VDMA-Lagebericht

Die Auswirkungen der Zollpolitik der Trump-Regierung sind noch unklar. (Bild: KI generiert mit OpenAI)

Mit einem Auftragseingang von 25 Mrd. € hat der Großanlagenbau ein neues Hoch erreicht – der Auftragseingang legte gegenüber 2023 um weitere 300 Mio. Euro zu. Dahinter stehen Megaprojekte aus dem Energie-, Chemie- und Metallsektor, getragen von innovativen Technologien, Nachhaltigkeitszielen und internationaler Nachfrage. „Neben dem Einsatz innovativer Technologien bei der Abwicklung von Projekten hat vor allem die strategische Ausrichtung der Unternehmen auf neue Märkte und nachhaltige Lösungen zu diesem Bestellanstieg beigetragen“, erläuterte Jürgen Nowicki, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau im VDMA (AGAB) und CEO von Linde Engineering bei der heutigen Pressekonferenz.

Im Jahr 2024 beliefen sich die Bestellungen aus Deutschland auf 6,0 Milliarden Euro (2023: 9,6 Milliarden Euro). Der Fokus lag auf Anlagen zur Energieerzeugung und zur CO₂-freien Stahlproduktion sowie auf Systemen für die Übertragung und Verteilung von Strom, die zusammen 85 Prozent der Aufträge aus Deutschland ausmachten. Die Auslands-Auftragseingänge stiegen 2024 um 26 Prozent auf 19,0 Milliarden Euro (2023: 15,1 Milliarden Euro). Besonders erfolgreich waren die VDMA-Großanlagenbauer in Westeuropa und Nordamerika. Die USA waren der wichtigste Absatzmarkt weltweit mit Bestellungen von 1,8 Milliarden Euro (2023: 2,4 Milliarden Euro). Hohe Zuwächse gab es ferner im Mittleren Osten und in Afrika, während die Nachfrage in China auf einen langjährigen Tiefststand fiel.

Dekarbonisierung stockt

Energietransformation und Dekarbonisierung hatten sich auch 2024 wieder als wesentliche Treiber für das Geschäft des Großanlagenbaus gezeigt. Allerdings sehen die Anlagenbauer hier inzwischen auch Wolken am Horizont: „Wir spüren, dass die Dekarbonisierung stockt“, der Hochlauf nachhaltiger Technologien wie grüner Wasserstoff verläuft langsamer als erwartet. „In vielen Fällen fehlen die Business Cases“, nennt Nowicki einen Grund.

Interessant ist auch der Blick in den Chemieanlagenbau, der im neuen Lagebericht der AGAB dargestellt ist: Trotz der herausfordernden weltwirtschaftlichen Lage hatte sich der Chemieanlagenbau – so wie die gesamte Anlagenbaubranche – noch im vergangenen Jahr 2023 als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen. Zwar gab es bereits 2023 im Inland kaum Neuaufträge, vielmehr wurden in Deutschland Anlagen vereinzelt geschlossen und Geschäftsfelder aufgegeben. Im Ausland hatte sich die Lage in einigen Regionen jedoch spürbar verbessert, nicht zuletzt aufgrund von Förderprogrammen wie etwa dem Inflation Reduction Act (IRA). Insgesamt blieb das Auftragsvolumen im VDMA-Chemieanlagenbau damals nahezu stabil: Nach 2,54 Milliarden Euro im Jahr 2022 lagen die Bestellungen 2023 bei 2,48 Milliarden Euro. Allerdings täuscht das Ergebnis der Blick in die Vergangenheit über die aktuelle Situation der Chemie in Deutschland hinweg: „Sehr viele Investitionen im Chemieanlagenbau sehen wir in Deutschland derzeit nicht“, sagt Nowicki.

Folgen der US-Zölle noch nicht abzusehen

Schwer abzuschätzen seien aktuell auch noch die Folgen der von der Trump-Administration angekündigten Zölle auf das Projektgeschehen und die Investitionen. Denn Großanlagenbau-Projekte haben Laufzeiten von mehreren Jahren – und Einfuhrzölle verteuern das Anlagenequipment, wodurch ursprüngliche Kalkulationen nicht mehr tragen. Die Beschaffung von Anlagenkomponenten hat in Großprojekten oft einen Anteil von 30 bis 40 Prozent. „Es wird eine extreme Kärrnerarbeit herauszuarbeiten, was für uns die beste Lösung ist“, sagt Jürgen Nowicki mit Blick auf die Beschaffungsmärkte und Stragegien: „Wir haben Projekte zu festgelegten Konditionen vereinbart – für die investierenden Kunden ist es ein Drama, wenn sich das Equipment und Material verteuert.“ Und mit Blick auf das Investitionsklima: „Politische Unsicherheit ist ein tödliches Gift für Großprojekte“, so Nowicki: „Ich halte das für einen Fehlschlüss, dass man denkt, dass durch die Zölle nun ganz schnell in den USA investiert werden wird, denn die politische Verlässlichkeit ist nicht da.“

Optimistischer Blick in die Zukunft

Märkte laut dem VDMA-Lagerbericht
(Bild: VDMA)

Dennoch gibt sich die Branche optimistisch, schließlich trage der Anlagenbau als Schlüsselakteur der globalen Transformation entscheidend zur Dekarbonisierung industrieller Prozesse bei. Trotz geopolitischer Spannungen, hoher Regulierungsdichte und Cyberrisiken rechnet die Mehrheit der AGAB-Mitglieder im laufenden Jahr mit konstanten oder sogar steigenden Auftragseingängen und Umsätzen. Und ungeachtet der Trump-Politik rechnen die Akteure mit mehr Projekten – unter anderem im Mittleren Osten und in Indien, aber auch weiterhin im aktuell Wichtigsten Markt: Nordamerika.

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