In4Climate.NRW

(Bild: In4Climate.NRW)

Mehr als 6 Mio. t Kunststoffabfälle fallen in Deutschland jährlich an, 46 % davon werden recycelt. Das dabei gewonnene Rezyklat entspricht gemäß der Conversio-Studie „Stoffstrombild Kunststoff in Deutschland 2017“ gerade mal einem Zehntel des gegenwärtigen Materialbedarfs. Der restliche Kunststoffabfall wird in Müllverbrennungsanlagen energetisch verwertet, also verbrannt, wobei CO2-Emissionen entstehen. Anhand dieser Studie haben die Autoren des Diskussionspapiers berechnet, welche Anteile der verschiedenen Kunststoffabfall-Fraktionen deponiert sowie energetisch oder stofflich verwertet werden. Mitträger sind die Unternehmen Lanxess, BASF, Covestro, Rain Carbon, RHM sowie die Forschungseinrichtungen Fraunhofer Umsicht, Wuppertal Institut, RWTH Aachen und der Verein Deutscher Zementwerke.

Insgesamt fallen in NRW rund 2,4 Mio. t/a Kunststoffabfälle an. Dabei ist die Menge an energetisch verwerteten Kunststoffabfällen mit knapp 1,9 Mio. t/a äußerst hoch. Nur 500.000 t Rezyklat sind 2017 in der Kunststoffverarbeitung in NRW eingesetzt worden. Mittels chemischen Recyclings wurden im selben Jahr lediglich rund 10.000 t rohstofflich verwertet. An Einsatzstoffen für das Recycling mangelt es also nicht. Entsprechend groß ist das Potenzial, durch Kreislaufführung und hochwertige Wiedernutzung des im Kunststoff gebundenen Kohlenstoffs diesen am Entweichen in die Atmosphäre zu hindern und gleichzeitig die Nutzung fossiler Energieträger wie Erdöl und Erdgas als Kohlenstoffquelle zu verringern. Langfristiges Ziel für eine klimaneutrale Industrie ist es, mit innovativen Technologien weitgehend geschlossene Kohlenstoffkreisläufe einzuführen.

Kreislauf auch für Mischkunststoffe

Um das Potenzial heben zu können, müssen Recyclingverfahren effizienter gestaltet werden. Eine Herausforderung für die gängigen Prozesse stellt insbesondere das Recycling gemischter Kunststoffarten dar. Aktuell trennen spezialisierte Sortieranlagen Kunststoffe aus dem gelben Sack oder dem Hausmüll, um sortierten Kunststoffabfall zu gewinnen. Klar zuzuordnende und sortierte Kunststofffraktionen, beispielsweise PE-Folien, werden in den meisten Fällen mechanisch recycelt. Nicht klar zuzuordnende Kunststoffabfälle enden in der Regel in der Fraktion der Mischkunststoffe (MKS), die aktuell zum größten Teil thermisch verwertet wird.

Einen Lösungsansatz, um auch hier die Kreislaufführung zu unterstützen, kann die Pyrolyse bieten. Bei dem thermochemischen Prozess werden die Kunststoff-Polymere unter Ausschluss von Sauerstoff durch hohe Temperaturen zu Monomereinheiten gespalten. Diese lassen sich in neue Kunststoffe oder chemische Grundstoffe überführen. Während beim mechanischen Verfahren oft minderwertigere Sekundärrohstoffe (Downcycling) entstehen, lassen sich durch chemisches Recycling hochwertige Rezyklate gewinnen. Aufgrund der höheren Qualität können sie mehrere Recyclingverfahren durchlaufen und so länger im Kreislauf verbleiben als minderwertige Rezyklate. Die Rezyklate der Pyrolyse haben einen hohen Energiegehalt und eignen sich aufgrund ihres breiten Spektrums an Monomereinheiten für verschiedene chemische Grundstoffe, Kunststoffe und Treibstoffe.

