500 Arbeitsplätze bedroht

Update: Bayer will Agrar-Standort Frankfurt aufgeben

Der kriselnde Bayer-Konzern will den Agrochemie-Standort in Frankfurt am Main komplett schließen, auch am Standort Dormagen sind tiefe Einschnitte geplant. Unternehmensleitung und Arbeitnehmer haben sich auf eine sozialverträgliche Lösung geeinigt.

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Abenddämmerung im Industriepark Höchst
Dunkle Tage für den Industriepark Höchst: Bayer will den Frankfurter Standort verlassen.

Update vom 11.07.2025:

Bestandsgarantie für deutsche Standorte - bis auf Frankfurt

Die Unternehmensleitung und die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat von Bayer haben sich auf Eckpunkte einer Gemeinsamen Erklärung zur Standortsicherung und zu sozialverträglichen Personalanpassungen in Deutschland nach 2026 verständigt. Der Konzernvorstand spricht darin eine Bestandsgarantie für alle bestehenden Unternehmensstandorte im Bundesgebiet bis 2030 aus – einzige Ausnahme ist der Standort in Frankfurt/Main, von dem sich die Division Crop Science wie bekannt bis 2028 zurückziehen wird. Die Inhalte der Gemeinsamen Erklärung sollen erstmalig für alle Konzerngesellschaften in Deutschland gelten und schrittweise bis Mitte 2026 in Kollektivvereinbarungen überführt werden.

„Deutschland ist und bleibt wichtig für Bayer. Wir haben hier moderne Standorte, engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie viel wertvolle Expertise. Dieses Potenzial wollen wir gemeinsam auch in Zukunft nutzen, um Bayer im Interesse seiner Kunden, Beschäftigten und aller Stakeholder weiterzuentwickeln“, erklärt Bill Anderson, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG.

„Der Mitte Mai bekanntgegebene Rückzug von Bayer aus Frankfurt sowie der Personalabbau an weiteren Standorten sind ein herber Schlag für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen, aber auch für den Unternehmensstandort Deutschland insgesamt. Es war uns in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber deshalb sehr wichtig, nicht nur die unmittelbar betroffenen Beschäftigten bestmöglich zu unterstützen, sondern auch Sicherheit für alle weiteren Kolleginnen und Kollegen bei Bayer in Deutschland zu erlangen, dass weitere Standortschließungen in den nächsten Jahren ausgeschlossen sind. Uns geht es darum, faire, sichere und tragfähige Perspektiven für alle zu schaffen – das ist uns mit den Eckpunkten zur Gemeinsamen Erklärung gelungen“, erklären Heike Hausfeld, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von Bayer und Francesco Grioli, Mitglied des Hauptvorstandes der IGBCE.

Maßnahmenpaket für Standort Frankfurt

Für den Standort Frankfurt sehen die Eckpunkte ein umfangreiches Maßnahmenpaket vor, um den Rückzug von Bayer sozialverträglich zu gestalten. Die geplanten Maßnahmen reichen vom Schutz der gegenwärtigen Arbeitsbedingungen im Falle des angestrebten Verkaufs über Unterstützung für Beschäftigte bei der Stellenverlagerung von Frankfurt nach Monheim bis hin zu attraktiven Abfindungsangeboten und Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung außerhalb von Bayer.

Im Anschluss an den kollektiven Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen für einen Teil der Beschäftigten folgt ab 2027 ein individueller Schutz für alle Beschäftigten des Bayer-Konzerns in Deutschland. Beschäftigten, deren Stelle im Unternehmen ab Januar 2027 entfällt und die nach sechs Monaten Bedenkzeit nicht mit einer Abfindung ausscheiden, wird eine nach Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit gestaffelte Schutzphase zur beruflichen Neuorientierung gewährt, in der eine betriebsbedingte Kündigung ausgeschlossen ist.

Nachricht vom 13.05.2025

Die Maßnahmen seien Teil einer „Fokussierung“ der Agrarsparte Crop Science in Deutschland, teilte der Konzern mit. Diese sei angesichts der globalen Wettbewerbssituation ein „notwendiger Schritt“: Insbesondere asiatische Hersteller von Pflanzenschutzmittel-Generika haben demnach in den vergangenen Jahren große Überkapazitäten aufgebaut und drängten mit bleibenden Niedrigstpreisen in den Markt. Die Verkaufspreise lägen teilweise sogar unter den Herstellungskosten von Pflanzenschutzmitteln in Europa. Diese Situation würde durch zunehmende regulatorische Beschränkungen und nationale Exporthemmnisse noch weiter verschärft.

