
In Hessen saßen sich 2022 bundesweit erstmals Gewerkschaft und Arbeitgeber gegenüber. (Bild: IG BCE)
Update, 11. März 2022: Inzwischen haben weitere regionale Verhandlungsrunden stattgefunden. Zu den Ergebnissen der aktuellen Gespräche in den Tarifbezirken Nordrhein, Nord, Baden-Württemberg und Bayern lesen Sie hier unseren Update-Artikel.
Gestartet waren die Tarifverhandlungen am Mittwoch, 2. März, in Hessen. Wie zu erwarten, war der erste Verhandlungstag dabei geprägt von einer intensiven Debatte über die wirtschaftliche Lage und die zukünftigen Herausforderungen. Die Tarifparteien haben hier eine deutlich unterschiedliche Einschätzung der Situation der Chemieindustrie. Die Gewerkschaft fordert unter anderem höhere Löhne und Nachtzuschläge – weitere Details finden Sie hier:
Die Forderungen der Chemiegewerkschaft in Bildern

Die Chemie-Tarifverhandlungen betreffen deutschlandweit rund 580.000 Beschäftigte in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Die Gespräche zwischen der Gewerkschaft und den Arbeitgebern sind am 2. März zunächst auf regionaler Ebene gestartet, am 21. März wird in Hannover erstmals auf Bundesebene verhandelt. (Bild: IG BCE)

Ins Zentrum ihrer Forderungen hat die Chemiegewerkschaft die Erhöhung der Löhne und Gehälter sowie der Ausbildungsvergütungen gestellt. Angesichts des Fachkräftemangels seien Investitionen ins Personal im ureigenen Interesse der Chemiebetriebe. "Sie brauchen dringend eine Investitionsoffensive – mit Blick auf ihre Attraktivität als Arbeitgeber, die Wertschätzung ihrer Beschäftigten, die Nachwuchsarbeit“, sagte der stellvertretende IGBCE-Vorsitzende Ralf Sikorski. (Bild: K.-U. Häßler – stock.adobe.com)

Eine genaue Zahl, um wieviel die Entgelte steigen sollen, nennt die Gewerkschaft nicht. Da die Beschäftigten wie der Rest der Bevölkerung derzeit von der hohen Inflation betroffen ist, müsse aber am Ende "ein Plus oberhalb der Teuerungsrate" stehen. Die Inflationsrate in Deutschland lag im Januar 2022 bei 4,9 % (im Vergleich zum Vorjahr). (Bild: sewcream – stock.adobe.com)

Gefordert wird außerdem eine Erhöhung der Schichtzuschläge für die Beschäftigten in Nachtschichten auf einheitlich 25 %. „Es waren die Schichtarbeiter, die in der Pandemie 24/7 den Laden am Laufen gehalten haben, während ihre Vorstände im Homeoffice arbeiten konnten“, so Gewerkschaftsfunktionär Sikorski. Heute sei Schichtarbeit für junge Menschen unattraktiver denn je. „Wir müssen und werden das ändern.“ (Bild: Thorsten Frisch – stock.adobe.com)

Die Attraktivität des Arbeitsplatzes steht auch beim Thema "mobile Arbeit" und Homeoffice im Vordergrund. Die Arbeitswelt werde sich in den nächsten Jahren "massiv verändern", glaubt die Chemiegewerkschaft. Daher bedürfe es klarer tariflicher Leitplanken für betriebliche Vereinbarungen, "damit wir für die gesamte Branche zu einheitlichen Qualitätsanforderungen an gute mobile Arbeit kommen". (Bild: Jürgen Fälchle – stock.adobe.com)

Eine weitere wichtige Forderung betrifft die Ausbildung. In der Corona-Krise hatten zudem viele Chemieunternehmen ihre Ausbildungsanstrengungen zurückgefahren, so die Gewerkschaft. Das sei "ein falsches Signal an die junge Generation". Die IGBCE will deshalb neue Fördermöglichkeiten zur Ausbildung Jugendlicher schaffen. (Bild: industrieblick – stock.adobe.com)

Ihre Forderungen stützt die Gewerkschaft auf die Beobachtung, dass die wirtschaftliche Situation der Chemie- und Pharmabranche positiv sei. In einer Umfrage gaben 78 % der befragten Beschäftigten an, ihrem Arbeitgeber gehe es gut bis glänzend. (Bild: IG BCE)

Die Arbeitgeber sehen dies naturgemäß anders. Trotz der deutlichen Erholung der letzten Monate liege die Produktion der chemisch-pharmazeutischen Industrie nach Rezessionsverlusten und Corona-Krise noch nicht wieder auf Wachstumskurs, erklärte etwa der Hauptgeschäftsführer der Chemie-Arbeitgeber Westfalen Dirk W. Erlhöfer. Außerdem seien die Betriebe „flächendeckend durch massiv gestiegene Energie- und Rohstoffkosten sowie Logistikprobleme belastet“. Die Arbeitgeberverbände weisen die Forderungen der IG BCE daher als „teures Überraschungspaket“ weitgehend zurück. (Bild: wsf-f – stock.adobe.com)
Die Arbeitgeber lehnen die Forderungen ab und verweisen auf hohe Kosten der anstehenden Transformation in der Branche sowie bereits vor der Ukraine-Krise stark gestiegene Energie-, Rohstoff- und Materialkosten. Die Chemiegewerkschaft IG BCE geht dagegen von einer deutlich besseren Ertragslage der Chemieunternehmen ausgeht. „Die Position der Arbeitgeber ist für uns unverständlich“, sagte die hessische Verhandlungsführerin Sabine Süpke. Einig wurde man sich daher nicht: Die Gespräche gingen „ohne Ergebnis“ zu Ende.
Auch in Rheinland-Pfalz keine Annäherung
Auch in Rheinland-Pfalz brachten die dreistündigen Verhandlungen keine Annäherung zwischen den Chemie-Tarifparteien. „Die Branche hat die Pandemie insgesamt schnell hinter sich gelassen. Mehr noch: Wir liegen wieder auf Vor-Corona-Niveau“, begründete Tatjana Diether, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei der BASF. Die IG BCE sieht daher keinen Grund, von ihren beschlossenen Forderungen abzurücken. Die Arbeitgeberseite verwies dagegen darauf, dass die rheinland-pfälzische Chemie 2021 weniger produziert habe als 2018.
Überschattet waren alle Gespräche dabei vom Krieg in der Ukraine. „Es ist unfassbar, was sich in der Ukraine abspielt“, erklärte Hendrik Müller, Verhandlungsführer der Arbeitgeber in Rheinland-Pfalz. Es falle schwer, in der jetzigen Situation über Wirtschaft und höhere Löhne zu sprechen. Auch die Verhandlungsführerin der Gewerkschaft in Hessen, Sabine Süpke, zeigte sich betroffen von den Ereignissen. „Entscheidend ist jetzt, an der Seite der Menschen in der Ukraine zu stehen – für Frieden und Freiheit in ihrem Land und in ganz Europa“, sagte sie.
Bei den Tarifverhandlungen in der Chemieindustrie folgen in den nächsten zwei Wochen weitere regionale Runden, am 21. März starten dann in Hannover die Gespräche auf Bundesebene.
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