Die Vermeidung, Verwertung, energetische Nutzung und sichere Beseitigung von Abfällen sind wesentliche Bestandteile einer modernen Kreislaufwirtschaft: Stoffkreisläufe sollen möglichst geschlossen und Schadstoffe ausgeschleust werden, damit Abfälle als Sekundärrohstoffe der Wirtschaft wieder zur Verfügung stehen. Denn eines ist sicher: Abfälle sind wertvolle Rohstoffe, die effektiv genutzt werden können, um natürliche Ressourcen zu schonen. Hier kommen jetzt die großen 5Rs ins Spiel: Reduce, Re-Use, Repair, Remanufacturing und Recycling. In erster Linie gilt es also, Produkte technischer Art so lange wie möglich im Kreislauf zu halten. Dazu müssen Unternehmen ihre Produkte allerdings überdenken - und zwar schon in ihrer Entstehung - und damit die Konstruktion langlebiger Produkte in den Fokus rücken.
Kreislaufwirtschaft reduziert Abhängigkeiten
Wie wichtig das Thema für unsere Volkswirtschaft im allgemeinen und für unsere Industrie im speziellen gerade vor dem Hintergrund globaler, gesellschaftspolitischer Ereignisse ist, wissen auch die Autoren des vom VDMA im Januar 2024 herausgegebenen und von insgesamt 15 Verbänden, Vereinen und Unternehmen unterstützten und inhaltlich begleiteten Statusbericht der deutschen Kreislaufwirtschaft 2024, in dem es heißt: „Seit der ersten Veröffentlichung - des Statusberichts, Anmerkung der Redaktion - im Mai des Jahres 2018 sind fast sechs Jahre vergangen. In diesem Zeitraum haben in Deutschland zwei Ereignisse für eine veränderte Sichtweise auf die Branche geführt: Zunächst die Corona-Krise, die nicht nur die Leistungs- und Anpassungsfähigkeit der Branche, sondern auch ihre Systemrelevanz für die Funktionsfähigkeit des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens unter Beweis gestellt hat. In diesem Zusammenhang ist seit Anfang des Jahres 2020 auch das Ansehen der Abfallentsorgung und vor allem der beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bevölkerung deutlich gestiegen.“
Der Angriffskrieg auf die Ukraine habe zudem vor Augen geführt, wie stark Deutschland von Energie- und Rohstoffimporten abhängig sei und wie schnell Störungen in den Lieferketten zu Problemen bei der Versorgung mit wichtigen Gütern führen könnten. „Die Abfallwirtschaft kann sowohl durch die Kreislaufführung von Rohstoffen als auch durch die energetische Verwertung wichtige Beiträge zur Reduzierung dieser Abhängigkeiten leisten“, heißt es dort weiter.
Kreislaufwirtschaft als enorme Chance
Für GEA, einem der weltweit größten Systemanbieter für die Nahrungsmittel-, Getränke- und Pharmaindustrie, ist die Einführung der Kreislaufwirtschaft einer der Hebel zur Umsetzung und Zielerreichung der eigenen Klima-strategie. „Mehr noch“, sagt Dr. Nadine Sterley, Chief Sustainability Officer von GEA. „Sie ist elementare Voraussetzung zu Net Zero. Dieses Ziel wollen wir bis 2040 erreichen. Je ressourcenschonender wir unsere Anlagen bauen, desto besser für unsere Klimabilanz. Kreislaufwirtschaft bedeutet aber auch, den gesamten Lebenszyklus unserer Anlagen zu optimieren und entsprechend zu verlängern.“ Für GEA liegt also in der Kreislaufwirtschaft eine große Chance, den Übergang in eine nachhaltige und klimaneutrale Zukunft zu beschleunigen. Im ersten Schritt bedeutet das konkret: Bis Ende 2026 müssen Ersatzteile und Verpackungsmaterialien für GEA-Produkte eines der 5R der Kreislaufwirtschaft erfüllen. „Unser Ansatz basiert auf den Prinzipien Reduce, Re-Use, Repair, Remanufacture und Recycle“, so Dr. Nadine Sterley. „Bestehende Materialien und Produkte werden so lange wie möglich geteilt, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet oder recycelt.“ Konkrete Beispiele dafür liefert die Business Unit ‚Separation‘. Hier sind bereits heute 90 % der Service- und Ersatzteile kreislauffähig. Die Business Unit ‚Pharma‘ hat beispielsweise Dämpfungselemente für Tablettenpressen entwickelt, die aus gebrauchten Autoreifen gewonnen werden. „Darüber hinaus bieten wir beispielsweise schon heute Anlagen an, die nachweisbar ressourcenschonender arbeiten als ihr Vorgängermodell“, erläutert Dr. Nadine Sterley. „Wir kennzeichnen diese mit unserem vom TÜV-validierten Add Better-Label. Damit können unsere Kunden ihre Investitionsentscheidungen auf einer sicheren und einfachen Informationsgrundlage treffen.“
