
CCUS ist eine aufstrebende, aber stark wachsende Industrie. (Bild: KI-generiert mit Ideogram)
- CCUS-Technologien sind entscheidend für die Reduktion von CO₂-Emissionen, besonders in schwer zu dekarbonisierenden Industrien.
- Hohe Kosten und unsichere Rahmenbedingungen stellen große Herausforderungen für die breite Implementierung von CCUS dar, jedoch bieten Innovationen und Partnerschaften Potenzial für wirtschaftliche Lösungen.
- Die Implementierung von CCUS-Technologien erfordert enge Partnerschaften zwischen Anbietern und Auftraggebern.
Die Notwendigkeit zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen ist weltweit anerkannt, insbesondere im Hinblick auf das Erreichen der Ziele des Klima-Abkommens von Paris und der Begrenzung der globalen Erderwärmung auf 1,5 C°. Eine Schlüsseltechnologie in diesem Zusammenhang ist die CO₂-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) sowie die CO₂-Abscheidung und -Nutzung (Carbon Capture and Utilization, CCU). Diese Technologien bilden den Kern der wachsenden CCUS-Industrie, die jedoch vor erheblichen Herausforderungen steht.
Bedeutung von CCUS für die Energiewende
CO₂-Abscheidungstechnologien spielen eine zentrale Rolle, um die ambitionierten Dekarbonisierungsziele zu erreichen. Besonders in schwer zu dekarbonisierenden („hard-to-abate“) Sektoren wie der Zement-, Kalk- und Stahlindustrie sowie der Müllverbrennung ist die CO₂-Abscheidung oft die einzige praktikable Option zur Reduktion der Emissionen. Zwar bieten alternative Techniken wie mit grünem Strom elektrisch beheizte Brennöfen oder der Einsatz von Wasserstoff die Möglichkeit zur Dekarbonisierung auch dieser Industrien. Doch mindestens bis diese Technologien großtechnisch etabliert sind, ist CCUS eine unerlässliche Brückentechnologie.

Gleichzeitig sind neue Entwicklungen im Bereich der Power-to-X-Technologien (PtX) insbesondere in Verbindung mit grünem Wasserstoff eng mit der CCUS-Industrie verknüpft. Diese Technologien arbeiten idealerweise Hand in Hand, um sowohl CO₂ aus fossilen Quellen als auch biogene Emissionen aufzufangen und sinnvoll zu nutzen, erklärte Peter Blumenhofen im Rahmen des Vortrags „Carbon Capturing als Transformationstechnologie für Industrie und Anlagenbau“ auf dem diesjährigen Engineering Summit in Darmstadt. Blumenhofen ist als Director Commercial – Decarbonisation beim Anlagenbau-Unternehmen Technip Energies zuständig für die Dach- und Benelux-Regionen. Eine seiner Kernaussagen im Laufe des Vortrags war „Combination, not competition“: Beim Senken von Emissionen geht es nicht um „die beste“ Lösung. Stattdessen müssen verschiedene Sektoren und Technologien zusammenkommen, um die Herausforderung zu bewältigen.
Die Zahlen zeigen die Dimension dieser Herausforderung: Zwar lässt sich nur schwer abschätzen, wie hoch der Anteil der durch CCUS gesenkten Emissionen am insgesamt vermiedenen CO₂-Ausstoß ist. Schätzungen reichen von 8 bis 15 %. „Als konservatives Unternehmen haben wir acht Prozent angenommen“, erklärt Blumenhofen. Dies entspräche bis 2050 rund 6.000 Mio. t/a CO₂, die weltweit abgeschieden werden müssten, um die Klimaziele zu erreichen.
Der Weg dorthin sieht schwierig aus, eine erste Etappe auf dem Weg zur Netto-Null wären bis 2030 zu installierende Kapazitäten von 1.000 Mio. t/a CO₂-Abscheidung. Davon bereits aufgebaut und in Betrieb sind Stand Herbst 2024 nur 43 Mio. t/a. Allerdings sind zahlreiche CCUS-Projekte in verschiedenen Stadien der Entwicklung, derzeitige Schätzungen belaufen sich auf rund 726 Mio. t/a, die bis 2030 bereitstehen sollen. Das sind allerdings immer noch nur knappe drei Viertel der benötigten Menge.
