Bürokratie frisst Energie

CT-Spotlight: Prozessindustrie gegen Bürokratiemonster

Die Prozessindustrie hat in ihren Bemühungen um Energieeffizienz in den letzten Jahren Beeindruckendes geleistet. Aber bei einem Teilbereich ist sie machtlos: ausufernde und ineffiziente bürokratische Prozesse.

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Ein blaues Monster geht auf eine Gruppe von Chemikern los

Was wäre, wenn Politik, Gesetzgebung und Behörden ihre Prozesse genauso effizient gestalten könnten wie Ingenieure, Verfahrenstechniker und sonstige Prozess-Profis? Wenn Stillstandszeiten in Ausschüssen und Parlamenten genauso geächtet wären wie in Großanlagen? Denn was nützt eine intelligente Anlagensteuerung samt digitalem Zwilling, die Anlagenzustände in Echtzeit aufnimmt, analysiert und bei zu hohem Energiebedarf sofort gegensteuert, wenn die Reaktionsgeschwindigkeit der Gesetzgeber in Legislaturperioden gemessen wird, und wenn GMP für „Gute Mittagspause“ steht?

Skalieren statt eskalieren

Apropos digitaler Zwilling: In der Prozessindustrie sind Redundanzen aus Sicherheitsgründen gewünscht und sogar gefordert. Die redundanten Durchschläge der Bürokratie in x-facher Ausführung erscheinen dagegen oft so sinnvoll wie eine dreifache Berstscheibe. Und digital sind sie meistens auch nicht. In der Industrie skalieren Prozesse, in der Bürokratie eskalieren sie. Deshalb kurz und effizient gesagt: Es reicht. Mit dem Bürokratiemonster wird jetzt kurzer Prozess gemacht.

Bürokratische Flussdiagramme werden ab sofort wie Dampf- und Druckluftsysteme konstruiert – auf minimale Druckverluste und maximale Transferleistung optimiert. Die endlos produzierte heiße Luft wird endlich der Wärmerückgewinnung zugeführt. Wer redet wie ein Wasserfall muss auf geschlossene Wasserkreisläufe achten. Worthülsen und ähnliches Verpackungsmaterial werden zwar schon regelmäßig wiederverwendet, müssen nun aber schon beim Ersteinsatz zertifiziert recyclingfähig sein. Anträge und Genehmigungen stottern dann nicht mehr durch das Formular-Labyrinth oder stocken komplett wie ein Drucker mit Papierstau, sondern rauschen durch die Zulassungspipelines wie ein Molch auf Steroiden. Und wenn doch mal eine Behörde überfordert ist, ist auch eine durchdachte Druckentlastung Teil des Systems, damit nicht die ganze Anlage hochgeht.

Und falls alle diese Maßnahmen nicht greifen, wird Feuer mit Feuer bekämpft und die Regel-Emissions-und-Anpassungs-Charta (Reach) kommt zum Einsatz: Jede Behörde muss, bevor sie eine neue Regel oder ein neues Gesetz oder eine neue Anforderung in den freien Markt entlassen darf, genauestens in einem detaillierten Dossier festhalten, welche positiven und negativen Auswirkungen sie sich davon verspricht. Selbstverständlich basierend auf umfangreichem und fundiertem Studienmaterial, also brauchbaren KPI (Key Performance Indicator, nicht: Kaffee, Papier, Ignoranz). Das Gesamtgewicht dieser von einer Behörde jährlich ausgestoßenen Dossiers darf einen von Jahr zu Jahr abgesenkten Grenzwert nicht übersteigen. Eventuelle Mehr-Emissionen sind durch Zusatz-Zertifikate auszugleichen. Dann verlieren vielleicht auch die Bürokraten die Lust am Regulieren und denken über Standortwechsel nach.