- Die Produktion der Hersteller wurde in den vergangenen Jahren nicht nur vielfältiger, sondern auch gefährlicher. Grund ist der Einsatz immer potenterer Wirkstoffe.
- Kontaminationen drohen gleich aus drei Richtungen: Zum einen dringen Fremdstoffe in den Prozess, zum anderen tritt Produkt aus und gefährdet das Personal in der Herstellung. Und nicht zuletzt drohen Querkontaminationen, wenn die Reinigung einer Linie vor dem Produktwechsel nicht ausreichend war.
- Dies alles führt dazu, dass Betreiber aller Branchen vermehrt auf Containment-Lösungen setzen müssen.
„Bei Containment geht es darum, den Bediener vor dem Produkt zu schützen – und das Produkt vor dem Bediener“, fasst Thomas Weingartner, Geschäftsführer von Lugaia Deutschland, die Quintessenz des Themas zusammen. Generell ist Containment nichts Neues, sondern ein langlebiger Trend. Allerdings sind die Ansprüche der Kunden über die Jahre gestiegen, und so gilt mittlerweile in vielen Bereichen ein OEB-Level von 5 schlicht als Standard. OEB 5 bedeutet eine Belastung von weniger als 1 µg/m3. Würde man dies auf die Größe des Empire State Buildings in New York hochrechnen, so dürfte sich im gesamten Gebäude nicht mehr als der zwanzigste Teil eines Teelöffels des Wirkstoffs befinden. Um dies zu erreichen gibt es natürlich nicht „die eine Lösung“, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze. Darum benötigt Containment, so Claude Lefebvre, Director of Business Development bei Frewitt, vor allem eines: hohes Prozessverständnis.
Mensch und Produkt schützen
Die Schwierigkeit beginnt im Grunde bereits bei den Bezeichnungen beziehungsweise Definitionen: Hat sich auch in großen Teilen die OEB-Klassifizierung durchgesetzt, so arbeiten manche Pharma-Unternehmen mit eigenen Standards, deren Anforderungen teils über denen liegen, die eine OEB-5-Lösung erfüllt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Bei Roche trägt das Äquivalent zu OEB 5 den Namen 3B. Genau diese Unternehmen sind es auch, die als Markttreiber für Containment-Lösungen gelten: „In den vergangenen Jahren wanderte die Pharma-Massenproduktion von Europa nach Asien. Hierdurch entstand in den Industrieländern der Zwang, sich mehr in Richtung der hochpreisigen Produkte zu entwickeln, beispielsweise die Onkologie“, erklärt Iris Barnstedt, Geschäftsführerin von Brinox Deutschland. Durch die Arbeit mit diesen hochpotenten Produkten ging auch der Zwang einher, einen höheren Arbeitsschutz zu realisieren. Schnell stellte sich heraus, dass das Arbeiten in Ganzkörper-Schutzanzügen eine in der Umsetzung zwar simple, aber dennoch unwirtschaftliche Lösung darstellt. Denn Menschen dürfen unter solchen Bedingungen nur vergleichsweise kurz am Stück arbeiten – was in der Folge die Produktionskosten in die Höhe treibt. Weiterhin schützen solche Anzüge zwar die Menschen, was immer eine hohe Priorität hat, nicht aber das Produkt. Und gerade im Pharma-Bereich können bereits wenige Gramm Wirkstoff einen monetären Gegenwert im drei- manchmal sogar vierstelligen Euro-Bereich haben. Diese vor Kontaminationen oder auch Verlusten zwischen den Verfahrensschritten zu schützen, entscheidet daher ganz wesentlich über die Wirtschaftlichkeit eines Betriebes.
Gesucht: ein schmaler Fuß
Aber auch in der Food-Industrie steigt die Nachfrage bezüglich High-Containment-Lösungen, weiß Lefebvre von Frewitt: „Hier spielen vor allem für Allergiker geeignete Produkte eine Rolle, die beispielsweise unter keinen Umständen Spuren von Nüssen enthalten dürfen. Kommt es hier zu Kreuzkontamination, drohen nicht nur Gesundheitsprobleme unter den Konsumenten, sondern auch ein fataler Image-Schaden für den Hersteller.“ Einfach mit unterschiedlichen, örtlich getrennten Produktionslinien zu arbeiten, kommt hier für viele Betreiber nicht in Frage, da eine Kombination aus Platzmangel und der seitens der Verbraucher geforderten Vielfalt an Nahrungs- und Genussmitteln es nötig macht, auf ein und derselben Linie im Wechsel mehrere Produkte herzustellen. Wobei das Thema Footprint kein nahrungsmittel-exklusives Thema ist, sondern auch Betreiber aus Chemie und Pharma eher in Brownfield-Projekte, Bestandsanlagen also, investieren. Produzenten in besonders alten Fabrikhallen kämpfen hier nicht nur mit begrenzten Stellflächen, sondern in allen drei Dimensionen: Häufig sind auch die Decken schlicht zu niedrig, um Prozesse ohne größeren Aufwand anpassen zu können.