Herausforderungen und Chancen der CCUS-Industrie
Was also hält die CCUS-Industrie davon ab, das Ziel doch noch zu erreichen? Die Implementierung von CO₂-Abscheidungstechnologien steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen, angefangen bei den hohen Kosten. Sowohl die Investitionskosten (Capex) als auch die Betriebskosten (Opex) sind in der Regel sehr hoch, was die Wirtschaftlichkeit von Projekten stark beeinträchtigt. Besonders am Anfang sind Förderungen und staatliche Unterstützung unverzichtbar. Die Finanzierung solcher Projekte bleibt jedoch eine zentrale Hürde. Ein weiteres Hindernis liegt in der Unklarheit über die zukünftigen regulatorischen Rahmenbedingungen. Ohne klare Standards und Anreize bleibt die Skalierung der CCUS-Technologien eingeschränkt. Auch der Zugang zu einer vollständigen Wertschöpfungskette, einschließlich des CO₂-Transports und der Speicherung, ist essenziell für die breite Implementierung dieser Technologien.
Trotz dieser Herausforderungen bietet die wachsende CCUS-Industrie auch bedeutende Chancen. Unternehmen haben die Möglichkeit, neue Märkte und Kunden zu erschließen – insbesondere in Industrien, die bisher nicht im Fokus standen. Die Entwicklung neuer, optimierter Technologien, die Reduktion der Kosten sowie die Zusammenarbeit mit strategischen Partnern sind Schlüsselfaktoren, um diesen Markt weiter voranzutreiben. Als Beispiel nennt Blumenhofen die erfolgreiche Zusammenarbeit von Technip Energies mit Shell in der Cansolv Alliance. Diese verfolgt das Ziel, flexible, kostengünstige und effektive Lösungen zur Kohlenstoffabscheidung bereitzustellen.

Technip bündelt dafür technische, finanzielle und partnerschaftliche Ressourcen in der eigens eingerichteten Plattform „Capture Now“. Das Unternehmen bietet mit der Canopy-Serie modulare und maßgeschneiderte Lösungen, die zwischen 200.000 und über eine Mio. t/a CO₂ abscheiden können. Die Anlagen von Containergröße bis zur Großanlage zeigen, wie skalierbar die Technologie ist. Mit diesem breiten Angebot, so Blumenhofen, hat der Anlagenbauer seit 2023 Aufträge für mehr als 90 CCUS-Projekte erhalten. Diese decken sowohl Post-Combustion- als auch Pre-Combustion-Technologien ab und demonstrieren, dass CO₂-Abscheidung auch in komplexen industriellen Prozessen implementierbar ist.
Der Weg nach vorn
Die Zukunft der CCUS-Industrie hängt maßgeblich von Innovationen und Partnerschaften ab. Technologische Weiterentwicklungen sind notwendig, um die Total Cost of Ownership weiter zu senken. Gleichzeitig müssen Wiederholungseffekte und die Skalierung der Projekte dazu beitragen, die Kosten für Capex und Opex zu reduzieren. Besonders die Entwicklungen in den USA, Großbritannien und den nordischen Ländern zeigen, wie staatliche Unterstützung und private Initiativen zusammenwirken können, um diese Technologien wirtschaftlich tragfähig zu machen.
