Mehrere Menschen stehen sich gegenüber und schreien sich mit wutverzerrten Gesichtern an, über ihnen wehen die Flaggen der EU und der USA.

(Bild: KI-generiert mit Dall-E3 / OpenAI)

„Der US-Präsident hat der Weltwirtschaft einen weiteren Tiefschlag verpasst", kommentiert der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie, Wolfgang Große Entrup, die umfangreichen Zollankündigungen. Donald Trump habe damit eine neue Ära des Welthandels eingeläutet und die Abkopplung der USA von der Weltwirtschaft vorangetrieben, bewertet der Branchenverband.

Große Entrup hebt hervor: „Wir bedauern die Entscheidung der US-Regierung. Jetzt gilt es für alle Beteiligten, einen kühlen Kopf zu bewahren. Die USA sind ein zentraler Wirtschaftspartner für Deutschland und werden es auch bleiben. Eine Eskalationsspirale würde den Schaden nur vergrößern. Unser Land darf nicht zum Spielball eines ausufernden Handelskrieges werden. Brüssel muss im engen Dialog mit Washington bleiben. Berlin muss dazu beitragen, dass Brüssel mit einer Stimme für die EU spricht. Europa braucht ein starkes Mandat, auch im Interesse der deutschen Industrie. Das Ziel muss eine beidseitig faire Lösung sein – für Europa und die USA.“

"EU wiegt schwerer als die Summe ihrer 27 Teile"

Im Hinblick auf die Reaktion der EU mahnt Große Entrup zur Vorsicht: „Klar, die EU darf nicht tatenlos die linke Wange hinhalten. Bei einer ausgewogenen Antwort dürfen wir uns aber nicht selbst schädigen. Die Chemie steht am Anfang aller hochwertigen Wertschöpfungsketten. Die richtige Balance aus angemessener Reaktion und möglicher Selbstschädigung ist die Herausforderung der Stunde. Und bei Medikamenten ist oberste Maxime, Nachteile für die Gesundheitsversorgung der EU-Bürger auszuschließen.“

Große Entrup schließt: „Handelskriege haben das Potenzial, die EU zu spalten. Zugleich gilt gerade bei Handelskonflikten: Die EU wiegt schwerer als die Summe ihrer 27 Teile. Daher müssen die EU-Staaten zusammenhalten und der Kommission den Rücken stärken. Betroffen von Trumps Ankündigungen ist die ganze Welt. Wichtig wäre daher bei allen Maßnahmen ein Schulterschluss der EU mit anderen betroffenen Partnern – bezüglich der US-Zölle und bei der Bewahrung der internationalen Handelsregeln.“

Auch der Verband der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer VDMA blickt besorgt auf die Zollankündigungen. "Die von US-Präsident Donald Trump angekündigten pauschalen Strafzölle von 20 Prozent auf alle Produkte aus der EU richten auf beiden Seiten des Atlantiks Schaden an", sagt VDMA-Präsident Bertram Kawlath. "Durch Strafzölle werden bilaterale Handelsprobleme nicht gelöst, sondern sie führen zu einer Spirale der Abschottung. Denn die EU wird wohl mit Gegenzöllen auf die US-Zölle reagieren." Laut einer Umfrage des Verbands erwarten rund 60 % seiner Mitglieder, stark oder sogar sehr stark von den US-Strafzöllen betroffen sein werden. Die genauen Auswirkungen auf die Branche seien aber derzeit noch schwer abzuschätzen. Kawlath betonte außerdem, dass amerikanische Untenrnehmen bei bestimmten Schlüsseltechnologien auf Anbieter von Maschinen und Anlagen aus dem Ausland zurückgreifen: "Hier stehen seit Jahrzehnten die deutschen und europäischen Maschinenbauunternehmen als zuverlässige Lieferanten zur Verfügung."

Wie kommen die US-Strafzölle zustande?

Die von US-Präsident Trump verkündeten Strafzölle sind die mit Abstand höchsten Zölle, welche die USA je erhoben haben. Sie richten sich nicht nur gegen die EU, sondern in unterschiedlicher Höhe gegen praktisch alle Staaten, die Waren in die USA exportieren. Die Höhe der erhobenen "Vergeltungszölle" ist dabei nicht vollständig willkürlich gewählt, sondern folgt einer Rechnung, die auf dem Handelsdefizit der USA mit dem jeweiligen Staat basiert. Teilt man beispielsweise den Wert der von den USA in die EU exportierten Waren, durch den in Gegenrichtung verschifften Warenwert, erhält man ein Verhältnis von 0,39 oder 39 %. Diesen Wert unterstellt Trump der EU drastisch vereinfacht als "erhobene Zölle". Die im Gegenzug erhobenen Strafzölle entsprechen dem laut Trump "fairen", aufgerundetem halben Wert, also 20 % gegen die EU. Gegen Staaten, die selbst ein Handelsdefizit gegenüber den USA aufweisen, beträgt der Mindestwert der erhobenen Zölle 10 %. Nicht nur die Höhe der Zölle an sich, auch diese Methode der Berechnung und Erhebung ist unter Ökonomen mindestens umstritten und sträflich stark vereinfacht. "Eine rein bilanzbezogene Sichtweise greift zu kurz und birgt erhebliche Risiken für die globale Wirtschaftsordnung", erklärt beispielsweise Dr. Stephan Hofstetter, Partner Kloepfel Consulting Schweiz.

Fakten des VCI zum Handel der Chemieindustrie mit den USA

  • Die USA sind der wichtigste Handelspartner außerhalb der EU. Im Länderranking kommen die USA auf Platz 3 nach den Niederlanden und Frankreich.
  • Die deutschen Exporte chemischer Erzeugnisse in die USA beliefen sich im Jahr 2024 auf Waren im Wert von 10,2 Mrd. Euro.
  • Die deutschen Pharmaexporte hatten 2024 sogar einen Wert von 27,9 Mrd. Euro und sind damit für fast Dreiviertel aller chemisch-pharmazeutischen Exporte aus Deutschland in die USA verantwortlich.
  • Die deutsche Chemie ist bereits stark in den USA vertreten: Laut der Bundesbank gibt es 128 Chemie-Tochterunternehmen deutscher Firmen mit 53.000 Beschäftigten, die einen Umsatz von 65 Mrd. Euro erwirtschaften. Der tatsächliche Wert dürfte darüber liegen.

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