Methode erfolgreich auf modulare Anlagen anwenden lässt.
Nicht quantifizierbare Parameter lassen sich in Scoring-Modellen erfassen und ggf. auch gewichten. Solche Scoring-Modelle bieten einen guten Überblick, sind aber sehr sensitiv. Deshalb sollten möglichst immer mehrere Personen in ihre Erstellung einbezogen werden.
Welches Modell sich am besten eignet oder ob auch eine Kombination aus zwei Ansätzen sinnvoll ist, hängt stark vom Charakter des jeweiligen Projektes ab. Im Papier der Dechema/VDI-Fachgruppen sind dazu mehrere vergleichende Anwendungsbeispiele enthalten.
Mit der wachsenden Verfügbarkeit modularer Anlagenkonzepte und den steigenden Ansprüchen an Flexibilität wird es immer wichtiger, auch für diese verlässliche Bewertungsmodelle zu entwickeln. Das Papier liefert dafür einige Anregungen und Empfehlungen, auf denen Anlagenplaner und Entwickler aufbauen können.
Das vollständige englischsprachige Papier „Cost Engineering for Modular Plants“ ist kostenfrei verfügbar. Es liefert eine wertvolle Handreichung für alle, die Anlagen konzipieren und planen und bietet konkrete Beispiele: Cost Engineering for Modular Plants