
Aufgrund der kontinuierlichen Fahrweise können größere Mengen hergestellt werden, wenn die Anlage länger betrieben wird. (Bild: Hitec Zang)
- Hitec Zang und Ehrfeld haben eine Mikroreaktor-Demonstrationsanlage entwickelt, mit der sie fluoreszierende Kohlenstoff-Nanopartikel synthetisieren.
- Den Aufbau steuern die Partner über ein Prozessleitsystem mit der zugehörigen Software.
- Die Anlage hat durch die Automatisierung über 100 Experimente autonom durchgeführt.
Kontinuierliche Prozesse, auch bekannt als Flow Chemistry, bieten gegenüber Batch-Prozessen eine Reihe an Vorteilen und kommen dadurch immer häufiger zum Einsatz. Durch den höheren Wärmetransfer lässt sich eine wesentlich bessere Prozesskontrolle und damit eine höhere Ausbeute und Selektivität erzielen. Begünstigt durch das geringe Volumen lassen sich außerdem Reaktionsbedingungen erzielen, die im Rührkessel nicht möglich oder sehr gefährlich wären. Indem Anwender mehrere Synthesen des Prozesses koppeln, können sie intermediate direkt weiterverwenden.
Ganz leicht lässt sich auch für die Produktion ein Scale-up erzielen. In einigen Fällen kann der Laboraufbau bereits für die Produktion verwendet werden, da aufgrund der kontinuierlichen Fahrweise größere Mengen hergestellt werden können, wenn die Anlage länger betrieben wird.
Viele dieser Vorteile kommen erst in Kombination mit einer Automatisierung zum Tragen. Denn in Flow-Chemistry-Systemen wird eine Vielzahl an Sensoren und Geräten wie Pumpen und Temperiergeräte eingesetzt – diese Geräte und Sensorwerte manuell zu steuern und zu speichern, wird dadurch aufwendig. Automatisierung vereinfacht die Datenerfassung und das Steuern der Komponenten, wodurch Ergebnisse besser reproduzierbar sind. Darüber hinaus können Anwender die Anlage autonom betreiben.
Eine Steuerung einzusetzen, ist dabei bereits während der Forschung im Labor sinnvoll. So können während der Prozessentwicklung Abläufe und Sicherheitsstrategien für die spätere Produktion entwickelt und schließlich umgesetzt werden. Setzen Anwender zusätzlich Online-Analysegeräte ein und nutzen eine automatische Versuchsdurchführung, können sie außerdem die Entwicklung selbst beschleunigen. Wichtig ist, dass sie Änderungen am Aufbau, und damit an der Steuerung, schnell und flexibel durchführen können.

Synthese von Nanopartikeln
Als Beispiel für ein solches System und für Demonstrationszwecke hat Hitec Zang zusammen mit Ehrfeld Mikrotechnik, einem Hersteller von Mikroreaktionstechnik, einen Aufbau entwickelt, der die Synthese von fluoreszierenden Kohlenstoff-Nanopartikeln (Carbon Quantum Dots) ermöglicht. Die Nanopartikel entstehen durch das Zersetzen von Harnstoff und Citronensäure. Die Reaktion erfolgt in einem Ehrfeld-Mikroreaktorsystem bei 160 bis 190 °C mit einer Verweilzeit von mehreren Minuten. Die Reaktion wird bei 15 bar durchgeführt, sodass Wasser trotz der hohen Temperatur als Lösungsmittel verwendet werden kann.
Den Aufbau steuern die Partner über das Prozessleitsystem Labmanager mit der zugehörigen Software Labvision. Die Flüssigkeiten fördern Spritzenpumpen des Typs Syrdos im Tandem-Modus kontinuierlich und pulsationsfrei. Durch den kontinuierlichen Betrieb haben die Partner den Einfluss der Prozessparameter Temperatur und Flussrate auf die Nanopartikelsynthese zeitnah erfasst. Aufgrund des geringen Volumens im Mikroreaktorsystem ist der Betrieb bei 15 bar weniger kritisch als in einem Batchreaktor. Dennoch ist es möglich, mehrere Liter Nanopartikel-Dispersion herzustellen. Durch das Prozessleitsystem werden Werte wie Temperatur und Druck an mehreren Stellen des Systems erfasst und automatisch aufgezeichnet. Die Pumpen können gleichzeitig gestartet und die Flussraten schnell und einfach angepasst werden. Zusätzlich lassen sich Alarmfunktionen erstellen, die bei zu hoher Temperatur oder zu hohem Druck gegensteuern oder die Pumpen abschalten.
