- Der deutsche Anlagenbau ist in der Zwickmühle: Für globale Megaprojekte sind die Anbieter häufig nicht groß genug, um als Generalunternehmer zu agieren.
- Eine klare Positionierung - ob in der Nische oder als global aufgestellter Player mit der Fähigkeit zum Generalunternehmer - tut Not.
- Partnerschaften eröffnen sowohl kleinen als auch mittelständischen Anbietern die Möglichkeit, im Wettbewerb mitzuhalten.
Knauthes Standpunkte machen deutlich, dass deutsche Anlagenbau-Unternehmen in der Zwickmühle stecken: Bekannt für High-tech-Lösungen und überwiegend spezialisiert auf eigene Verfahrenstechnik laufen sie derzeit den Großprojekten oft nur hinterher. Diese werden vor allem von global aufgestellten Engineeringfirmen gewonnen, die weniger Technologie, aber vielmehr Abwicklungskompetenz und Risikobereitschaft als Generalunternehmer zeigen. „Reicht die Veränderungsbereitschaft im europäischen Anlagenbau aus, um sich dem globalen Wettbewerb zu stellen?“, fragt Knauthe, der auch Mitglied der Geschäftsleitung bei Thyssenkrupp Uhde ist.
„Wenn Sie mich als Betreiber fragen, muss ich sagen, dass der europäische Anlagenbau zu langsam ist“, stellt Dr. Volker Knabe, Leiter des Kompetenzzentrums Engineering & Maintenance bei der BASF fest: „Wenn sich nichts daran ändert, wird es in 10 bis 15 Jahren in Europa keinen bedeutenden eigenen Anlagenbau mehr geben, sondern nur noch eine Anlagenbau-Struktur, die von großen globalen Unternehmen besetzt sein wird. Der Großteil des typisch deutschen Anlagenbaus wird dann tot sein.“ Für Großprojekte, wie sie von der BASF auf der ganzen Welt realisiert werden, gibt es laut Knabe kaum noch einen deutschen Anlagenbauer, der in der Lage ist, die Gesamtverantwortung zu übernehmen. Aktuelle World-scale-Projekte wie die 1 Mrd. Euro schwere TDI-Anlage, die derzeit in Ludwigshafen realisiert wird, vergibt der Chemiekonzern an internationale Engineering-Multis, darunter die amerikanische Fluor Corp. Diese werden von den BASF-Ingenieuren in strategischen Partnerschaften eingebunden.
Doch auch dort wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Denn strategische Partnerschaften sind für den Anlagenbauer „margenschwaches“ Geschäft, gibt zum Beispiel Taco de Haan vom Anlagenbauer Fluor zu. Wie viel „strategische Partnerschaft“ sich ein Anlagenbauer leisten kann, muss jedes Unternehmen mit Blick auf seine Eigner selbst beantworten. Für de Haan, der als Senior Vice President Energy & Chemicals für den amerikanischen Engineeringkonzern die Regionen Europa, Afrika und Mittlerer Osten verantwortet, ist allerdings klar, dass globale strategische Partnerschaften für EPC-Kontraktoren die Chance bieten, das Geschäft ihrer Kunden besser verstehen zu lernen. De Haan: „Strategische Partnerschaften erfordern allerdings eine Organisation, die in der Lage ist sich ständig zu verändern.“
Projektstruktur hat sich deutlich gewandelt
Doch weshalb hat sich das Wettbewerbsumfeld für deutsche und europäische Anlagenbauer in den Jahren seit der Wirtschaftskrise 2008 so dramatisch verändert? Eine wesentliche Ursache ist, dass sich die Projektstruktur deutlich gewandelt hat. Der Anteil an Megaprojekten, die von Großinvestoren gestemmt werden, ist deutlich gestiegen, die Zahl mittelgroßer Projekte privater Unternehmen ist dagegen rückläufig. Dazu kommt, dass die Großprojekte zunehmend an entlegenen Orten und in Ländern mit höheren Risiken realisiert werden. „Nur wer groß genug ist, kann mit den damit verbundenen Risiken umgehen“, verdeutlicht Knauthe. Thyssenkrupp hat im Januar 2013 seine Anlagenbau-Aktivitäten mit der Sparte Marine Systems zusammengeführt. Über die Größe sollen Vorteile im Weltmaßstab erzeugt werden.