Diese Maßnahmen sind in Höchst geplant

Um sich von den asiatischen Generika-Herstellern abzusetzen, wolle sich Bayer in Zukunft stärker auf „innovative Technologien und Produkte“ fokussieren. Diese Umstellungen hätten zur Folge, dass das Unternehmen die Aktivitäten in Frankfurt am Main ab 2029 nicht fortführen werde. An dem Standort im Industriepark im Stadtteil Höchst betreibt Bayer sowohl Produktionskapazitäten für Herbizidwirkstoffe und -formulierungen als auch Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dort beschäftigt.

Die Arbeitsplätze sollen laut Bayer aber „nicht alle ersatzlos“ wegfallen: Für Teile der Produktionsaktivitäten solle ein Käufer gefunden werden, andere sollen auf die Bayer-Standorte in Dormagen und Knapsack übergehen oder ins europäische Formuliernetzwerk übergehen. Ähnlich sieht es für diese bisherige Forschung und Entwicklung am Standort Frankfurt aus. Zumindest die „essenziellen Aktivitäten“ sollen an den Hauptstandort in Monheim am Rhein verlagert werden, wo sich bereits die Forschung und Entwicklung für Insektizide befindet und wo Bayer vor zwei Jahren ein großes Bauprojekt gestartet hat.

Für die betroffenen Mitarbeitet in Frankfurt suche das Unternehmen nun „tragfähige Lösungen“, man sei sich seiner Verantwortung bewusst. „Die Kolleginnen und Kollegen sind hervorragend ausgebildet und leisten sehr gute Arbeit, die Anlagen sind auf dem modernsten Stand. Wir hoffen deswegen, dass Teile der Produktionsaktivitäten mit einem neuen Eigner fortgeführt werden können“, sagt Frank Terhorst, Leiter Strategie und Nachhaltigkeit der Division Crop Science.

Auch Standort Dormagen betroffen

Auch Standort Dormagen, der Bayer-Produktionsstätte mit dem größten Portfolio an Wirkstoffen und Pflanzenschutzmitteln, ist von den Maßnahmen betroffen. Hier will sich Bayer aber nicht komplett zurückziehen, sondern es mit der Ausrichtung „auf innovative und strategische Technologien und Produkte“ versuchen, mit denen sich der Hersteller vom asiatischen Wettbewerb differenzieren könne.

Aerial photo Chempark Dormagen
Luftaufnahme vom Chempark Dormagen.

Die Produktion verschiedener generischer Pflanzenschutzwirkstoffe sowie der angeschlossenen Formulierungen werde jedoch auch hier beendet. Die Umstellungen sollen schrittweise bis Ende 2028 umgesetzt werden. Rund 200 Stellen von den knapp 1.200 am Standort sind laut den aktuellen Planungen betroffen. „Durch die Umstrukturierung richten wir den Standort Dormagen so aus, dass er auch in Zukunft weiter eine führende Rolle im globalen Produktionsnetzwerk von Bayer spielen kann. Auch für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen in Dormagen arbeiten wir mit den Arbeitnehmervertretungen an sozialverträglichen Lösungen“, erklärte Strategiechef Terhorst.

Folge eines „aussichtslosen Preiskampfs“

Die Maßnahmen in Frankfurt und Dormagen seien „schwierige Entscheidungen, die schmerzhaft für viele Kolleginnen und Kollegen sind“, sie seien aber „dringend notwendig“, so Terhorst. Ein Preiskampf mit den asiatischen Generika-Herstellern sei „aussichtlos“. „Wir bekennen uns ausdrücklich zum Standort Deutschland. Um diesem Bekenntnis in Zeiten erheblicher Herausforderungen gerecht zu werden, müssen wir uns jedoch neu ausrichten“, so Terhorst.

Die Chemiegewerkschaft IGBCE hat dagegen die Bayer-Pläne hart kritisiert: „Diese Schließungspläne sind eine Zäsur in der 162-jährigen Konzerngeschichte und stehen im Widerspruch zum erklärten Bayer-Bekenntnis zum Heimatstandort Deutschland. Hier soll ein moderner, zukunftsfähiger Standort abgewickelt werden – und das, obwohl er gerade erst bedeutende Aufträge akquiriert hat und mit seinen Forschungsergebnissen maßgeblich zum nachhaltigen Unternehmenserfolg beiträgt. Das ist inakzeptabel,“ erklärte Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands.

Bayer ist nicht der erste Chemiekonzern, der derzeit Anlagen und Standorte in Deutschland schließt. Auch der Ludwigshafener Konkurrent BASF beispielsweise hat in den vergangenen beiden Jahren Produktionskapazitäten zurückgefahren – unter anderem auch in der Düngemittel- und Pflanzenschutz-Produktion. Eine Übersicht über die aktuellen Anlagenschließungen finden Sie hier: