In Guben, Brandenburg, errichtet Rock Tech Lithium den ersten Lithiumkonverter seiner Art in Europa.

In Guben, Brandenburg, errichtet Rock Tech Lithium den ersten Lithiumkonverter seiner Art in Europa. (Bild: Rock Tech Lithium)

Frank Spellier, Head of Key Components & BOP Equipment, und Sabine Sanchez Ramirez, Dokumentenmanagerin, Rock Tech Lithium, erklären im Interview die Anforderungen und Lösungen in der digitalen Projekt-Dokumentation.
Frank Spellier, Head of Key Components & BOP Equipment, und Sabine Sanchez Ramirez, Dokumentenmanagerin, Rock Tech Lithium, erklären im Interview die Anforderungen und Lösungen in der digitalen Projekt-Dokumentation. (Bild: Rock Tech Lithium)

Lithium ist einer der wichtigsten Rohstoffe für die Herstellung von Autobatterien. Obwohl der Abbau dieses Rohstoffes größtenteils in Australien, Argentinien und Chile erfolgt, wird die Weiterverarbeitung zu batteriefähigem Lithiumhydroxid fast ausschließlich in China angestrebt. Rock Tech Lithium will dies ändern und baut derzeit in Guben, Brandenburg, den ersten europäischen Lithiumkonverter mit einer geplanten Kapazität von 24 kt/a, beginnend ab 2026. Frank Spellier, Head of Key Components & BOP Equipment, und Sabine Sanchez Ramirez, Dokumentenmanagerin, geben einen Einblick in die Herausforderungen hinsichtlich Kommunikation, Dokumentation und Rückverfolgung bei der Umsetzung dieses Bauprojekts.

Wie positioniert sich Rock Tech Lithium am deutschen und internationalen Markt?
Spellier: Wir wollen die Batterie- und Elektroautoindustrie mit dem kritischen Rohmaterial Lithium versorgen. Deshalb haben wir ein Team aus verschiedenen internationalen Experten zusammengestellt, das daran arbeitet, die zwei wichtigsten Engpässe in der Lieferkette zu überwinden: Rohstoffabbau und die Umwandlung in batteriefähiges Lithiumhydroxid. Von unserem eigenen kanadischen Mineralienprojekt, Georgia Lake, bis hin zu unserem ersten Konverter in Guben, Brandenburg, planen wir bis 2026 eine übergreifende Lieferkette zu etablieren.

In Georgia Lake, Kanada, fördert Rock Tech Lithium bereits Lithium als Ausgangsstoff (Modell der Anlage).
In Georgia Lake, Kanada, fördert Rock Tech Lithium bereits Lithium als Ausgangsstoff (Modell der Anlage). (Bild: Rock Tech Lithium)

Rock Tech Lithium hat das Ziel veröffentlicht, Materialgewinnung aus ausrangierten Batterien umzusetzen. Ist dies Teil der übergreifenden Lieferkette?
Spellier: Ab 2030 wollen wir rund die Hälfte des Materials aus recycelten Batterien nutzen. Wir hoffen, dass sich in Deutschland eine Industrie hierzu aufbaut, damit wir dieses Ziel auch erreichen können. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir uns in einer kritischen Rohstoffindustrie bewegen. Beim Abbau und danach gilt es verantwortungsvoll und schonend zu handeln und alles Material so oft wie möglich im Kreis zu führen.
Das spiegelt sich auch in Guben wider, wo wir alle Verarbeitungs- und Veredelungsschritte vom Mineral Spodumen bis hin zum fertigen batteriefähigen Lithiumhydroxid vereinen und auch recyceltes Lithium einsetzen wollen. Schließlich reden wir über rund 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid, genug für ungefähr 500.000 Elektroautos. Und da Lithiumhydroxid nur sehr kurz gelagert werden kann, ist Deutschland ein idealer Standort, um Kunden in kurzer Zeit und CO2-arm über ein Schienennetz zu erreichen.

Wir nehmen das mal als Aufruf an die deutsche Industrie. Welche Rolle und welche Aufgaben haben Sie bei diesem Projekt?
Spellier: Ich bin mit dafür verantwortlich, dass die mechanischen und maschinentechnischen Anlagenteile korrekt spezifiziert sind, richtig beschafft werden und zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung stehen. Zudem liegt es in meiner Verantwortung, die einzelnen Bauteile in die Gesamtanlage sicher zu integrieren – mit Berücksichtigung auf alle involvierten und angrenzenden Disziplinen. Es ist eine Mischung aus technischem Sachverstand und Projektmanagement.
Sanchez Ramirez: Als Dokumentenmanagerin kümmere ich mich um die Verwaltung der Dokumente sowie Workflows und Kommunikation und definiere die unterschiedlichen Prozesse hierzu. Ziel ist es, dass alle Projektteilnehmer mit den gleichen Standards der Dokumentenverwaltung und -übergabe arbeiten und diese einhalten. Dazu gehört es, den Projektfortschnitt zu überwachen und die Dokumentation nachzuverfolgen.