Innovationen schließen Kreisläufe
Auch die Voith Group mit den Konzernbereichen Voith Hydro, Voith Paper und Voith Turbo hat das Prinzip der Kreislaufwirtschaft im Fokus, dazu Matthias Steybe, Vice President Corporate Sustainability, Voith Group: „Bei allem, was wir tun, streben wir danach, mit Ressourcen verantwortungsvoll zu wirtschaften, Umweltrisiken zu minimieren und einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Das beinhaltet den effizienten Einsatz von Materialien und Rohstoffen im Sinne der Kreislaufwirtschaft in all unseren Produktionsprozessen.“ Darüber hinaus setzt Voith gezielt auf die Entwicklung von Innovationen, die zum Schließen von Kreisläufen in den eigenen Industrien beitragen, und so das Prinzip der Kreislaufwirtschaft fördern.
GEA und Voith zeigen stellvertretend wie Unternehmen heute vermehrt auf die Kreislaufwirtschaft setzen, getrieben von vielfältigen Beweggründen, etwa Ressourceneffizienz im Sinne von Reduce. Sie bietet nicht nur die Chance zur Kosteneinsparung, sondern zielt auch auf die Reduktion von CO2-Emissionen ab, insbesondere durch optimierte Produktgestaltung und zum Beispiel den Einsatz von wiederaufbereitetem Material durch Recycling. Das Engagement für die Kreislaufwirtschaft spiegelt so auch die unternehmerische Verantwortung für Nachhaltigkeit und Umweltschutz wider. Mit dieser strategischen Ausrichtung begegnen Unternehmen den Herausforderungen wie Verknappung von Ressourcen, veränderten Verbraucherbedürfnissen, legislativen Neuerungen zum Beispiel aus dem European Green Deal und der Notwendigkeit zur Innovation.
Recyclinganteil der Materialien maximieren
So nimmt das Thema Kreislaufwirtschaft auch beim Getriebehersteller Flender einen zentralen Stellenwert ein und ist integraler Bestandteil der Corporate-Social-Responsibility-Strategie. „Bei Flender verfolgen wir einen umfassenden Ansatz der R-Strategien zur Kreislaufwirtschaft, der End-to-End sämtliche Aspekte von der Materialbeschaffung bis zum Lebensende unserer Produkte umfasst“, sagt Kimberley ten Broeke, Head of CSR, Flender GmbH. „Unser Verständnis dieses Konzepts ist durch einen klaren Prozess geprägt: Angefangen beim Abbau und der Herstellung von Rohstoffen, werden diese bereits mit recycelten Materialien ergänzt. Dieses Material wird dann in unserer eigenen Wertschöpfung weiterverarbeitet oder fertig zugekauft, während anfallende Reste und Ausschuss als Schrott verwertet werden. Das Endprodukt wird montiert und verkauft.“
Das ist bei Flender zugleich der Zeitpunkt, an dem die Use-Phase beginnt und das Unternehmen durch Servicedienstleistungen - etwa Repair und Remanufacturing - mithilfe eines globalen Netzwerks an lokalen Reparaturzentren und digitaler Sensorik den Lebenszyklus des Produktes verlängert. Die Reparierbarkeit der Flender-Produkte ist dabei ein zentrales Anliegen, weshalb bereits bei der Entwicklung der Produkte eine enge Kommunikation zwischen den Abteilungen Engineering und Service stattfindet. Am Ende der Nutzungsdauer gewährleisten zertifizierte Entsorgungsunternehmen eine fachgerechte Trennung und Recycling der Materialien. „Auf diese Weise werden die recycelten Materialien wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt, um den Prozess von neuem anzustoßen. Insgesamt streben wir bei Flender danach, den Recyclinganteil unserer Materialien in unseren Produkten, soweit möglich, zu maximieren“, so Kimberley ten Broeke weiter.
