Römer, Eintracht, Apfelwein – Börsenstadt am schönen Main. So oder so ähnlich hätte womöglich Johann Wolfgang, dieser von Goethe, seine Geburtsstadt Frankfurt mit einem Reimchen charakterisiert. Hätte der Dichterfürst eine Zeitmaschine gehabt – und sich für Fußball interessiert. Der Politik, Wirtschaft und einem guten Schoppen war er bekanntermaßen nie abgeneigt. Ebenso wenig den Naturwissenschaften, erforschte er diese gar selbst. Die Achema hätte ihm dahingehend sicherlich gefallen. Eine Riesenmesse zu Verfahrenstechnik mitten in seiner Heimatstadt. Chemie von A bis Z. Für den 1749 geborenen Johann Wolfgang allein deshalb interessant, weil er als Kind des 18. Jahrhunderts die Schwelle von der Alchemie hin zur Chemie erlebte. Die Epoche der gottesfürchtigen Mystiker, die mithilfe von Zauberformeln aus Urin wahlweise Gold oder den „Stein der Weisen“ kochen wollten, neigte sich dem Ende zu. An ihre Stelle traten – Kant, Hegel und Fichte sei Dank – moderne wissenschaftliche Disziplinen.
Sowas kommt von sowas
Ohne sie (entscheiden Sie selbst, ob sich das sie auf die drei Herren oder die Disziplinen bezieht) gäbe es heute keine extraktive Gasanalyse, keine Schälzentrifuge, keine Peristaltikpumpe. Und keine Wasserstoff-Pipeline. Keinen Überströmdeckel, keinen Dispergiermaschinenhersteller, keinen Farbumschlag mittels UV-Laser im Etikettierprozess. Und garantiert keinen Ethernet-APL-Switch für eine direkte Anbindung von Feldgeräten in explosionsgefährdeten Bereichen. Alles Gegenstand (und Gegenstände) der diesjährigen Achema.
Und die findet – gepriesen sei die Keimfreiheit – endlich wieder in beziehungsweise mit Fleisch und Blut statt. Kein Bildschirmflackern mehr wie bei der virtuellen Achema Pulse 2021. Und sie öffnet wieder im Juni statt wie 2022 im August ihre Pforten. Dürfte also nen Ticken weniger heiß werden – natürlich nur hinsichtlich der Thermometer im Außenbereich. Inhaltlich wie immer hot as hell. Und state of the art. Und mit über 750 Beiträgen im Vortragsprogramm auch thick as a brick – um es mal mit Jethro Tull zu sagen. Auf jeden Fall erwartet uns wieder Rock’n Roll. Dicht gedrängte Festivalatmosphäre. Ohne Abstandsgebot, denn Covid ist besiegt.
Lasst den Louvre in Paris!
So schließen sich hoffentlich auch die Lücken zwischen den Ausstellern. Im August 2022 nervten Freiflächen – klaffenden Wunden im Körper gleich – beim Gang durch die Hallen. Mit jedem Ausstellerstand verringert sich das Risiko, dass eine Chemiemesse zu einer Kunstgalerie mutiert. So schön die Gemälde im August 2022 auch waren, so wenig handfesten Mehrwert hatten sie für die Besucher. Die wollen schließlich Naturwissenschaft, keine Malerei. Laut reden statt Stillleben. Edelstahl statt Expressionismus. Katalysatoren statt Kubismus. Eben eine richtige Achema. Eine nach Goethes Gusto.