Behörden machen Dampf
Dennoch ist das teils recht teure Realisieren von Containment-Lösungen der saure Apfel, in den Betreiber beißen müssen, wenn sie am Ende ihr Stück vom Marktanteils-Kuchen haben wollen. Denn immer schärfere Regulierungen seitens der Gesetzgeber versperren sonst den Zugang zu den wichtigen Märkten der Industrie-Nationen. Jenseits des Atlantiks ist dies die US-amerikanische FDA, die zuletzt vor allem indischen Pharmazeuten das Fürchten lehrte und ihnen die Zulassung für die USA verweigerte. Hierzulande ist es die europäische Chemikalienagentur (Echa), die den einschlägigen Lösungsanbietern mit der Reach-Verordnung Neukunden aus der Chemie-Branche in die Arme treibt. Reach fordert – in aller Kürze – dass Betreiber ihre als gefährlich eingestuften Stoffe durch ungefährliche substituieren. Wo dies nicht möglich ist, können Betreiber eine Sondererlaubnis beantragen. Hierzu müssen sie aber zeigen, dass sie die mit dem betreffenden Stoff einhergehenden Risiken beherrschen – also das nötige Containment erreichen. Beim Unternehmen Müller führte die europäische Verordnung zu einem bemerkbaren Schub aus der Chemie-Branche, berichtet Vertriebsleiter Fred Lonzer und ergänzt: „Neben dem reinen Containment müssen Betreiber aus der Chemie aber auch noch entsprechende Reinigungsprozesse integrieren.“ Zu befürchten ist zudem, dass Reach nicht unbedingt mehr Sicherheit schaffen wird, zumindest nicht im Kontext der Jobsicherheit: Die Kosten für die Umstellung können von Fall zu Fall so hoch sein, dass sie für kleine Unternehmen zur Existenzgefährdung mutieren.
Containment kann nicht jeder
Markttreiber Nummer 1 ist und bleibt laut Lonzer aber die Pharma-Industrie. Hier herrscht aktuell der Trend, weg von der Massenproduktion, hin zu kleineren Batches mit höherer Flexibilität. Und natürlich höchst mögliche Sicherheit. „Wir arbeiten in diesem Bereich eng mit einem Isolatoren-Hersteller zusammen, mit dem wir Packaging Units mit zwei Schnittstellen realisieren. Denn umso weniger es solche in einer Anlage gibt, umso sicherer ist auch der Prozess“, erklärt Lonzer. Und auch für Fritz Martin Scholz, Produktmanager der Bosch Packaging Technology Tochter Hüttlin, war es in den vergangenen Jahren vor allem die Pharmazie, die zum Beispiel mit Onkologie-Präparaten das Thema Containment vorangebracht hat. „Für ein Unternehmen, das in Wachstumsregionen produziert, spielen Wirkstoff und Absatzmarkt eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, ob mit lokalem oder europäischem Equipment produziert wird.“ Hier sieht Scholz die Qualität der Prozesstechnik ‚made in Germany‘ ganz vorn. Denn „State-of-the-art-Anlagen bringen wichtige Voraussetzungen für Containment mit. So können beispielsweise mögliche Störungen im Produktfluss rechtzeitig erkannt und durch Gegenmaßnahmen ohne manuellen Eingriff beseitigt werden, erklärt Fritz-Martin Scholz.Nicht selten steckt bei solchen Anlagen der Teufel in Details, die Betreiber gerne unterschätzen und sich dann mit unerwarteten Fragen konfrontiert sehen. Beispielsweise: Wo läuft das Waschwasser ab? Und natürlich die Gretchenfrage schlechthin: Arbeite ich in Edelstahl oder mit Single-use-Applikationen? Während Unternehmen wie Hecht beispielsweise Isolatorsysteme anbieten, deren Folien der Anwender nach dem Gebrauch entsorgt statt zu reinigen, setzen nicht alle Hersteller auf die „Wegwerf-Technologie“: „Wir konzentrieren uns aktuell noch auf Systeme aus Edelstahl. Allerdings beobachten wir natürlich den Mark und werden uns je nach Bedarf künftig auch in Richtung Single-use entwickeln“, erläutert Lonzer den Status quo des Lösungsanbieters Müller.
Dicht alleine reicht nicht
Betreiber, die ihre Komponenten wiederverwenden möchten, müssen diese zuverlässig reinigen. Auch hier stehen dann wieder zwei Möglichkeiten beziehungsweise Philosophien bereit: Alles ausbauen und säubern oder inline reinigbare Systeme realisieren. Das händische Reinigen also oder aber der Einsatz eines CIP/SIP-Systems. Die Vorteile des letzteren liegen auf der Hand, erklärt Andreas Bürckert, Gruppenleiter in der Konstruktion bei Bausch+Ströbel: „Bei CIP/SIP profitieren Betreiber von validierbaren Prozessen, da der Vorgang maschinengesteuert ist. Das heißt, es gibt eine gleichbleibende Reinigungsqualität sowie einen definierten Zeitablauf.“ Außerdem bedeuten weniger Eingriffe seitens des Personals, die die Komponenten für eine händische Reinigung demontieren müssten, auch weniger Gefahrenquellen durch weitere Kontaminationen und einen geringeren Zeitaufwand. Generell stellt Bürckert den Trend fest, dass Betreiber aus Effizienzgründen immer häufiger zum Parallelbetrieb übergehen würden. Das heißt, auf einem System das CIP/SIP-Programm läuft, während das andere produziert – hierdurch verkürzt sich die Rüstzeit. Entscheidet sich ein Betreiber für den Einsatz einer automatischen Reinigung, heißt das allerdings auch nicht sofort, dass er diese Technologie auf seiner kompletten Produktionslinie verwenden muss: „Einsatzgebiete für CIP/SIP sind auch Hybridsysteme, bei denen ein Teil gereinigt wird und ein Teil auf Single-use-Technologie basiert.“
Validierung der Installation
So hochwertig die realisierte Containment-Lösung auch sein mag, keine technische Lösung ist 100% dicht. Ob die vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden, muss vor der Inbetriebnahme der Anlage durch geeignete Messungen überprüft werden. Der ISPE Good Practice Guide „Assessing the Particulate Containment Performance of Pharmaceutical Equipment“ beschreibt, wie Anwender Luftkonzentration und Oberflächenkontamination messen und mit dem Grenzwert vergleichen können. Denn auch bei der vermeintlich besten Containment-Lösung gilt die Weisheit: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser.●
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