- Anlagenbauer sehen sich mit immer differenzierteren Kundenwünschen konfrontiert. Dabei geht der Trend von inzellösungen mit größtmöglichem Freiheitsgrad hin zu modularen und intelligenten Systemen.
- Eine Lösung ist ein standardisiertes Baukastensystem mit einem hohen Grad an Individualisierung, der sich zu einer strukturierten kundenspezifischen Anlage verbinden lässt.
- Modularisierte und vereinheitlichte Komponenten und Baugruppen ermöglichen den Anlagenbauern, bereits entwickelte Lösungen in neuen Projekten wiederzuverwenden und auf diesem Wege die Effizienz zu steigern.
Bereits vor mehr als 100 Jahren legte Henry Ford mit der Fließbandproduktion den Grundstein für die Standardisierung von Fertigungsprozessen. Diese führte zu geringeren Kosten und kürzeren Produktionszeiten. Er setzte damit einen Industriestandard, dessen Prinzipien bis heute relevant sind. Allerdings stoßen diese Grundsätze durch differenzierte Kundenansprüche an ihre Grenzen. Die Lösung: Ein Anlagenbausystem das standardisierte Komponenten mit individuellen Lösungen zu einer klar strukturierten kundenspezifischen Anlage verbindet.
Standardisierung und Individualisierung sind im Anlagenbau ein viel diskutiertes Thema. Dabei gestaltet sich die Ausgangslage der Anlagenbauer so, dass sie sich zwischen gänzlicher Individualisierung und gewünschter Standardisierung entscheiden müssen. Außerdem führt der Wandel vom Verkäufermarkt zum Käufermarkt im Anlagenbau zu immer differenzierten Kundenansprüchen und spezifischeren Produkten, wobei sich die Anlagenbauer bisher darauf fokussierten, Kundenwünsche durch Einzellösungen mit größtmöglichem Freiheitsgrad zu bedienen. Heute liegt der Schwerpunkt im Anlagenbau vermehrt auf modularen und intelligenten Systemen für kundespezifische Lösungen. Diese Systeme lassen sich durch ihre Flexibilität und Lernfähigkeit zu einer betriebssicheren Anlage kombinieren – ohne den Kundennutzen einzuschränken.
Die chemische Industrie benötigt effiziente Prozesse, um Anlagen in kurzer Zeit in Betrieb nehmen zu können. Dennoch steigt in den letzten Jahren in vielen Bereichen des Anlagenbaus die Produktkomplexität und Variantenvielfalt. Vor diesem Hintergrund, beginnen viele Anlagenbauer ihre Produkte und Komponenten in modularisierten Baukästen zu strukturieren. Die Möglichkeiten sind enorm, durch diese Strategie Kosten und Aufwand zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit auszubauen. Um die Potenziale auszuschöpfen, hat die Firma Derichs ein intelligentes Baukastensystem entwickelt, das objektorientiert und modular aufgebaut ist. Zum einen verfügt es über den gewünschten Standardisierungsgrad für eine effiziente und kostengünstige Produktion, und es ermöglicht zum anderen auf der Kundenseite einen hohen Grad an Individualisierung.
Definierte Struktur vereinfacht Planung
Bereits beim Entwurf eines Fließbildes sind alle Teile der Anlage eindeutig bezeichnet und in eine definierte Struktur eingebaut. Das macht deutlich, was sich wo befindet. Für eine komplette Anlage ergibt sich aus dieser Struktur ein Aufbau aus Teilanlagen, Baugruppen und Komponenten:
- Teilanlagen ermöglichen es, komplexere Abläufe zu realisieren. Dafür werden mehrere Baugruppen zu einem System kombiniert. Dies können z. B. Produktquellen oder -ziele, Mischanlagen oder Förderungen sein, die sich miteinander verschalten und einzeln starten sowie stoppen lassen. Diese Module kommunizieren miteinander und mit angrenzenden Anlagenteilen über definierte Schnittstellen.
- Baugruppen bestehen aus einer oder mehreren Komponenten und einer definierten Funktionalität. Bewährte Kombinationen lassen sich wiederholen oder mit geringfügigen Anpassungen adaptieren. Dies kann z. B. ein Dosiergerät mit Ein- und Auslaufklappe, Verwiegung und drehzahlgeregelter Schnecke sein.
