In der Natur gibt es Mikroorganismen, die Wasserstoff produzieren. Dazu nutzen sie spezielle Enzyme, die sogenannten Hydrogenasen. „Das besondere an den Hydrogenasen ist, dass sie den Wasserstoff katalytisch erzeugen. Anders als bei der Elektrolyse, wie sie industriell meist mit einem teuren Platinkatalysator betrieben wird, verwenden die Mikroorganismen Eisen-Ionen“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Weigand vom Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Universität Jena. „Als Energieträger ist Wasserstoff natürlich hochinteressant. Deshalb wollen wir verstehen, wie dieser katalytische Vorgang genau abläuft“, ergänzt Weigand. Wie wichtig Wasserstoff in der Zukunft werden könnte, lesen Sie übrigens auch in unserem Faktencheck.
In den vergangenen Jahren wurden zwar weltweit schon zahlreiche Verbindungen hergestellt, die den in der Natur vorkommenden Hydrogenasen chemisch nachempfunden sind. In einer Kooperation mit der Universität Mailand haben Weigand und sein Jenaer Team nun jedoch eine Verbindung hergestellt, die ganz neue Erkenntnisse über den Katalyse-Prozess hervorbrachte. „Unser Modell basiert wie in der Natur auf einem Molekül, das zwei Eisen-Atome enthält. Im Vergleich zur natürlichen Form haben wir aber die chemische Umgebung des Eisens gezielt verändert. Genauer gesagt, wurde ein sogenanntes Amin durch ein Phosphin-Oxid ersetzt, das chemisch ähnliche Eigenschaften hat. Wir haben also das Element Phosphor ins Spiel gebracht.“
Detaillierte Einblicke in die elektrokatalytische Wasserstoffbildung
Dadurch konnte das Team um Weigand den Ablauf der Wasserstoffbildung genauer verstehen. Wasser besteht aus positiv geladenen Protonen und negativ geladenen Hydroxid-Ionen. „Unser Ziel war es zu verstehen, wie aus diesen Protonen Wasserstoff wird. Der Protonen-Lieferant in unseren Experimenten war jedoch kein Wasser, sondern eine Säure“, beschreibt Weigand die Arbeit. „Wir konnten beobachten, dass das Proton der Säure auf das Phosphin-Oxid unserer Verbindung übertragen wird. An dieser Stelle würde sich auch das Proton von Wasser in der natürlichen Variante des Moleküls befinden“, ergänzt er. Um die positive Ladung des Protons auszugleichen und letztlich Wasserstoff zu produzieren, wurden negativ geladene Elektronen in Form von elektrischem Strom zugeführt. Mithilfe der sogenannten Cyclovoltammetrie und einer an der Universität Jena entwickelten Simulationssoftware wurden dabei die einzelnen Schritte untersucht, in denen schließlich diese Protonen zu freiem Wasserstoff umgewandelt wurden. „Tatsächlich konnten wir während des Versuchs sehen, wie das Wasserstoffgas aus der Lösung in kleinen Bläschen aufstieg“, ergänzt der Chemiker.
„Die experimentellen Messdaten aus der Cyclovoltammetrie und die Simulationsergebnisse wurden anschließend vom Forschungsteam in Mailand für quantenmechanische Rechnungen verwendet“, fährt Weigand fort. „Dadurch konnten wir einen plausiblen Mechanismus vorschlagen, wie die gesamte Reaktion chemisch abläuft, die den Wasserstoff erzeugt – und zwar für jeden einzelnen Reaktionsschritt. Das gab es in dieser Genauigkeit bisher noch nicht.“ Die Ergebnisse und den vorgeschlagenen Reaktionsweg veröffentlichte die Gruppe im renommierten Fachmagazin „ACS Catalysis“.
Das Ziel: Wasserstoff durch Sonnenenergie
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen möchten Weigand und sein Team nun neue Verbindungen herstellen, die Wasserstoff nicht nur energieeffizient produzieren können, sondern nachhaltige Energiequellen dafür nutzen. „Das Ziel des Transregio-Sonderforschungsbereiches 234 „Catalight“, zu dessen Arbeit diese Forschung gehört, ist die Produktion von Wasserstoff durch Wasserspaltung mithilfe von Sonnenlicht“, führt Weigand aus. „Mit dem Wissen, das durch unsere Forschung gewonnen wurde, arbeiten wir nun daran, neue Katalysatoren auf der Basis der Hydrogenasen zu designen und zu untersuchen, die letztendlich mithilfe von Lichtenergie aktiviert werden.“ Die wichtige Rolle von Katalysatoren zeigt auch ein aktuelles Forschungsprojekt zur Herstellung von Ameisensäure aus CO2.
Die Wasserstoff-Produktion durch Mikroorganismen ist aber derzeit noch weitgehend Zukunftsmusik. Welche Wege die weltweit größten Projekte zur industriellen Wasserstoff-Erzeugung gehen, lesen Sie bei den Kollegen der Fachzeitung Produktion.