Nachhaltige Investitionsprojekte

Geld soll künftig vor allem in nachhaltige Investitionsprojekte fließen – so die im Januar in Kraft getretene EU-Taxonomie. (Bild: Nattapol_Sritongcom – AdobeStock)

  • Die EU-Taxonomie zielt darauf, Finanzströme in Richtung klimawirksamer Investitionen umzuleiten.
  • Als nachhaltig gelten Projekte dann, wenn mit ihnen eines von sechs definiierten Umweltzielen erreicht wird.
  • Obwohl noch um die Bewertung von Erdgas und Atomkraft gerungen wird, führt an der EU-Taxonomie kein Weg vorbei.

Wie lenkt man 350 Milliarden Euro Investitionen so, dass diese einen möglichst großen Effekt für das Klima haben? Diese Frage beschreibt den Kern, um den es bei der EU-Taxonomie geht: Bis 2050 will die Europäische Union klimaneutral werden – und dafür braucht es geschätzte 350 Milliarden Euro. Die schiere Summe weckt Begehrlichkeiten und es ist damit zu rechnen, dass viele Vorhaben und Projekte per „Greenwashing“ investierbar im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens gemacht werden sollen.
Dabei zielt die EU-Taxonomie nicht nur auf Gelder, die die EU selbst für den Klimaschutz locker machen will, sondern vor allem auch auf private Investoren: Finanzprodukte oder Aktien von Unternehmen, die sich dem Thema Nachhaltigkeit verschreiben, sollen künftig profitieren. Im Umkehrschluss wird es für Unternehmen, die in nicht nachhaltiges Geschäft investieren wollen, schwieriger, die Finanzierung dafür zu organisieren, weil der Finanzsektor Nachhaltigkeitskriterien verlangen wird. So weit die Theorie.

Diskussion auf dem Engineering Summit

Welche Konsequenzen die EU-Taxonomie und das Thema nachhaltige Finanzierung für den Anlagenbau haben wird, ist Gegenstand einer Podiumsdiskussion auf dem kommenden Engineering Summit, der am 20. und 21. Juli in Darmstadt stattfinden wird. Dort werden Dr. Daniel Chatterjee von Rolls-Royce Power Systems, Stefan K. Götzinger von der Deutschen Bank, Kerstin Heinrich vom Roboterhersteller Kuka, und Armin Scheuermann von der CHEMIE TECHNIK-Redaktion die Implikationen für das Projektgeschäft erörtern. Programm und Infos unter www.engineering-summit.de

Regeln sollen Rechtssicherheit bieten

In der Praxis braucht es exakte Regeln, um für die Unternehmen Rechtssicherheit zu schaffen und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Dazu wurde die „EU Taxonomie Regulation“ und die „Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR)“, mit denen nicht nur Kapitalströme in Richtung nachhaltiger Investitionen gelenkt werden, sondern die Nachhaltigkeit für die Finanzindustrie auch zum Bestandteil des Risikomanagements erhebt. Außerdem definieren die EU-Regeln Umweltziele, an denen Unternehmen seit Inkrafttreten der Regelung im Januar 2022 gemessen werden und von denen Unternehmen mit ihren wirtschaftlichen Aktivitäten mindestens eines erreichen müssen:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltiger Einsatz und Gebrauch von Wasser oder Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vorbeugung oder Kontrolle von Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

Allerdings reicht es nicht, einen Beitrag zu einem der Umweltziele zu leisten, damit eine wirtschaftliche Tätigkeit nach der EU-Taxonomie als nachhaltig eingestuft wird – das Unternehmen darf auch nicht gegen die anderen Umweltziele verstoßen. Die Regeln lauten konkret:

  1. Die wirtschaftliche Tätigkeit muss einen Beitrag zu mindestens einem der Um-weltziele leisten.
  2. Die Tätigkeit darf keinem der Umweltziele signifikant schaden.
  3. Die wirtschaftliche Tätigkeit erfüllt ein Minimum an Sicherheitsstandards und vermeidet einen negativen sozialen Einfluss.
  4. Die wirtschaftliche Tätigkeit erfüllt die technischen Auswahlkriterien.

Vor allem der vierte Punkt ist dabei für Anlagenprojekte wichtig. Dieses Kriterium basiert auf einem Entwurf der Technical Expert Group aus dem Jahr 2020 und bezieht sich auf technische Lösungen, mit denen Emissionen verringert werden sollen.

Um nachhaltiges Wirtschaften nachzuweisen, müssen Unternehmen seit Ende 2021 jährlich für ihre gesamte Geschäftstätigkeit einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. Das gilt für alle Unternehmen, die Finanzprodukte in der EU vertreiben und auch für große Unternehmen (>500 Mitarbeiter), welche unter die nicht-finanzielle Berichterstattung fallen.

Zoff um Atomkraft und Erdgas

Von den sechs oben genannten Nachhaltigkeitskriterien sind bisher nur die Kriterien für die ersten beiden Umweltziele – Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel – definiert. Für die vier verbleibenden Ziele liegen zwar schon Vorschläge für Bewertungskriterien vor, ein deligierter Rechtsakt wird allerdings erst später in 2022 erwartet. Die EU-Taxonomie ist deshalb im Januar nur in Teilen in Kraft getreten.

Für Streit sorgte zuletzt die Tatsache, dass die EU-Kommission im Februar Atomkraft und Erdgas als klimafreundlich eingestuft hat. Kernkraftwerke sollen als klimafreundlich gelten, wenn eine Baugenehmigung bis 2045 vorliegt und das betreffende Mitgliedsland einen Plan für die Atommüllentsorgung vorweisen kann und deren Finanzierung sichert. Investitionen in neue Gaskraftwerke gelten bis 2030 als nachhaltig, wenn sie Kraftwerke mit höheren Emissionen ersetzen und bis 2035 mit klimafreundlicheren Gasen betrieben werden.

Dass der Taxonomie-Vorschlag der Kommission noch scheitern könnte, scheint allerdings trotz nationaler Widerstände gegen die Regelung unwahrscheinlich: Der delegierte Rechtsakt wird automatisch zum Gesetz, wenn nicht die Länder oder das Europaparlament dagegen stimmen – und dafür werden die Mehrheiten nicht ausreichen.

 

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