- Heute wird nachhaltiger Flugkraftstoff (SAF) zumeist nur als prozentuale Zumischung von erdölbasiertem Flugzeugtreibstoff verwendet.
- Eine in einem neuen Verfahren hergestellte Mischkomponente liefert die Aromaten, die heutige Flugzeuge und Betankungsanlagen im Flugbenzin benötigen.
- Dies ermöglicht den Einsatz von 100 % nachhaltigen Drop-in-Treibstoff, wie bei einem Transatlantikflug im November demonstriert wurde.
Nachhaltiger Flugzeugtreibstoff (Sustainable Aviation Fuel, SAF) bildet derzeit die wohl vielver-sprechendste Lösung zur Senkung der Emissionen im Luftfahrtsektor. Als sogenannte Drop-in-Lösung, also direktes Ersatzprodukt, erfordert SAF keinerlei Modifikationen an der bestehenden Flugzeug- oder Betankungsinfrastruktur. Doch SAF ist nicht gleich SAF: Viele Varianten reduzieren aufgrund von Beschränkungen der Mischungsanteile die Emissionen nur geringfügig.
Wie wird SAF heute eingesetzt?
Heute wird SAF zumeist nur als prozentuale Zumischung von erdölbasiertem Flugzeugtreibstoff verwendet. Basierend auf der Grundlage der ASTM-Norm – die internationale Norm für Flugzeugtreibstoff, in der die Parameter für SAF definiert sind – wurde der Begriff „100 % SAF“ zum Oberbegriff für unterschiedliche Gemische, von denen jedoch keines ein 100-prozentiges Drop-in-SAF darstellt. Gesetzliche Rahmenbedingungen und internationale Vereinbarungen definieren eine Reihe von qualifizierten Kohlenstoffintensitäten oder CO2-Äquivalentwerten. Liegt der Anteil synthetischen Kohlenstoffs im Treibstoff unter diesem Wert, darf er die Bezeichnung „SAF“ tragen. Dieser Begriff kann jedoch aus folgendem Grund irreführend sein:
Das Problem besteht darin, dass ein 100-prozentiges SAF in heutigen Flugzeugflotten und Betankungsinfrastrukturen nur dann direkt verwendet werden kann, wenn dem Treibstoffgemisch Aromaten hinzugefügt werden. Aromaten sind zwar in herkömmlichen Treibstoffen enthalten, jedoch nicht in vielen biobasierten Kraftstoffen wie HEFA (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids) und Fischer-Tropsch (FT). Um sicherzustellen, dass ein SAF-Gemisch sich als Drop-in-Lösung eignet, schreiben die Normen für Flugzeugtreibstoff einen Mindestanteil von 8 % Aromaten vor.
Was sind Sustainable Aviation Fuels (SAF)?
Sustainable Aviation Fuel (SAF) ist der Oberbegriff für alle Flugkraftstoffe, die ohne den Einsatz fossiler Rohstoffe wie Erdöl hergestellt werden und einen reduzierten CO2-Fußabdruck aufweisen. Für die Herstellung von SAF gibt es verschiedene Verfahren – sowohl mit biogenen als auch mit nicht-biogenen Rohstoffen. Die heutigen SAF werden hauptsächlich aus biogenen Reststoffen wie Altspeiseöl hergestellt.
Als so genannte "Drop-in"-Lösung wird es vor dem Transport zum Flughafen mit herkömmlichem Kerosin gemischt. Der nach der Kraftstoffspezifikation zulässige maximale Beimischungsanteil von SAF liegt derzeit bei 50 % – die Kraftstoffnormen sollen jedoch angepasst werden und bis 2030 auch den Einsatz von 100 % SAF ermöglichen.
Um diesen Aromatenanteil sicherzustellen, können die heute verfügbaren synthetischen Alternativen jedoch nur zu maximal 50 % herkömmlichem Kerosin beigemischt werden. Daraus folgt, dass weiterhin große Mengen konventionellen Treibstoffs verwendet werden müssen und somit auch die Emissionen relativ hoch bleiben. Und das wiederum bedeutet, dass damit keines der internationalen Ziele zur Reduzierung der Flugverkehrsemissionen bis 2030 oder 2050 erreicht wird.
Alle Produktionswege werden gebraucht
Darüber hinaus behandeln die SAF-Normen nicht die verschiedenartigen Ausgangsstoffe und berücksichtigen daher auch nicht die unterschiedliche Kohlenstoffintensität der jeweiligen Prozesswege und ihrer Lieferketten. Von allen heute verfügbaren Alternativen ist das sogenannte HEFA auf Basis von Ester und Fettsäuren (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids) derzeit der billigste synthetische Treibstoff mit den höchsten Produktionszahlen. Er verfügt jedoch nur über begrenzte Rohstoffressourcen, die zudem mit der Produktion von Biodiesel konkurrieren. Die Verfügbarkeit von Rohstoffen hat einen enormen Einfluss auf die allgemeine Akzeptanz einer Lösung, und es müssen alle denkbaren Wege zur SAF-Produktion in Betracht gezogen werden. Letztendlich bedeutet die für den weltweiten Flugverkehr benötigte Menge an Kerosin, dass kein einzelner dieser Wege oder Rohstoffe ausreicht, um die Welt zu 100 % mit SAF zu versorgen.