Auch global agierende Engineeringunternehmen wie zum Beispiel Foster Wheeler setzen auf Größe: Der Anlagenbaukonzern hat in den vergangenen Monaten mehrere Planungsunternehmen geschluckt, um sich für die Abwicklung von Megaprojekten zu verstärken.
Schlucken oder geschluckt werden?
Doch nur den wenigsten Anlagenbauern steht dieser Weg offen. Es bleibt die Frage, wie sich deutsche Anlagenbauer in Zukunft aufstellen müssen. Eine Möglichkeit ist die Fokussierung als lokaler Nischenanbieter für Engineeringleistungen, eine Weitere die Konzentration auf Technologie. Ein dritter Weg ist die enge Zusammenarbeit mit anderen Anlagenbauern und Lieferanten, um gemeinsam Projekte zu stemmen, die für einen Anbieter allein zu groß wären. Doch alle drei Wege bergen Risiken und greifen eventuell auch nur mittelfristig. Denn international tätige Kunden schließen immer häufiger Rahmenverträge mit global tätigen Anlagenbauern ab. Dadurch treten ausländische Wettbewerber verstärkt auch im Heimmarkt des Nischenanbieters auf. „Auf Dauer wird die Nische nicht ausreichen“, ist Helmut Knauthe überzeugt.
Die Konzentration auf Technologie erfordert Investitionen, die wiederum erwirtschaftet werden müssen – Unternehmen mit einem Scope, der auch EPC-Projekte einschließt, haben hier ebenfalls Größenvorteile. Der Hütten- und Walzwerksbauer SMS Siemag geht beispielsweise diesen Weg. „Wir streben einerseits die Technologieführerschaft an, andererseits agieren wir fallweise auch als Generalunternehmer“, verdeutlicht Dieter Rosenthal, Vorstandsmitglied des Unternehmens. Der Balanceakt besteht dabei darin, einerseits durch Regionalisierung der Wertschöpfung zu wettbewerbsfähigen Kosten anbieten zu können, andererseits die Technologie komplett im eigenen Haus zu halten. „Wir haben genau beobachtet, was im Kraftwerksbau geschehen ist und wie sich der Chemieanlagenbau entwickelt hat. Deshalb beteiligen wir uns nicht an Konsortien, in denen ein Know-how-Abfluss zu befürchten ist. Wenn man beispielsweise deshalb keine Kooperationen mit klassischen EPC-Unternehmen eingeht, dann bleibt in manchen Projekten nur noch der Weg, selbst als Generalunternehmer aufzutreten“, erklärt Rosenthal.
„Partnerschaft“ ist, wenn der Partner schafft
Ein bislang unterschätzter Erfolgsfaktor sind Partnerschaften, in denen sich Anlagenbauer und Lieferanten die Aufgaben eines Projektes teilen und gemeinsam Technologien entwickeln. „Kunden fordern Größe als Sicherheit – und hier müssen auch Mittelständler Antworten finden und über Partnerschaften am Weltmarkt agieren“, ist Helmut Knauthe überzeugt. Und auch die enge Zusammenarbeit mit Lieferanten wird von Führungskräften im Anlagenbau als wichtiges Element zur Technologieführerschaft gesehen.