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Modernisierung kostengünstiger als Neubau
Für Voith ist industrielle Nachhaltigkeit gar Geschäftsmodell, dazu Matthias Steybe: „Hierfür bieten wir unseren Kunden Lösungen an, die sie dabei unterstützen, ihre Ressourcen effizienter zu nutzen und gleichzeitig Umweltauswirkungen zu reduzieren.“ Um die Kreislaufwirtschaft auch bei den Kunden zu fördern, bietet Voith bereits heute zahlreiche Produkte und Lösungen, die verschiedene Anforderungen an zirkuläres Wirtschaften erfüllen, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen.
Unter dem Punkt ‚Reduce‘ hat sich Voith zum Ziel gesetzt, bis 2030 durch neue disruptive Technologien bis zu 90 % Frischwasser bei der Papierproduktion einsparen zu können. Das AquaLine Zero-Konzept bietet einen vollständig geschlossenen Wasserkreislauf für neue Anlagen. Mit dem Retrofit-Service – Re-Use – von Voith können Stadtbusse mit Verbrennungsmotoren in elektrisch betriebene Fahrzeuge umgewandelt werden, die mit dem Voith Electrical Drive System (VEDS) ausgestattet sind. Was nun die Sanierung, Überholung und Wartung von Wasserkraftwerken betrifft, so erweist sich für Voith die Modernisierung bestehender Anlagen im Vergleich zum Neubau als kostengünstiger, da 80 % der Kosten für neue Wasserkraftprojekte baubedingt sind.
„Die Kreislaufwirtschaft bietet eine Win-Win-Situation“, meint Dr. Nadine Sterley. „Durch optimierte Produktionsprozesse schonen wir Ressourcen und reduzieren unseren CO2-Ausstoß. Für uns bedeutet das, unserem eigenen Nachhaltigkeitsanspruch gerecht zu werden und unser Geschäft auf eine erfolgreiche und umweltverträgliche Zukunft auszurichten. Nicht zuletzt sehen wir darin für uns einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.“ Ähnliches gelte für die GEA-Kunden. „Genauso, wie wir vor- und nachgelagerte Prozesse betrachten, müssen auch sie das leisten, wenn sie auf eine nachhaltigere Produktion setzen. In ihrer Nachhaltigkeitsbetrachtung gehören unsere Anlagen zu ihrer Vorkette“, so Sterley.
Auch die Bemühungen von Flender im Bereich Kreislaufwirtschaft tragen sowohl zur nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens als auch zu einem Mehrwert für die Kundschaft bei. Durch die Optimierung interner Prozesse und Verkauf von Fertigungsspänen kann Flender Kosteneinsparungen realisieren. Besonders bemerkenswert ist der hohe Anteil von recyclingfähigen Materialien in den Produkten von Flender, der bei den Getrieben sogar 99 % erreicht. Allein diese Tatsache unterstreicht den bedeutenden Hebel eines Maschinenbauunternehmens wie Flender zur Kreislaufwirtschaft, dazu Kimberley ten Broeke: „Darüber hinaus profitiert unsere Kundschaft von effizienteren Produkten, die wiederum ihre Betriebskosten senken, sowie innovativen Technologien wie unserer AIQ-Sensorik. Diese ermöglicht nicht nur eine Last-Optimierung und damit den Betrieb von Flender-Produkten nahe dem optimalen Effizienzpunkt, sondern auch eine vorausschauende Wartung, die Ausfallzeiten minimiert.“
Nur die Zusammenarbeit führt zum Erfolg
Wie es ganz am Anfang der Kreislaufwirtschaft aussehen kann, also bei der Konstruktion (langlebiger) Produkte, weiß Voith-Manager Matthias Steybe: „Ein zirkuläres Geschäftsmodell, das auf Wiederverwertung und Langlebigkeit von Produkten setzt, ist nur dann erfolgreich, wenn es sowohl ökologisch als auch ökonomisch nachhaltig ist. Hier kommt es besonders auf die Arbeit unserer Ingenieurinnen und Ingenieure an. Sie müssen Produkte so gestalten, dass sie möglichst lange genutzt und am Ende ihres Lebenszyklus effektiv wiederverwertet oder entsorgt werden können. Diese Herausforderung lässt sich nur meistern, wenn alle Bereiche unseres Unternehmens – von der Entwicklung über die Produktion bis zum Vertrieb – eng zusammenarbeiten und gemeinsam nach Lösungen suchen.“