Der aufstrebende SAF-Markt bietet zwar einerseits zahlreiche Chancen, aber andererseits auch nicht weniger Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Dazu gehört die Frage, wie sich der in heutigen weltweiten Flotten verwendete SAF-Anteil steigern lässt – genauso wie die Flexibilität der Rohstoffe für mehr Sicherheit und Resilienz in der Lieferkette sowie nicht zuletzt der Ausbau der Produktionskapazitäten.
Auf dem Weg zu 100 % SAF
Es gab bereits mehrere Vorführungen und Testflüge, bei denen SAF als Beimischung zu konventionellem Treibstoff verwendet wurde. Im November 2024 hat die Fluggesellschaft Virgin Atlantic nun die erste Atlantiküberquerung mit 100 % SAF in beiden Triebwerken absolviert. Ermöglicht wurde dies durch ein Verfahren mit dem Namen „Bioforming Sugar to Aromatics“-Technologie (S2A), bei dem sogenanntes Bioform Synthesized Aromatic Kerosene (Synthetisiertes Aromatenkerosin, SAK) aus Zuckererzeugnissen produziert wird.
Diese Mischkomponente liefert die Aromaten, die heutige Flugzeuge und Betankungsanlagen im Flugbenzin benötigen. Die Verwendung eines Gemischs aus SAK und SAF – anstelle von herkömmlichem Treibstoff mit SAF-Beimischung – ergibt einen zu 100 % nachhaltigen Drop-in-Treibstoff, der mit den heutigen Triebwerken, Betankungssystemen und der Flughafeninfrastruktur insgesamt kompatibel ist.
So funktioniert das Verfahren
Mit der Technologie wird SAK hergestellt, das SAF aus paraffinischen Verfahren wie HEFA, Fischer-Tropsch oder Alcohol-to-Jet (AtJ) beigemischt werden kann. So entsteht zu 100 % biobasierter Treibstoff, der sich funktional nicht von herkömmlichem Düsenkraftstoff unterscheidet.
Während bei der erfolgreichen Atlantiküberquerung von Virgin Atlantic aus Mais-Dextrose produziertes SAK verwendet wurde, können biobasierte Aromaten aus einer breiten Palette pflanzlichen Zuckers hergestellt werden. Beispielsweise haben Rübenzucker, Rohrzucker und Maisstärke, Zellulosezucker aus Bagasse, Maisstroh, Gräsern, Sorghum und Holz sowie andere lösliche Kohlenhydrate das Potenzial, als SAK-Ausgangsstoff zu dienen.
Die Ausgangstoffe werden zunächst gereinigt, bevor sie einem Hydrierungsprozess unterzogen werden, der die Zucker stabilisiert. Anschließend wird mittels Hydrodeoxygenierung (HDO) der Sauerstoffgehalt gesenkt, bevor in einem Säurekondensationsschritt das Aromatengemisch entsteht. Die Eigenschaften des daraus resultierenden SAK mit weniger polynuklearen Aromaten bedeuten, dass dieses Drop-in-SAF sauberer verbrennt als herkömmlicher Düsentreibstoff, weniger Partikelemissionen erzeugt und nicht zuletzt den Treibstoffverbrauch reduziert. Die in konventionellem Flugbenzin enthaltenen Aromaten tragen erheblich zu den bei der Verbrennung freigesetzten Feinstaubpartikeln bei. Bioform-SAK kann die Partikelemissionen auf diese Weise um bis zu 80 % reduzieren.
Aufbau einer SAF-Ökonomie
Dadurch dass das synthetisierte Aromatenkerosin die Verwendung von SAF als 100-prozentiges Drop-in-Produkt ermöglicht, eröffnet es einen Weg, die internationalen CO2-Reduktionsziele für 2030 bzw. 2050 zu erreichen. Es liefert die notwendigen Aromaten für Düsentreibstoff und kann mit vielen anderen SAFs gemischt werden, was die Umstellung von herkömmlichem Treibstoff auf nachhaltige Alternativen beschleunigt, die mit der aktuellen Luftfahrttechnologie kompatibel sind. Die Demonstrationsflüge haben zudem gezeigt, dass SAK als „Normalisator“ dienen kann, der sicherstellt, dass unterschiedliche SAF-Mischungen innerhalb der Spezifikationen liegen und die Leistungskriterien der Luftfahrtindustrie erfüllen.
Parallel zu staatlichen Initiativen zur Steigerung des SAF-Anteils im Flugbenzin könnte SAK als Katalysator für eine schnellere Steigerung der SAF-Produktionsmengen dienen und die Industrie somit in die Lage versetzen, ihre Ziele der Dekarbonisierung zu erreichen – und das ohne die Infrastruktur oder die Motorentechnik ändern zu müssen.
Potenzial jenseits der Luftfahrt
Bei Bioformate handelt es sich um eine Mischung aus chemischen Komponenten, die auch in anderen Industriebranchen zur Herstellung vielfältiger Endprodukte verwendet werden kann – beispielsweise Bio-Benzin und Bio-BTX (Benzol-Toluol-Xylol), wie es bei der Produktion zahlreicher Produkte wie Arzneimittel, Polymere, Textilien und Beschichtungen zum Einsatz kommt. Somit könnte das neue Verfahren einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung auch des Straßenverkehrs und der Herstellung weiterer Produkte leisten, auf die wir weltweit angewiesen sind.