„Wir kommen gar nicht darum herum, partnerschaftlich mit Kunden und Lieferanten zu agieren“, verdeutlicht Dr. Rainer Hauenschild, CEO der Business Unit Energy Solutions beim Kraftwerksbauer Siemens, und plädiert dafür, Lieferanten bereits in der Entwicklungsphase von Projekten einzubinden: „Wir haben gelernt, dass Lieferanten in Teilsystemen oft besser Bescheid wissen als wir.“ Aus Hauenschilds Sicht ist es deshalb sinnvoller, für Teilsysteme funktionale Spezifikationen zu erstellen, als die Ausführung detailliert zu spezifizieren. „Daraus entsteht eine Art von Partnerschaft, die für beide Seiten interessant ist. Der Kraftwerksbauer hat so die Möglichkeit, möglichst kostenoptimierte Lösungen anzubieten, und Lieferanten profitieren durch einen neuen Marktzugang.“ „Partnerschaftliche Beziehungen sollten auf einen langfristigen Projekterfolg ausgerichtet sein. Aber das heißt nicht, dass man auf vertraglich vereinbarte Leistungen verzichtet“, nennt Dr. Ralf Nowack, Geschäftsführer bei RWE Technology, den „Owners Engineers“ des Energiekonzerns RWE, Grenzen der Partnerschaftsmodelle. Auch bei RWE Technology versucht man Lieferanten und Betreiber in der Entwicklungsphase mit einzubinden. Mittelständischen Unternehmen eröffnet der Verbund mit Großanlagenbauern ebenfalls Chancen.
„Schaut man bei einigen unserer Kunden, die das Thema Partnerschaft hoch aufhängen, in die Verträge, dann bleibt von Partnerschaft nicht mehr viel übrig“, gießt Wolfram Gstrein, Geschäftsführer der deutschen VTU Engineering, allerdings Wasser in den Wein: „Häufig findet man im Vertrag Gemeinheiten bei den Punkten Haftung und Zahlungsziele – und dann wird auch noch auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen, die von Anwälten durchdekliniert wurden“, berichtet Gstrein und stellt die Frage, ob sich der Wunsch nach partnerschaftlichem Miteinander auch in den Verträgen der Großanlagenbauer wiederfindet. Ein Spannungsfeld, das je nach Vertragskonstellation – ob Lump Sum Turnkey, Konsortialvertrag oder Abrechnung nach Aufwand – mehr oder weniger stark ausgeprägt ist. „Vertrauen und Misstrauen haben auch etwas mit der Unternehmenskultur und Abwicklungserfahrungen zu tun“, weiß Ralf Nowack, und Helmut Knauthe plädiert dafür, dass Anlagenbauer neben einer Kultur des Dokumentenmanagements auch eine Kooperationskultur entwickeln: „Wir müssen das anders auf die Agenda setzen, da gibt es Handlungsbedarf.“
Fazit: Die Diskussion zeigt, dass Bewegung in die Geschäftsmodelle der deutschen Anlagenbauer kommt und auch kommen muss. Eine klare Positionierung – ob in der Nische oder als global aufgestellter Player – tut not. Partnerschaften eröffnen sowohl kleinen als auch mittelständischen Anbietern die Möglichkeit, im Wettbewerb mitzuhalten.
Networking für Anlagenbauer
Mit der zweiten Veranstaltung im November 2012 hat sich der der Engineering Summit mit über 275 Teilnehmern als wichtigstes Networking-Forum für Führungskräfte im deutschen und europäischen Anlagenbau etabliert. In intensiven Diskussionen und hochkarätigen Vorträgen tauschten sich Experten aus mittelständischem und Großanlagenbau sowie Betreibern und Lieferanten aus. Der 3. Engineering Summit wird am 1. und 2. Juli 2014 – ebenfalls in Mannheim – stattfinden. Zentrales Thema wird dann die Frage sein, welche Antworten die Branche auf den Wettbewerbsdruck aus Asien und die fortgesetzte Globalisierung gibt. Weitere Informationen unter www.engineering-summit.de
Informationen zu dem deutschlandweit einzigartigen Großanlagebaukongress Engineering Summit finden Sie hier.
Anlagenbauer suchen ihren Weg im Wettbewerb 1303ct901