Lithiumerz ist der Ausgangspunkt für Lithiumhydroxid, einen wichtigen Bestandteil von Batterien für E-Autos.
Lithiumerz ist der Ausgangspunkt für Lithiumhydroxid, einen wichtigen Bestandteil von Batterien für E-Autos. (Bild: Rock Tech Lithium)

Für das Projekt in Guben haben Sie sich entschlossen, Ihre Prozesse digital zu unterstützen und ein Standard-DMS einzuführen. Können Sie uns Ihre Beweggründe hierfür erläutern?
Sanchez Ramirez: Dass wir für das Projekt ein gutes DMS brauchen und digitale Kommunikation und Rückverfolgbarkeit nötig sein wird, stand außer Frage. Es gab im Unternehmen auch die Möglichkeiten, auf Basis von Sharepoint eine Verwaltung zu organisieren, aber weil wir so viele komplexe Prozesse umsetzen müssen und auch mit sehr vielen Partnern in dem Projekt zusammenarbeiten, mit denen wir große Dateien austauschen, brauchten wir ein System, das diese Anforderungen bereits abdeckt.
Spellier: Wir planen zurzeit mit ca. 50 mechanischen Beschaffungspaketen. Dazu kommen Generalplaner, mehrere Baupartner aus Stahl- und Betonbau, Rohrleitungsbau, Montagefirmen für Mechanik und Elektrik, Behörden, Gutachter und weitere Dienstleister. Alle Parteien müssen miteinander verknüpft werden. Wenn man als Gedankenspiel mit fünf aktiven Mitspielern pro involvierter Partei rechnet, kommt man bereits auf über 300 beteiligte Akteure, plus die, die sporadisch zuarbeiten. Wir müssen also alle Akteure koordinieren und klar zuordnen. Nehmen wir das Beispiel der Kreiselpumpe. Ein Generalplaner macht eine verfahrenstechnische Auslegung und erstellt ein Datenblatt. Dieses muss revisions- und vertragssicher an einen Maschinenhersteller geschickt werden. Die Detailauslegung der Pumpe und mechanische und prozesstechnische Schnittstellen an den Pumpenstutzen werden daraus definiert. Diese Schnittstellen sind maßgeblich für Rohrleitungsbau, Fundamentbau, Stahlbau und Aufstellungsplanung. Das heißt, es sind verbindliche Daten, die klar kommuniziert werden müssen, und da darf es nicht zu Missverständnissen kommen. Sonst passen auf der Baustelle die Schnittstellen nicht zueinander. Es käme zu Anpassungen, Mehrkosten und Zeitverzügen. Das wollen wir vermeiden. Aktuell sind wir in der Planungsphase und können durch eine genaue, revisionssichere und vertragssichere Bereitstellung von Dokumenten und Information viele dieser möglichen Missverständnisse umgehen.

Warum haben Sie sich für die Einführung einer Standardlösung wie PIRS entschieden und nicht selbst etwas entwickelt?
Sanchez Ramirez: Wir hatten nicht die Zeit und auch nicht die personellen Ressourcen, selbst etwas aufzubauen. Zudem hatten wir als junges Unternehmen die Möglichkeit, durch die Einführung eines Standardtools unsere Prozesse besser an die Projektbedingungen anzupassen, viel schneller zu definieren und zu optimieren. Wir haben uns auch für PIRS entschieden, weil uns das DMS neben der Umsetzung der komplexen Prozesse die Möglichkeit bietet, die Kommunikation zu digitalisieren und E-Mails direkt im System zu verwalten. Besonders hinsichtlich der Dokumente ist dies eine absolute Grundvoraussetzung. Man muss immer wissen, was wann geschickt wurde und in PIRS ist dies mit den Transmittals immer gegeben.

