Statische Elektrizität ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr in der Öl- und Gasindustrie

Statische Elektrizität ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr in der Öl- und Gasindustrie

stock.adobe.com (Bild: WoGi, ChaotiC_PhotographY –)

  • Bei vielen Anwendungen in der Öl-, Gas- und petrochemischen Industrie reicht ein einziger Funke, um explosionsfähige Gemische zu entzünden.
  • Eine gefährliche und tückische Zündquelle ist statische Elektrizität, die man erst sieht, wenn sie sich durch einen Funken entlädt.
  • Zum Schutz vor gefährlichen Aufladungen – besonders an Füll- und Entleerstellen – sollten Betreiber daher passende Erdungs- und Potenzialausgleichsmaßnahmen ergreifen.

Statische Elektrizität ist eine Ansammlung elektrischer Ladungen auf Gegenständen, Anlagenteilen, Fluiden, Personen etc., die durch Kontaktierung und anschließende mechanische Trennung, Influenz oder Ansammlung aufgeladener Partikel oder ionisierter Moleküle hervorgerufen wird. Deren unkontrollierte Entladung kann eine explosionsfähige Atmosphäre leicht entzünden. Kontaktierungs- und mechanische Trennvorgänge bei Flüssigkeiten liegen zum Beispiel beim Strömen durch Rohrleitungen, beim Abfüllen in Behälter und Tanks oder beim Probenehmen vor. Influenz bedeutet, dass leitfähige Gegenstände aufgeladen werden, wenn sie sich in einem elektrischen Feld befinden. Voraussetzung für elektrostatische Aufladung ist, dass sich die ansammelnden Ladungen nicht sofort ausgleichen oder gegen das Erdpotenzial abfließen können. Dies ist beispielsweise bei isolierten und nicht leitfähigen Gegenständen oder niedrig leitfähigen Flüssigkeiten wie gesättigten Kohlenwasserstoffen der Fall. Aber auch bei Flüssigkeiten mittlerer Leitfähigkeit ist beim Strömen durch Rohre und Filter sowie bei Rührprozessen eine gefährliche Aufladung möglich. Stark ladungserzeugende Prozesse wie das Versprühen können sogar hoch leitfähige Flüssigkeiten gefährlich aufladen. Im Gegensatz zu den Flüssigkeiten erzeugt das Strömen reiner Gase oder Gasgemische keine elektrostatische Aufladung. Da reine Gase Isolatoren sind, können sie jedoch geladene Staubpartikel und Tröpfchen isolieren, sodass Wolken und Nebel ihre Ladung über längere Zeit behalten.

Hohes Gefahrenpotenzial an Füll- und Entleerstellen

Besondere Beachtung bei der Projektierung und im späteren Betrieb sollte auf den Füll- und Entleerstellen brennbarer Flüssigkeiten und Gase liegen. Hier wirken Einflussfaktoren räumlich zusammen, die eine hohe organisatorische Komplexität erzeugen:

  • Abfüllen als elektrostatisch stark ladungserzeugender Prozess,
  • entweichende brennbare Dämpfe beim Öffnen der Tankdome/Behälter,
  • elektrostatisch isoliert stehende Tankwagen/Behälter,
  • Bedienvorgänge durch Fremdpersonal (Tankwagenfahrer),
  • betriebsfremde Fahrzeuge/Behälter mit teilweise nicht vorhandenen oder verschmutzten Erdungsanschlüssen,
  • vielfach keine automatisierte Überfüllsicherung, zum Beispiel Tankwagen ohne Überfüllsensoren, Fässer, Behälter,
  • unterschätzte Gefahren bei Kleingebinden, Restmengen, Vermischungen,
  • hohe Bedienfrequenzen an stark frequentierten Abfüllanlagen,
  • wechselnde Produkte unterschiedlicher Gefahrenklassen.

Wie schützt man Füllstellen vor elektrostatischen Aufladungen?

