Bei der Explosion im Entsorgungszentrum des Chempark Leverkusen sind am 27.7. große Anlagenteile zerstört worden.

Bei der Explosion im Entsorgungszentrum des Chempark Leverkusen sind am 27.7. große Anlagenteile zerstört worden. (Bild: Currenta)

Update 16:00 Uhr: Im Entsorgungszentrum Bürrig sind an der Unglücksstelle drei weitere Menschen tot geborgen worden. Zwei weitere Mitarbeiter werden weiterhin vermisst. Die Toten konnten noch nicht identifiziert werden.

Update 10:45 Uhr: In einem Radiointerview mit dem WDR Morgenecho hat Markus Gleis, wissenschaftlicher Oberrat im Umweltbundesamt, eine erste Vermutung zur Explosionsursache genannt: "wahrscheinlich ist beim Abfüllen oder Umpumpen etwas schief gegangen". Auf die Moderatorenfrage, ob die bereits aus den 80er Jahren stammende Anlage noch technisch auf der Höhe war, antwortete Gleis: "Es gibt in Deutschland keine alten Anlagen, diese werden immer wieder auf die neueste Anlagen- und Sicherheitstechnik aktualisiert und das wird auch kontrolliert."

8:20 Uhr: Bei der Explosion und beim Brand im Lösemittel-Abfalllager von Currenta waren auch halogenierte Kohlenwasserstoffe im Spiel, was bei einem Brand zur Bildung von Dioxinen und Furanen führen könnte. Diese sind in hoher Konzentration krebserregend. Der WDR berichtet unter Bezug auf das Landesumweltamt NRW, „dieses geht derzeit davon aus, dass die Rauchwolke Dioxinverbindungen enthielt.“ Allerdings stellt das Landesamt für Natur, Umwelt, Klima und Verbraucherschutz, Lanuv, auf seiner Webseite klar, dass bislang keine Untersuchungsergebnisse zu Dioxin-, PCB- und Furanrückständen nach dem Brandereignis vorliegen.

Dioxin - was ist das und wie gefährlich ist Dioxin?

Strukturformel von Dioxin
Strukturformel von 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin - Quelle: Wikipedia, gemeinfrei, Autor: Emeldir, Source: Own Work

Dioxin ist keine einzelne Substanz, sondern ein Überbegriff für ein Gemisch aus Einzelverbindungen von chemisch ähnlich aufgebauten chlorhaltigen Dioxinen und Furanen. Zur Gruppe der Dioxine gehören zusammengenommen 75 polychlorierte Dibenzo-para-Dioxine (PCDD) und 135 polychlorierte Dibenzofurane (PCDF). Die toxischste Einzelverbindung im Dioxin-Gemisch ist das 2,3,7,8 Tetrachlor-Dibenzo-p-Dioxin (2,3,7,8 TCDD), welches auch Seveso-Gift genannt wird, nach einem Chemieunfall in Seveso nördlich von Mailand im Juli 1976. 

Wie entsteht Dioxin? 

Dioxine werden nicht großtechnisch produziert, sondern entstehen bei allen Verbrennungsprozessen bei denen Chlor und organische Kohlenstoffe unter bestimmten Bedingungen aufeinandertreffen. Dioxin entsteht ab Temperaturen von 300 °C aufwärts und wird ab 900 °C wieder zerstört. Auch bei Waldbränden oder Vulkanausbrüchen kann das Gemisch entstehen. Dioxinbelastete Chemikalien wie beispielsweise bestimmte Herbizide wurden in den 1980er-Jahren vermehrt in die Umwelt eingetragen. Seit deren Verbot sind es heutzutage thermische Prozesse der Metallgewinnung und –verarbeitung und Kleinquellen die für die Dioxinemissionen verantwortlich sind.

Warum ist Dioxin gefährlich? 

Dioxin reichert sich im Fettgewebe von Lebewesen an und wird dort nur sehr langsam abgebaut, so auch beim Menschen. In Tierversuchen wurde festgestellt, dass es zu dem sogenannten Auszehrungssyndrom kommt. Dieses geht mit starkem Gewichtsverlust und mit massiven Leberschäden und Stoffwechsel-Entgleisungen einher, welche dann nach mehreren Tagen bis Wochen zum Tod führen können. Außerdem können Dioxine Hautschädigungen (Chlorakne), Störungen des Immunsystems, des Nervensystems, des Hormonhaushalts, der Reproduktionsfunktionen und der Enzymsysteme hervorrufen. 

Wie wird die Giftigkeit gemessen? 

Das Seveso-Gift dient als Toxizitätsäquivalent (TEQ) oder Vergleich bei der toxikologischen Beurteilung der Dioxine. Dafür werden die anderen 2,3,7,8 chlorierten Dioxine, beziehungsweise Furane relevant, die weitere Chloratome besitzen. Das sind insgesamt 17 Verbindungen (sieben Dioxine, zehn Furane), deren toxische Wirkung dann im Verhältnis zu der des 2,3,7,8 TCDD ausgedrückt wird. 

Untersuchungsergebnisse erst Ende der Woche

„Die Proben werden untersucht, weil es bei einem Brand von chlorhaltigen Lösungsmitteln unter anderem Dioxinverbindungen entstehen können. Analysenergebnisse werden voraussichtlich Ende der Woche vorliegen.

Zur Gesundheitsvorsorge wurden bereits gestern Maßnahmen zwischen der Stadt Leverkusen und dem Lanuv abgestimmt und veröffentlicht. Alle Flächen, die mit Ruß oder Staub belegt sind, sollten möglichst nicht angefasst und auch nicht selber gesäubert werden. Für betroffenes Obst- und Gemüse gilt, dieses nicht zu verzehren.

Bei ergänzenden Luftmessungen am Dienstag, 27.7. seien keine Stoffe festgestellt worden die potentiell gesundheitsgefährlich sein könnten, wie zum Beispiel Kohlenstoffmonoxid und Schwefeldioxid.

Ermittler beginnen mit Ursachensuche

Heute sollen in Leverkusen die Untersuchungen der Unglücksursache beginnen. Die noch andauernden Bergungsarbeiten sind offenbar so weit vorangeschritten, dass Ermittler und Brandsachverständige heute ihre Arbeit an der Brandstelle aufnehmen können. Nach wie vor werden vier Currenta-Mitarbeiter und ein bei einer Fremdfirma beschäftigter vermisst. Der Betreiber geht davon aus, dass diese nicht mehr lebend gefunden werden.

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CURRENTA GmbH & Co. OHG

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