CT: Sie haben eine breite Erfahrung im Bereich Wasserstoff. Wie sehen Sie das Potenzial für die Zukunft?
Das Potenzial von Wasserstoff ist sehr groß als sauberer Energieträger in verschiedenen Einsatzgebieten. Die größten Potenziale sind in der Industrie und im Transportbereich. Wasserstoff kann bei der Energiewende eine sehr große Rolle spielen. Im Transportbereich kann Wasserstoff die Lkw antreiben. Wasserstoff kann in der industriellen Produktion eingesetzt werden, zum Beispiel bei der Produktion von Stahl und Zement. So kann die Dekarbonisierung von Industrien, deren direkte Elektrifizierung schwierig ist, voranschreiten. Einer der wesentlichen Vorteile von Wasserstoff ist die Tatsache, dass Wasserstoff gespeichert werden kann. Überschüssige erneuerbare Energie kann gespeichert werden und bei Bedarf wieder in Strom umgewandelt werden. Die Umsetzung dieser großen Potenziale ist abhängig von den Kosten bei der Herstellung von Wasserstoff, insbesondere bei grünem Wasserstoff. Und es bedarf einer Infrastruktur, so dass Wasserstoff in den verschiedenen Einsatzgebieten kostengünstig und schnell verfügbar ist.
Hydrogen Mobility Tech Conference in München
Zum Thema „Is the US Winning the Hydrogen Race – How can Europe Compete?“ spricht Michael Lohscheller bei der Hydrogen Mobility Tech Conference. Auf der Konferenz treffen sich am 19. und 20. März 2024 in München die Expertinnen und Experten der Wasserstoff-Industrie, um sich über praxisnahe Wasserstoff-Technologien für unterschiedliche Verkehrsträger auszutauschen. Zum Programm gehören die Produktion, die effiziente Speicherung sowie der Transport von Wasserstoff in Europa, den USA und China.
Infos und Tickets unter www.sv-veranstaltungen.de/hydrogen
CT: Gerade im Verkehrsbereich sind batterieelektrische Antriebe bereits fortgeschritten. Wo hat Wasserstoff hier eine Chance?
Aus meiner Erfahrung hat Wasserstoff eine sehr große Chance im Transportbereich, genauer gesagt bei schweren Lkw. Wasserstoff-Lkw haben gegenüber elektrischen Lkw drei Vorteile. Erstens: Wasserstoff-Lkw erzielen bessere Reichweiten. Der Wasserstoff-Lkw von Nikola schafft heute bereits 800 km und 1.000 km sind in der Zukunft sicherlich zu erreichen. Zweitens: Wasserstoff-Lkw lassen sich in 20 bis 25 Minuten betanken, deutlich schneller als elektrische Lkw. Das ist für die Spediteure enorm wichtig. Zeit ist Geld! Drittens: Batterieelektrisch betriebene Lkw sind schwerer als Wasserstoff-Lkw, damit reduziert sich die Payload für den Kunden, man kann also weniger Gewicht transportieren. Der Markt für schwere Lkw ist sehr groß und wird über kurz oder lang emissionsfrei. Daher gilt es jetzt, eine gute Marktposition aufzubauen.
CT: Dafür braucht es auch Infrastruktur und die entsprechenden politischen Rahmenbedigungen. Wo stehen wir in Deutschland und Europa?
Das angekündigte Wasserstoffnetzwerk ist grundsätzlich sehr zu begrüßen. Aber es kommt nun auf die Umsetzung an – die Geschwindigkeit und die Wirtschaftlichkeit, mit der ein solches Netz aufgebaut werden kann. Bei der Elektromobilität hat sich schnell herausgestellt, dass die Ladeinfrastruktur ein zentraler Erfolgsfaktor für die Entwicklung ist. Genauso ist es beim Wasserstoff. Grundsätzlich dauern Dinge in Deutschland viel zu lange. Die Genehmigungsverfahren sind komplex und nicht schnell genug. Und es braucht natürlich private Investoren. Da sind andere Länder deutlich schneller.
CT-Fokusthema Wasserstoff
In unserem Fokusthema informieren wir Sie zu allen Aspekten rund um das Trendthema Wasserstoff.
- Einen Überblick über die ausgewählten Artikel zu einzelnen Fragestellungen – von der Herstellung über den Transport bis zum Einsatz von Wasserstoff – finden Sie hier.
- Einen ersten Startpunkt ins Thema bildet unser Grundlagenartikel.
CT: Meinen Sie damit beispielsweise die USA? Welche Rolle spielt der dortige Inflation Reduction Act?
Ja, die USA sind deutlich weiter. Der Inflation Reduction Act hat viele Investitionen in die USA gelockt. Des Weiteren ist der Kapitalmarkt in den USA viel größer und auch risikobereiter. Meine Erfahrungen als CEO von Nikola haben das bestätigt. Nikola ist auch mit dem Wasserstoff-Lkw als einer der ersten im Markt. Gleichzeitig wird in den USA ein Wasserstoff-Netzwerk aufgebaut. Wir brauchen in Deutschland wieder mehr Unternehmertum, um Innovationen in den Markt zu bringen.
CT: Was fehlt uns in Europa für den Durchbruch? Welche konkreten Maßnahmen erwarten Sie?
Neben dem angesprochenen Unternehmertum brauchen wir auch weniger Bürokratie. Warum sind Tesla, Apple, Amazon nicht in Deutschland entstanden? Nicht jede Innovation wird im Markt erfolgreich sein. Aber wir sollten mehr unternehmerisches Risiko eingehen. Deutschland hat viele Innovation, aber es fehlt häufig an Kapital und Unternehmern. Beim Wasserstoff kann Deutschland eine führende Rolle übernehmen. Diese Chance sollten wir uns nicht entgehen lassen.