Bahnkesselwagen
Auch wenn die Erdung von Bahnkesselwagen nicht immer zwingend vorgeschrieben ist, empfiehlt es sich auch hier, Erdungsgeräte einzusetzen. (Bild: Marco2811 – stock.adobe.com)

Neben verfahrenstechnischen Maßnahmen wie der Reduzierung von Strömungsgeschwindigkeiten sollten Betreiber zum Schutz vor gefährlichen Aufladungen Erdungs- und Potenzialausgleichsmaßnahmen ergreifen. Oberster Grundsatz ist, dass alle leitfähigen Medien, Einrichtungen und Gegenstände zu erden sind und dass alle ableitfähigen mit Erde zu verbinden sind. Dies trifft auch auf die ortsbeweglichen Behälter wie Tankwagen, Silofahrzeuge, Eisenbahnkesselwagen, IBC, Fässer, Kanister sowie Big-Bags zu.

Elektrostatisch geerdet sind leitfähige Gegenstände, Flüssigkeiten und Schüttgüter mit einem elektrischen Widerstand ≤ 106 Ω gegen das Erdpotenzial (Ableitwiderstand). Im einfachsten Fall benutzt man hierzu ein Erdungskabel mit einer Erdungszange. Das Erdungskabel ist anlagenseitig an das Potenzialausgleichssystem (PA-Schiene) der Füllstelle angeschlossen. Tiefenerder verbinden das PA-System mit dem Erdpotenzial. Bevor der Befüllvorgang beginnt, wird die Erdungszange am Behälter angeschlossen. Behälter und Füllanlage befinden sich nun auf demselben elektrischen Niveau (Erdpotenzial). Bei der Abfüllung entstehende elektrostatische Aufladungen des Behälters werden zur Erde hin abgeleitet.

Erdungsverbindungen sollten überwacht werden

Nicht elektronisch überwachte Erdungsverbindungen besitzen einen Schwachpunkt: Es ist nicht für jeden Einsatzfall sichergestellt, dass tatsächlich eine ableitfähige Verbindung geschaffen wurde. Folgende Punkte sind zu bedenken:

  • Der Bediener muss die Erdungszange wie vorgeschrieben bei jedem Abfüllvorgang benutzen.
  • Die Erdungszange darf sich während des Abfüllvorgangs nicht vom Behälter lösen bzw. darf nicht entfernt werden.
  • Sollte die Erdungsverbindung unterbrochen werden, muss der Befüllvorgang sofort gestoppt werden.
  • Die Erdungszange darf nicht bei laufendem Befüllvorgang wieder angeklemmt werden.
  • Vor jeder Benutzung muss geprüft werden, ob Erdungszange und Erdungskabel intakt sind.
  • Äußerlich unbeschädigte Kabel vermitteln trügerische Sicherheit. Sie werden erfahrungsgemäß nicht genauer überprüft oder elektrisch durchgemessen.
  • Selbst bei ordnungsgemäß angebrachter Erdungszange am Behälter können Produktablagerungen oder Verschmutzungen eine ableitfähige Verbindung verhindern.
  • Um diese Nachteile auszuräumen, gibt es elektronisch überwachende Erdungsgeräte. Da diese Technik aufgrund ihrer Auslegung für explosionsgefährdete Bereiche sehr zuverlässig ist, lassen sich die Geräte in der Regel über Jahrzehnte störungsfrei betreiben. Praktisch führt dies dann allerdings oft dazu, dass viele Neuerungen der Erdungstechnik nur langsam Einzug in Bestandsanlagen finden, obwohl sie einen maßgeblichen Einfluss auf die Erhöhung des Sicherheitsniveaus und auch der Wirtschaftlichkeit haben.