- Komponenten bilden die kleinste unveränderbare Einheit. Die Haupteigenschaften einer Komponente sind festgeschrieben und dokumentiert. Bedarf es einer Variante, die sich in maßgeblichen Bereichen unterscheidet – etwa in der Stückliste oder im Funktionsablauf – so ist eine neue Komponente anzulegen. Derzeit sind ca. 500 Komponenten definiert, die als Varianten aus etwa 20 Basiskomponenten hervorgingen. Die Basiskomponente Absperrorgan gibt es beispielsweise in verschiedenen Variationen: Klappe, Kugelhahn, Schieber etc. – per Hand, pneumatisch oder motorisch betätigt, mit oder ohne Rückmeldung sowie in verschiedenen Atex-Ausführungen.
Engineering als solides Fundament
Im Rahmen des Engineerings wird zunächst ein detailliertes Fließbild erstellt. Mithilfe von Makros und Generatoren kann man nun Geräte- und E/A-Listen, Stromlaufpläne, ein Simulationsprogramm, ein strukturiertes Step7- oder TIA-Programm, Variablenlisten für WinCC sowie Stör- und Betriebsmeldungen fehlerfrei erzeugen und verschalten.
Aufgrund der durchgängigen Struktur in allen Dokumenten ist ein schnelles, intuitives Auffinden der gewünschten Komponenteninformationen über Abteilungsgrenzen hinweg möglich. Zur Inbetriebnahme und Dokumentation gibt es eine strukturierte Darstellung der Gesamtanlage in Tabellenform sowie eine Komponentenliste mit Verwendungsnachweis. Die meisten Dokumente liegen auch in Form von intelligenten PDFs vor.
Die Anlagenteile besitzen in der Steuerung eine eigene Funktionalität und kommunizieren mit anderen Modulen über genormte, dokumentierte Schnittstellen. Dadurch kann sich der Programmierer auf den eigentlichen Ablauf der Anlage konzentrieren.
Durchgängige Dokumentation
Zum Tragen kommen die Vorteile des modularen Systems bei der weiteren Bearbeitung und Dokumentation. So finden sich Teilanlagen, Baugruppen und Komponenten durchgehend in allen Systemen wieder: im Fließbild als Symbol, im Stromlaufplan als Sensor oder Aktor, im ERP-System als Teil in der Stückliste, in der Anlagensteuerung als Programm- und Datenbaustein, in der Anlagenvisualisierung als Grafik mit Faceplate, in der Anlagensimulation als Simulationsmakro, im Störmeldesystem als Stör- oder Betriebsmeldung und in der Dokumentation als (Teil-)Bedienungsanleitung. Zudem werden Erfahrungen und Verbesserungen in einem lernenden System auf die Objekte übertragen und sorgen so für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.
Jede Komponente hat ihren Platz in einer zentralen Bibliothek, wird dort vom Unternehmen revisioniert und weiterentwickelt. Zudem kommentiert Derichs jede Entwicklungsstufe und kann sie zurückverfolgen.
Baukastengestaltung als Herausforderung
Hauptsächliche Motivation für eine Modularisierungsstrategie ist die Automatisierung monotoner Arbeitsgänge mit hohem Fehlerpotenzial bei gleichzeitig sinkenden Bearbeitungskosten. Dabei sind Planungsaufwendungen sowie Bau- und Montagekosten die Stellschrauben, um die Kosten durch eine Modularisierung zu reduzieren. Standardisierungen im Anlagenbau beziehungsweise innerhalb eines Baukastensystems bieten aber nicht ausschließlich Kostenvorteile: Sie verringern intern und extern die Komplexität und steigern so die Effizienz eines Unternehmens. Das bedeutet, dass mehr Wiederholteile und einfachere Geschäftsprozesse auftreten, was die Produkteinführungszeit senkt und die Qualität erhöht. Gleichwohl lassen sich Kundenwünsche berücksichtigen und systemkonform umsetzen.
Fazit: Neben einer konzeptionellen Planung und Umsetzung der Modularisierung ist das Schaffen von Akzeptanz und Verständnis für das Baukastensystem von großer Bedeutung. Zusätzlich bildet eine einführende und umfassende Analyse bezüglich Realisierung, Aufwand und Nutzen des geplanten Modularisierungsprozesses die Grundlage für eine erfolgreiche Implementierung. Darüber hinaus führt die Anschaffung eines Baukastensystems auch zu strukturellen Veränderungen im Unternehmen. So muss sich etwa der Vertrieb mit dem System und den Konfigurationen vertraut machen und identifizieren. Zudem lässt sich festhalten, dass sich die Besinnung auf Standardisierungen auszahlt. Modularisierte und vereinheitlichte Komponenten und Baugruppen ermöglichen den Anlagenbauern, bereits entwickelte Lösungen in Projekten wiederzuverwenden und auf diesem Wege die Effizienz zu steigern.
Powtech 2017 Halle 1 – 443