In der Anlage werden nach eigenen Angaben erstmals größere Mengen biobasierten Anilins hergestellt, damit die neue Technologie weiterentwickelt und in den industriellen Maßstab übertragen werden kann. Anilin wird in der Kunststoffindustrie unter anderem zur Herstellung von MDI verwendet. Das wiederum wird beispielsweise für Schaumstoffe zur Dämmung von Gebäuden und Kühlgeräten genutzt.
Derzeit werden weltweit rund 6 Mio. t Anilin produziert, wobei das Volumen im Schnitt um etwa 3 bis 5 % jährlich wächst. Covestro zählt mit einer Produktionskapazität von mehr als 1 Mio. t pro Jahr zu den weltweit größten Anilin-Herstellern.
„Bislang wird das Anilin mit fossilen Rohstoffen wie Erdöl produziert, was CO2 freisetzt und den Klimawandel anheizt“, erläutert Dr. Thorsten Dreier, Technologievorstand von Covestro. „Mit unserem neuen Verfahren tragen wir zum Aufbau einer zirkulären, biobasierten Wirtschaft bei, und ich bin sehr stolz, dass uns jetzt der Sprung auf die nächste technologische Ebene geglückt ist.“
So funktioniert das biotechnologische Verfahren
Das neue Verfahren ist ein Beispiel für die industrielle – die sogenannte weiße – Biotechnologie in der Kunststoffproduktion: In dem neuen Verfahren hilft ein maßgeschneiderter Mikroorganismus dabei, einen aus Pflanzen gewonnenen industriellen Zucker durch Fermentation in ein Zwischenprodukt umzuwandeln.
Dies geschieht unter milderen und damit umweltverträglicheren Bedingungen als in herkömmlichen Verfahren. In einem zweiten Schritt entsteht dann aus dem Zwischenprodukt durch chemische Katalyse das Anilin mit 100 % pflanzlichem Kohlenstoff.
Von Partnern und Regierung unterstützt
Das Verfahren führt im Vergleich zur konventionellen Technik laut Unternehmensangaben zu einem deutlich verbesserten CO2-Fußabdruck des Anilins. In die Pilotanlage im Chempark Leverkusen hat Covestro einen einstelligen Millionenbetrag investiert. Das neue Verfahren hat Covestro gemeinsam mit wissenschaftlichen Partnern entwickelt. An dem Vorhaben sind etwa die RWTH Aachen mit dem CAT Catalytic Center, die Universität Stuttgart und die dort angesiedelte Technologie-Transfer-Initiative beteiligt.
Die Forschung an biobasiertem Anilin wird auch weiterhin von der deutschen Regierung unterstützt. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördert ein Folgeprojekt unter dem Namen Bio4purdemo von Covestro und Partnern, das im März 2022 gestartet ist und bis 2025 läuft.
„Damit die Branche den eingeschlagenen Weg hin zur Kreislaufwirtschaft und Klimaneutralität fortsetzen kann, braucht es vor allem Planungs- und Investitionssicherheit“, erklärte die stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen Mona Neubaur. Ein weiterer Schlüssel sind Partnerschaften. „Das Projekt ist Ausdruck der Zusammenarbeit von forschungsbasierter Industrie und exzellenter Grundlagenforschung“, sagte Professor Walter Leitner, geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr. „Besonders in NRW gibt es viele solcher Schnittstellen. Davon brauchen wir mehr in Deutschland, um uns als Forschungs- und Technologiestandort zu behaupten.“