Stand der Erdungstechnik für häufige Applikationen

Abfüllstation mit elektronisch überwachendem Erdungstestgerät
Abfüllstation mit elektronisch überwachendem Erdungstestgerät. (Bild: H. Timm Elektronik)

Für jede Abfüllapplikation sollten dabei die passenden Erdungsgeräte zum Einsatz kommen:

1. Tankwagen und Silofahrzeuge: Diese Fahrzeuge müssen geerdet werden, eine überwachte Erdung ist zweckmäßig (TRGS 727). Moderne Erdungsgeräte erkennen, ob die Erdungszange an den Tankwagen oder an ein anderes Objekt angeklemmt wurde. Diese Objekterkennung auf Basis einer kapazitiven Messung verhindert, dass der Bediener die Erdungszange nicht oder nicht korrekt einsetzt. Des Weiteren sind Geräte mit Zündschutzarten von Vorteil, bei denen der Tausch verschlissener Erdungskabel ohne Sperrung und Spannungsfreischaltung der Füllstelle erfolgen kann. Eine zusätzliche Abreißsicherung schützt das Erdungsgerät, wenn der LKW mit angeschlossenem Erdungskabel die Füllstelle vorzeitig verlässt.

2. Bodenverladung in Straßentankwagen (Ottokraftstoff): Für das Bottom-Loading von Ottokraftstoffen ist eine kombinierte Erdungs- und Überfüllsicherung nach DIN EN 13922 vorgeschrieben (94/63/EG). Sie muss zusätzlich die Gaspendelung überwachen und in die Steuerung eingebunden sein. Moderne Steuergeräte dieser Überfüllsicherung bieten eine unterstützende Text-Anzeige für den Bediener. Ferner erkennen sie, ob das Tankwagenkabel zur Erdung und Überfüllsicherung ordnungsgemäß verstaut ist, bevor sie die Verladebühne zur Ein- beziehungsweise Ausfahrt freigeben. Beschädigungen durch fahrende LKW lassen sich so vermeiden. Wenn passende Überfüllsensoren im Tankdom verbaut sind, kann diese Art der Überfüllsicherung und Erdung auch für Chemikalien eingesetzt werden.

3. Bahnkesselwagen: Die Erdung von Bahnkesselwagen ist nicht zwingend vorgeschrieben, wenn der Tank über die Gleise geerdet ist. Problematisch ist der Nachweis im laufenden Betrieb. Daher empfiehlt es sich, auch für diese Anwendungen Erdungsgeräte einzusetzen, die das Vorhandensein einer Erdungsverbindung bestätigen beziehungsweise sie herstellen. Eine Objekterkennung wie bei Tankwagen ist technisch bisher nicht möglich. Kombinierte Füllbühnen für Bahn- und Straßentankwagen können mittels eines Umschalters mit nur einem Erdungstestgerät ausgerüstet werden.

4. Kleingebinde (IBC, Fässer, Big-Bags): Die Erdung leitfähiger und ableitfähiger Behälter ist vorgeschrieben. Eine Überwachung der Kontaktierung der Erdungsverbindung zu metallischen Anschlusspunkten über eine Widerstandsmessung ist gängig. Gefahren einer elektrostatischen Aufladung treten regelmäßig auch bei Schüttgütern auf. Leider fällt deren praktische Wahrnehmung in den Betrieben oft hinter der von Flüssigkeiten und Gasen zurück. Während Silo-LKW mit Erdungsgeräten geschützt werden, gilt dies für die häufig verwendeten flexiblen Schüttgutbehälter (Big-Bags) oftmals nicht. Dabei gibt es auch hierfür Erdungsgeräte mit zuverlässiger Objekterkennung um den Bediener zur vorschriftsmäßigen Erdung anzuhalten.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Erdungstechnik maßgeblichen Einfluss auf die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit bei der Abfüllung brennbarer Stoffe hat. Auch Bestandsanlagen sollten regelmäßig auf die applikationsgerechte Ausrüstung mit Erdungsgeräten hin überprüft werden, um das Sicherheitsniveau zu erhalten. Eine wertvolle Unterstützung kann in diesem Zusammenhang das Spezialwissen der Hersteller sein. Es bietet sich an, diese bei der Planung der Schutzmaßnahmen, für Schulungen des Betreiberpersonals sowie für regelmäßige Überprüfungen im Rahmen der Betriebssicherheitsverordnung hinzuzuziehen.

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