Deutschland hinkt noch etwas hinterher, aber Blumenhofen sieht Chancen, dass die CCUS-Welle auch hier bald ankommt: Fast schon als Schlussbemerkung beschreibt er ein Projekt in Deutschland aus dem Bioenergie-Sektor. Die Energiegewinnung aus Biomasse gilt von sich aus als CO₂-neutral. Kombiniert man sie jedoch mit Kohlenstoffabscheidung, führt dies rechnerisch sogar zu negativen Emissionen. Solche BECCS-Projekte (Bioenergy with carbon capture and storage, Bioenergie mit Kohlenstoff-Abscheidung und -Speicherung) erfahren bislang noch wenig Aufmerksamkeit, und Fördergelder fließen eher an Projekte in den erwähnten „hard to abate“-Sektoren. In Blumenhofens Beispiel gelang es in enger Kooperation mit dem Auftraggeber, die Anschaffungs- und Betriebskosten des Projekts drastisch zu optimieren. Hinzu kommt, dass mit negativen Emissionen erzielte Emissionszertifikate im Biomassebereich höhere Preise einbringen als bei fossilem CO₂. Zusammen führt dies dazu, dass das beschriebene Projekt auch ohne staatliche Förderung tatsächlich wirtschaftlich sein kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die CCUS-Industrie in einer kritischen Übergangsphase steckt. Einerseits gibt es zahlreiche technologische und wirtschaftliche Hürden zu überwinden, andererseits bieten sich große Chancen für Innovationen und neue Märkte. Mit zunehmender Erfahrung, besserer Kostenkontrolle und effizienteren Technologien könnte die CCUS-Industrie in den kommenden Jahrzehnten eine zentrale Rolle in der globalen Energiewende spielen.
Interview: „Wir wünschen uns, dass der politische Rahmen schneller gesetzt wird“
CT: Wie ausgeprägt ist der Bedarf und das Interesse der deutschen Industrie an Kohlenstoff-Abscheidung und -Nutzung?
Peter Blumenhofen: Was wir zurzeit sehen ist, dass CO2-Abscheidung in Deutschland wieder Fahrt aufnimmt. Das war lange Zeit sicherlich ein ungeliebtes Thema, noch aus der Kohleverbrennung heraus. Wir sehen da aber jetzt schon eine deutliche Trendumkehr. Andere Länder machen uns das vor, die USA, Kanada, UK, die nordischen und die Benelux-Länder. Und wir sehen in Deutschland, dass wir nicht nur um die Klimaziele zu erreichen, CO2 abscheiden müssen, sondern auch um die Industrien zu unterstützen. Neben den im Fokus stehenden „hard to abate“-Industrien wie der Zementbranche gibt noch viele andere Industrien hier in Deutschland, Raffinerien, Chemie und Petrochemie, Papier, Glas, Power und weitere, die sich mit dem Thema beschäftigen müssen und sich in verschiedenen Stadien auch beschäftigen.
Je nachdem, ob es fossiles oder biogenes CO2 ist, brauchen Sie Fundings und auch Zugang zur gesamten Value Chain. Im ersten Schritt sehen wir da sicherlich Carbon Capture and Storage als Transformationstechnologie, wo das abgeschiedene CO2 transportiert und gelagert wird. Ein zweiter Schritt geht dann tatsächlich in Richtung Utilization, um das CO2 dann auch wirklich als wertvollen Rohstoff irgendwann auch zu nutzen und in die Kreislaufwirtschaft zu bringen, daraus E-Fuels zu machen, E-Methanol, SAF und Ähnliches.
CT: Sind Projekte zur Kohlenstoffabscheidung so wie viele andere Anlagenbauprojekte zur Energiewende gefährdet durch Projektverzögerungen aufgrund von unklarer Gesetzgebung?
Blumenhofen: CO2-Abscheidungen brauchen zu einem großen Maße staatliche Förderung, jetzt und hier. In Deutschland ist es so, dass der Rahmen noch nicht vollumfänglich gesetzt ist. Es ist noch volatil, erste Teilbereiche sind in Arbeit. Der politische Rahmen hat entscheidenden Einfluss auf die Implementierung, und wir wünschen uns, dass der schneller gesetzt wird.
CT: Ist es realistisch, von Kreislauf zu sprechen, wenn die Emissionen den Bedarf von CO2 als Rohstoff bei Weitem übersteigen?
Blumenhofen: Es ist noch keine hundertprozentige Kreislaufwirtschaft, aber zunächst eben so viel Kreislaufwirtschaft wie möglich.