Der parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung,Mario Brandenburg (FDP) und die südostbayerische FDP-Heimatabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht haben sich in der vergangenen Woche mit hochrangigen Vertretern der bayerischen Chemieindustrie im Deutschen Bundestag in Berlin ausgetauscht. Anlass des Austausches waren unter anderem die Auswirkungen eines europäischen PFAS-Verbotes auf das bayerische Chemiedreieck. Insbesondere die vor diesem Hintergrund geplante Stilllegung des Produktionsstandortes von Dyneon im Industriepark Gendorf bewegt derzeit die Branchenvertreter. Mutterkonzern 3M will das Werk mit 700 Mitarbeitenden bis Ende 2025 schließen. Die Initiative Chemdelta Bavaria vertritt 18 der rund 30 im Chemiepark Gendorf ansässigen Unternehmen.
Staatssekretär Brandeburg versprach, sich eingehend mit den weiteren beteiligten Ressorts auszutauschen, um in einen zielführenden Dialog mit allen Beteiligten zu treten. "Der Schutz von Mensch und Umwelt kann Hand in Hand mit dem technologischen Fortschritt gehen", zeigte sich Brandenburg überzeugt. Das versicherten auch die Vertreter von Chemdelta Bavaria. Die Initiative sieht infolge der Ankündigung der amerikanischen Muttergesellschaft 3M, den Dyneon-Betrieb komplett einzustellen, große Risiken für die Region wie für den Industriestandort Deutschland. Aufgrund der Verbundstruktur des Chemieparks wären auch weitere Unternehmen vor Ort von einem Wegfall der Dyneon-Produkte betroffen. Wer wo in Deutschland PFAS produziert oder verarbeitet sowie weitere Details zu dieser Stoffklasse der "Ewigkeitschemikalien" finden Sie in diesem Überblick.
Unabdingbare Grundlage für Industrieprozesse
Am 13.1.2023 ist ein Vorschlag nationaler Behörden mehrerer europäischer Länder (darunter auch Deutschland) zur Beschränkung der vollständigen Gruppe der PFAS bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingegangen. Die Forderung umfasst ein Verbot der Herstellung, des Inverkehrbringens und der Verwendung von PFAS innerhalb der EU bis 2025. Politik und Unternehmensvertreter waren sich einig, dass vor einem endgültigen Regelungs- und Verbotsverfahren, noch umfangreiche Prüf- und Konsultationsverfahren anstehen. Das Gespräch machte deutlich, dass gerade der Standort im Chemiedreieck in diesem Bereich technologischer Vorreiter ist, auch in Bezug auf den umweltgerechten Umgang mit diesen Stoffen. Aufgrund ihrer schweren Abbaubarkeit verbleiben PFAS lange in der Umwelt und können sich im Boden, im Grundwasser und in der gesamten Nahrungskette anreichern. Umso wichtiger erscheint ein verantwortungsvoller und sicherer Umgang mit diesen Stoffen, der in der modernen Produktionsanlage von Dyneon gegeben sei.
PFAS seien eine unabdingbare Grundlage für zahlreiche Industrieprozesse - nicht nur in Bayern, sondern auf der ganzen Welt, hieß es. Derzeit stellen diese Stoffe noch Schlüsselkomponenten in der Batterieherstellung, in Brennstoffzellen oder bei der Gewinnung von Wasserstoff dar - allesamt kritische Technologien für die Energiewende und die Sicherung der technologischen Souveränität Deutschlands und der EU. Aus Sicht der am Gespräch teilnehmenden Unternehmensvertreter stehen für diese Anwendungen derzeit noch keine geeigneten PFAS-Ersatzstoffe zur Verfügung. Dieser Umstand könne im Rahmen der Europäischen Chemikalienverordnung (REACH) in Form von Ausnahmeregelungen im Falle von "gesamtgesellschaftlich unabdingbaren" Anwendungen (sog. essential use) berücksichtigt werden, um auf diese Weise der Industrie mehr Zeit zu verschaffen, bis geeignete und umweltfreundlichere Alternativen zur Verfügung stehen.
Der technologische Vorsprung des Wirtschafts - und Wissenschaftsstandortes Bayerns und Deutschlands dürfe nach Ansicht der FDP-Heimatabgeordneten Sandra Bubendorfer-Licht (Ampfing) nicht sehenden Auges aufgrund eines ideologisch motivierten Verbotsverfahrens leichtfertig aus den Händen gegeben werden. "Es wird noch viel Wasser den Inn und die Salzach hinunterfließen. Es müssen noch eingehende Prüfungen stattfinden, bevor es zu konkreten Verbotsszenarien kommt." Es sei daher wichtig, dass Unternehmen und Politik gemeinsam frühzeitig in den Austausch treten und die betroffenen Unternehmen, sich rege am öffentlichen Konsultationsverfahren der ECHA beteiligen, das Mitte März 2023 beginnt. "Ich werde mich gemeinsam mit weiteren bayerischen Bundestagsabgeordneten für einen Schutz der Technologie im Chemiedreieck stark machen", sagte Bubendorfer-Licht.
Außer der anstehenden PFAS-Regulierung und der drohenden Stillegung von Dyneon diskutierten die Politik- und Industrie-Vertreter die Förderung des Wasserstoff-Reallabors in Burghausen. "Schlüsseltechnologie der Energiewende ist die Nutzung von Wasserstoff", sagte Staatssekretär Brandenburg. Im Zuge der Nationalen Wasserstoffstrategie sei es Ziel, eine langfristig angelegte Forschungs- und Innovationsförderung entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Wasserstoff - von der Erzeugung über die Speicherung, den Transport und die Verteilung bis hin zur Anwendung - Fortschritte in der Energiewende zu erzielen. Der Förderbescheid des Bundesforschungsministeriums in Höhe von 39 Mio. Euro soll Mitte März 2023 übergeben werden.
Erklärtes Ziel ist es, mit dem geplanten Wasserstoff-Reallabor Burghausen zusammen mit Chemdelta Bavaria die klimaneutrale Transformation der chemischen Industrie zu unterstützen. Damit sollen durch die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger und potentielle Basis zusätzliche und neue Ausgangsstoffe für die Chemie entstehen. Im bayerischen Chemiedreieck erwirtschaften die rund 30 angesiedelten Unternehmen mit ihren über 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jährlich ein Umsatzvolumen von rund 10 Mrd. Euro.