Für GEA ist es Ziel, den gesamten Produktentwicklungsprozess an ‚Design to Sustainability‘-Anforderungen auszurichten, dazu Dr. Nadine Sterley: „Bei GEA ist der Produktentwicklungsprozess daher bereits seit diesem Jahr an die ISO-Norm 45560 angelehnt, um das zirkuläre Produktdesign entwicklungsbegleitend messen zu können. Daraus folgt logischerweise, dass wir hier ganz konkrete Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit umsetzen und immer weiter verbessern können.“
Bei Flender spielt in der Produktentwicklung insbesondere der Aspekt ‚Reduce‘ eine zentrale Rolle, dazu Head of CSR, Kimberley ten Broeke: „Hierbei können wir Material einsparen und gleichzeitig die Drehmoment- und Leistungsdichte unserer Produkte erhöhen. Neben dem Gewicht eines Getriebes streben wir an, auch die Ölfüllmenge, welche zur Kühlung und Schmierung dient, zu reduzieren, was den Verbrauch fossiler Ressourcen messbar mindert. Zudem arbeiten wir an der Reduzierung von seltenen Erden und suchen nach Alternativen zu kritischen Materialien.“ Aber auch das Thema ‚Repair‘ wird bei der Konstruktion und Entwicklung berücksichtigt: „Bereits während des Entwicklungsprozesses wird eng mit dem Aftersales-Team zusammengearbeitet, um potenzielle Probleme im Servicefall zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln. Diese enge Zusammenarbeit gewährleistet, dass die Produkte von Flender leicht zugänglich und wartungsfreundlich sind“, sagt ten Broeke.
Sie ist sich zudem sicher, dass auch bei allen anderen Beteiligten wie Mitarbeiter, Partner oder Kunden der berühmten Hebel im Kopf umgelegt werden kann: „Die Veränderung des Mindsets hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft erfordert ein gezieltes Aufzeigen der oben genannten Vorteile, eine aktive Kommunikation an alle beteiligten Parteien und wird durch gesetzliche Initiativen wie der europäische Green Deal flankiert.“ Eine nachhaltige Kommunikationsstrategie sei unabdingbar, um Mitarbeitende und weitere Stakeholder davon zu begeistern.
Bewusststein auch beim Kunden schärfen
Zusätzlich kann eine Produkt- und Technologie-Roadmap dazu beitragen, künftige Ideen zu visualisieren und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen und Interessengruppen zu fördern. „Durch diesen Dialog können aufkommende Zweifel direkt angesprochen und ausgeräumt werden. Der enge Austausch zwischen Vertrieb und Kundschaft ist ebenfalls von großer Bedeutung, um zu vermitteln, dass nachhaltige Produkte genauso leistungsfähig sind wie ihre konventionellen Gegenstücke.“ Für Flender ist daher sehr wichtig, die Vorteile in Bezug auf Nachhaltigkeit, Größe und Gewicht klar zu kommunizieren und das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Umdenkens zu schärfen.
Bei GEA zeigt sich in dem Ansatz ‚Engineering for a better world‘ das gemeinsame Bestreben, „durch unsere Arbeit unseren Beitrag zu einer nachhaltigeren Zukunft zu leisten. Dementsprechend ziehen wir bei GEA alle gemeinsam an einem Strang“, sagt Dr. Nadine Sterley. Daher bezieht das Unternehmen beispielsweise Mitarbeitende aller Divisionen und verschiedener Bereiche in die Entwicklung von nachhaltigen Innovationen mit ein. „Vergangenes Jahr haben wir daher sogenannte Sustainathons durchgeführt. Hier haben interdisziplinäre Teams Ideen für disruptive und nachhaltige Lösungen zu konkreten Problemstellungen erarbeitet. Diese gelebte Unternehmenskultur bildet das Fundament unserer Klimastrategie“, ist Sterley überzeugt.
10. Engineering Summit
Bereits zum zehnten Mal veranstalten die VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau und Hüthig Medien / CHEMIE TECHNIK den Engineering Summit. Vom 1. bis 2. Oktober 2024 treffen sich auf der branchenübergreifenden Kommunikationsplattform Führungskräfte aus allen Segmenten des Anlagenbaus sowie Betreiber und Zulieferer. Dort werden strategische Fragestellungen, Herausforderungen und Chancen des Anlagenbaus thematisiert. In diesem Jahr stehen die Aspekte Agilität in volatilen Zeiten, Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, Produktivität und Nachwuchsgewinnung auf dem Programm. Nähere Informationen und Tickets unter www.engineering-summit.de