Grundlagen sind vorhanden

Die Schätzungen gehen von bis zu 2 Mio. t/a Kunststoffabfall in NRW aus, der sich auf diese Weise wiederverwenden ließe. Als potenzielle Verwertungsroute kann das Verfahren die bisherigen Technologien ergänzen und den Anteil des energetisch verwerteten Kunststoffabfalls und die damit zusammenhängenden Treibhausgas-Emissionen senken. Daher stellt die Pyrolyse von gemischten Kunststoffabfällen ein zukunftsweisendes Verfahren dar, das die chemische Industrie sowie die Abfallwirtschaft klimafreundlicher gestalten kann – so das Ergebnis des IN4climate.NRW-Diskussionspapieres. „Chemisches Recycling kann einen wichtigen Beitrag zum ökologischen Strukturwandel in NRW leisten. Die technologischen Grundlagen für die Kunststoffpyrolyse sind vorhanden. Wichtig ist nun, diese weiterzuentwickeln und in konkrete Strategien und Pilotprojekte in Kooperation von Wissenschaft und Industrie umzusetzen“, erklärt Samir Khayat, Geschäftsführer der Initiative IN4climate.NRW.

Chemisches Recycling schließt Kohlenstoffkreisläufe
Chemisches Recycling schließt Kohlenstoffkreisläufe.

Pyrolyse kann Kreisläufe schließen

Auch die ökobilanzielle Betrachtung der Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass Pyrolyseverfahren eine Option zur Schließung von Kohlenstoffkreisläufen darstellen. Die Pyrolyse wird zum ökologischen Vorteil, wenn ihr diejenigen Kunststoffabfälle zugeführt werden, die sonst in Müllverbrennungsanlagen thermisch verwertet werden. Für diesen Fall hat die Pyrolyse schon heute ein robustes Potenzial zur Reduktion der Treibhausgasemissionen von 0,55 bis 1,44 kg CO2-Äquivalenten Emissionen pro Kilogramm verwertetem Müll.

Dennoch steht der Pyrolyse der Einsatz von MKS als Brennstoff in Zementwerken gegenüber: Die Nutzung aktuell zur Verfügung stehender Pyrolyseverfahren anstelle der thermischen Verwertung in Müllverbrennungsanlagen führt bei dem aktuellen Strommix zu einer geringeren Reduzierung der Treibhausgasemissionen als der Einsatz der MKS als Brennstoff in Zementwerken, in denen auf diese Weise der fossile Rohstoff Kohle ersetzt wird. Wird jedoch in 2050 Öl oder Erdgas als Brennstoff substituiert, bekommt die energieeffiziente Pyrolyse ein höheres Einsparungspotenzial an Treibhausgasen. Dies zeigt, dass auch die Energieeffizienz sowie der Anteil erneuerbarer Energien im Stromnetz einen großen Einfluss auf das Potenzial zur Reduktion der Treib­hausgasemissionen hat, da das Verfahren nach aktuellem Stand der Technik mit einem hohen Energiebedarf einhergeht. Ob ökologische Vorteile durch chemische Recyclingverfahren möglich sind, ist deshalb im Einzelfall und im Kontext der jeweiligen Systembedingungen zu prüfen. „Die verschiedenen technologischen Optionen müssen nun weitergehend bewertet werden“, so Prof. Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts und Innovationsteamleiter bei IN4climate.NRW. „Dabei kommt es auf eine ganzheitliche Betrachtung an, die berücksichtigt, dass sich die Rahmenbedingungen des Energiesystems verändern. Dies gilt vor allem für den steigenden Anteil erneuerbarer Energien, der sich positiv auf die Klimabilanz auswirkt.“

Insgesamt bekräftigen die positiven Erkenntnisse der im Papier diskutierten Analysen die Bestrebungen weiterer Forschung und das Erschließen von Pyrolyseverfahren als Verwertungsroute für Kunststoffabfälle. Zudem sind keine allgemeinen Ausschlusskriterien erkennbar. Vertiefte Technologiebewertungen, Szenarioanalysen künftiger Kunststoffabfälle sowie ausgeweitete ökologische Bewertung erscheinen lohnenswert. Ebenso bedeutend sind die Analyse der Nutzungspfade der Pyrolyseprodukte und die Analyse der politischen und marktlichen Rahmenbedingungen. Eine Folgestudie soll nun in Kooperation von Wissenschaft und Industrie die strategischen Perspektiven ausloten.

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