Aber haben Sie trotzdem ausreichende Flexibilität, um Ihre Prozesse abzubilden?
Spellier: Wir haben im letzten Jahr mehrere Projektphasen durchlaufen mit verschiedenen Settings. Je nach Projektphase sind immer wieder unterschiedliche Partner einzubinden. So hat das Zusammentragen der Genehmigungsunterlagen andere Abläufe erfordert als das Zusammenarbeiten während der Konverter-Projektstudie. Wir erkennen diese unterschiedlichen Phasen, definieren unsere geänderte Anforderung und setzen uns mit unserem Softwaredienstleister Sobis an den Tisch. Erfahrungsgemäß erarbeiten wir so schnell eine Lösung, die kurzfristig umgesetzt werden kann. Wir können flexibel durch dieses komplexe Projektgeschäft gehen.

Sie arbeiten bei Ihrem Projekt sehr intensiv mit Externen zusammen. Wie haben Sie dies digital umgesetzt?
Sanchez Ramirez: Wir nutzen die PIRS-Portallösung. Das Portal ermöglicht es uns, unsere interne Verwaltung und die Dokumente, die an Externe gehen oder an uns übergeben werden, klar zu trennen. Zudem können wir sehr klar definieren, wer was bekommt. In der ersten Phase hatten wir primär den Anspruch, über die Portale Dokumente an unsere Partner zu übermitteln. In der aktuellen Phase hat sich der Informationsaustausch intensiviert, und es ist sehr hilfreich, dass unsere Partner auch direkt miteinander kommunizieren können. Wir als Auftraggeber haben trotzdem ein Auge darauf. Diese Transparenz und Nachvollziehbarkeit ist für uns sehr hilfreich.
Spellier: Wir arbeiten mit Generalplanern zusammen, die in unserem Auftrag mit unseren Lieferanten agieren. Über das System kann unser Generalplaner auch mit den Lieferanten kommunizieren und Daten austauschen. Und trotzdem haben wir zu jeder Zeit die Möglichkeit, aktuelle Daten einzusehen und auszuwerten.

Wie viele Parteien haben sie über Portale integriert?
Sanchez Ramirez: Aktuell haben wir 8 bis 10 sehr aktive Parteien, wo wir die Portale täglich für den Datenaustausch und die Kommunikation nutzen. Insgesamt haben wir 55 Portale, die in unterschiedlicher Intensität genutzt werden. Auch wenn eine Phase abgeschlossen ist, bleiben die Portale bestehen, weil wir die Informationsflüsse nachvollziehen wollen.
Spellier: Das Projekt ist sehr schnelllebig und ändert seine Anforderungen und Bedingungen. Aktuell finalisieren wir die sogenannte FEL3-Studie vor der Ausführungs- beziehungsweise Auslieferungsphase. Zwar sind Informations- und Datenaustausch noch überschaubar, aber wenn die Lieferaufträge abgewickelt werden, erwarten wir einen sehr starken Anstieg.

Sind Sie, was die Optimierung anbelangt, schon da, wo Sie hinwollten?
Spellier: Ich bin grundsätzlich der Überzeugung, dass wir immer optimieren können. Jetzt haben wir etwas etabliert, das funktioniert. Wenn wir in eine neue Phase übergehen mit anderen Mitspielern und Partnern, kann sich eine andere Anforderung ergeben. Wir werden kontinuierlich daran arbeiten müssen, werden Punkte erkennen, die nicht gut laufen, und das müssen wir dann besprechen und verbessern.
Sanchez Ramirez: Wir optimieren nicht nur, weil etwas nicht funktioniert oder besser funktionieren könnte. Eine kontinuierliche Anpassung des DMS und der damit digital begleiteten Prozesse ist durch das Projekt und die unterschiedlichen Phasen in der Projektabwicklung einfach vorgegeben. In jeder Phase haben wir andere Anforderungen und geänderte Prozesse. Das DMS muss sich daher mitentwickeln und adaptieren.

Engineering Summit 2023

Engineering Summit
(Bild: CHEMIE TECHNIK)

Der Engineering Summit ist die zentrale Networking-Veranstaltung des europäischen Anlagenbaus. Der Kongress wird vom 19. bis 20. September zum inzwischen neunten Mal stattfinden und dient als Plattform für den Austausch unter Führungskräften des Anlagenbaus. Auf dem kommenden Engineering Summit, der von der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau im VDMA sowie der CHEMIE TECHNIK gemeinschaftlich veranstaltet wird, werden Aspekte der Dekarbonisierung, Transformation der Energiesysteme sowie Aspekte der Anlagenbau-Ressourcen und Technologien im Vordergrund stehen. Veranstaltungsort ist Darmstadt. Weitere Informationen unter www.engineering-summit.de

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