Selbstoptimierende Prozesse
Ein solches System lässt sich durch Online-Messgeräte noch erweitern. Dadurch wird nicht nur möglich, die Prozessparameter zu erfassen, sondern direkt das Produkt oder die Ausbeute zu analysieren. Für organische Synthesen werden dazu beispielsweise Raman-, FTIR oder NMR-Spektrometer eingesetzt. Für die Carbon Quantum Dots haben die Partner die auftretende Fluoreszenz mittels eines UV-Vis-Spektrometers aufgezeichnet, wodurch sie den Einfluss unterschiedlicher Prozessparameter auf das Produkt erfasst haben.
Um kontinuierliche Prozesse zu verbessern, nutzen Anwender immer häufiger Optimierungsalgorithmen. Diese versuchen für ein unbekanntes System durch iterativ durchgeführte Experimente möglichst schnell ein Optimum zu finden. Indem sie diese Algorithmen gezielt auf den Prozess anwenden, können Anwender nach den besten Prozessbedingungen beispielsweise der maximalen Ausbeute suchen.
Flow-Chemistry-Systeme kombiniert mit Optimierungsalgorithmen wurden bereits häufiger in Forschungseinrichtungen aufgebaut und werden mittlerweile auch vermehrt in der Industrie verwendet.
Für die Carbon-Quantum-Dot-Synthese erfolgte die Umsetzung der Selbstoptimierung durch die Kombination des Prozessleitsystems mit Python und Matlab, da bereits Bibliotheken in diesen Programmiersprachen für viele Optimierungsalgorithmen vorhanden sind.
Für das Mikroreaktorsystem haben die Partner den Snobfit-Algorithmus in Matlab und die Bayes‘sche Optimierung in Python implementiert. Die Prozessdaten haben sie mit der Software über Open Platform Communication Unified Architecture (OPC UA) ausgetauscht. Die Daten des Spektrometers wurden periodisch als CSV-Dateien abgespeichert und zum Auswerten in die Software eingelesen.
Die Anlage hat in dieser Form über 100 Experimente autonom durchgeführt und passte die Reaktionsbedingungen innerhalb eines vorgegebenen Bereichs selbstständig an. Dabei fanden die Partner Prozessparameter, die in einer deutlich intensiveren Fluoreszenz der Nanopartikel-Dispersion resultierten.

Modulare Soft- und Hardware
Das für dieses Beispielexperiment aufgebaute System lässt sich auf andere Konti-Prozesse übertragen. So haben die Partner erste Automatisierungstests mit Lebensmittelfarbe durchgeführt und konnten die Ergebnisse zügig auf die Nanopartikelsynthese übertragen. Durch die Automatisierung mit der Software ist es leicht umsetzbar, die Konfiguration durch andere Sensoren, Pumpen oder Anordnungen anzupassen. Diese Flexibilität ist auch für die Hardware durch das modulare Mikroreaktorsystem gegeben, bei dem sich die Anordnung der Module wie Mischer, Reaktoren und Sensoren mit wenigen Handgriffen ändern lässt.
Bei anderen Analysegeräten kommt es auf das Gerät und dessen Datenschnittstelle an: Je nach Prozess reichen bereits einfache Sensoren, um pH-Wert, Trübung oder Dichte zu erfassen und den Prozess dadurch zu bewerten. Diese Sensoren können direkt über das Prozessleitsystem an die Automation angeschlossen werden. Bei komplexeren Geräten hängt die Kompatibilität von der Schnittstelle des Herstellers ab. CSV-Dateien auszutauschen, ist dabei einfach, gegebenenfalls ist aber eine direkte Kommunikation, beispielsweise über OPC UA, sinnvoller.
Optimierungsalgorithmen lassen sich ebenfalls über mehrere Wege integrieren. Zusammengefasst können so schnell und flexibel Flow-Chemistry-Aufbauten automatisiert werden, was nicht nur die Arbeit im Labor beschleunigt und vereinfacht, sondern zudem wichtige Informationen für die spätere Produktion liefert.
Achema 2024, Halle 9.0 – E64