
(Bild: Hüthig Medien)
- Eine McKinsey-Studie fand heraus, dass 70 % der Digitalisierungsprojekte als gescheitert wahrgenommen werden.
- KI-Experten und Anlagenbauer müssen versuchen, die Anforderungen und Möglichkeiten der jeweils anderen Seite zu verstehen.
- Chatbots, die auf Projektdaten zugreifen können, können das Suchen und Aufbereiten von Informationen zügiger gestalten.
Andreas Schumacher von VTU Engineering ging in seinem Vortrag der Frage nach, warum Digitalisierungsprojekte regelmäßig scheitern – laut einer McKinsey-Studie werden 70 % solcher Projekte als misslungen wahrgenommen. Diese hohe Zahl zeigt, dass viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, Digitalisierungsprojekte erfolgreich umzusetzen.
Ein Hauptgrund für das Scheitern liegt laut Schumacher darin, dass viele Unternehmen versuchen, die Technologie ihre Geschäfte treiben zu lassen, anstatt sich auf das eigentliche Business zu konzentrieren und dann die passende Technologie auszuwählen. Die Digitalisierung sollte stets auf die individuellen Bedürfnisse und Prozesse des Unternehmens abgestimmt sein, anstatt um des Fortschritts willen umgesetzt zu werden.

Schumacher betonte außerdem, dass Digitalisierungsprojekte keine reinen Technologieprojekte sind. Sie erfordern vielmehr eine Kombination aus technischen Kompetenzen und der Fähigkeit, Menschen zu motivieren, ihre Arbeitsweise zu ändern. Oftmals werden Techniker als Projektmanager eingesetzt, obwohl diese Rolle besser von jemandem ausgefüllt werden sollte, der in der Lage ist, die organisatorischen und menschlichen Herausforderungen eines Digitalisierungsprojekts zu bewältigen.
Ein weiterer Punkt, den Schumacher ansprach, war die Größe des Digitalisierungsportfolios. Anstatt viele kleine Projekte gleichzeitig zu starten, sei es sinnvoller, sich auf wenige große Projekte zu konzentrieren, die einen messbaren Mehrwert für das Unternehmen bieten. Er ist der Meinung, dass der Fokus in den Projekten oft nicht richtig gesetzt ist, denn der Großteil einer Digitalisierungslösung wie das Erwerben von Lizenzen und das Klären von Datenschutzfragen passiert, bevor die tatsächliche Technologie implementiert ist. Dabei sollte stets ein langfristiger Plan vorhanden sein, um Kosten effizient zu managen und die Projekte erfolgreich umzusetzen.
KI als Projektmanager
Thomas Blau von Standardkessel Baumgarte ging in seinem Vortrag auf konkrete Anwendungen von KI im Anlagenbau ein. Ein zentrales Beispiel war die Planungsphase, in der KI genutzt wird, um Arbeitsabläufe zu verbessern, und mehrere Dimensionen wie Kosten und Zeitpläne in einem Modell zusammenzuführen. Dies ermöglicht eine effizientere und transparentere Projektabwicklung, da alle relevanten Informationen in einem zentralen System verfügbar sind und nicht in verschiedenen Ordnern und Systemen gesucht werden müssen.
Schon heute ist es in der Anlagentechnik möglich, ein Kraftwerk 72 h lang ohne die Überwachung eines Operators zu betreiben. Zukünftig können KI-gestützte Prozessleitsysteme die Handlungen eines Operators bewerten und entscheiden, ob dessen Eingriff einen Nutzen gebracht hat. Blau hob die Fortschritte in der zustandsorientierten Instandhaltung hervor. Hierbei wird die Lebensdauer der Anlagenteile durch ständige Überwachung besser ausgenutzt, was zu einer besseren Wartungsplanung führt. Ein Problem bleibt jedoch bestehen: Die Anlage muss oft stillstehen, um die erforderlichen Daten für diese Analysen zu erfassen. Digitale Zwillinge hingegen können verhindern, dass der laufende Betrieb gestört wird. Sie ermöglichen es, Fehler zu identifizieren und Prozesse ganz ohne Anlagenstillstand zu simulieren. So kann eine neue Anlage bereits im Dummy-System getestet und Prozesse können schon beim Factory Acceptance Test (FAT) simuliert werden.

Ein weiterer zentraler Punkt des Vortrags war die Gesetzgebung zur KI. In der EU wird bereits in der Maschinenrichtlinie darauf hingewiesen, und der AI-Act ordnet KI-Anwendungen in Risikogruppen ein. Je nach Risikostufe müssen Unternehmen unterschiedliche Maßnahmen ergreifen, um KI-Anwendungen sicher in den Markt einzuführen. Blau ist der Meinung, dass „Dolmetscher“ zwischen KI-Experten und Ingenieuren das Einführen von KI-Lösungen im Anlagenbau vereinfachen. Denn KI-Experten kommen meist aus dem IT-Bereich und haben wenig Ahnung von den Anforderungen im Anlagenbau. Solche „Dolmetscher“ könnten demnach dazu beitragen, dass beide Seiten die Anforderungen und Möglichkeiten der jeweils anderen Seite besser verstehen.
Was ist der europäische AI-Act?
Der europäische AI-Act, offiziell bekannt als „Regulation of the European Parliament and of the Council on Artificial Intelligence“, ist eine EU-Regelung, die im Juni 2024 in Kraft trat. Bis Juni 2026 müssen die EU-Mitgliedsstaaten die Regelung in ihr nationales Recht übernehmen. Ziel des AI-Acts ist es, einen rechtlichen Rahmen für den Einsatz von KI in der EU zu schaffen und sicherzustellen, dass entsprechende Technologien sicher, transparent und ethisch eingesetzt werden.
Der AI-Act teilt KI-Systeme nach ihrem Risiko in vier Stufen ein:
- Unakzeptables Risiko: KI-Systeme, die als gefährlich gelten und verboten werden wie Social Scoring durch Staaten.
- Hohes Risiko: KI-Systeme, die strengen Anforderungen an Transparenz und Sicherheit unterliegen wie KI in kritischen Infrastrukturen oder dem Gesundheitswesen.
- Geringes Risiko: KI-Systeme, die weniger reguliert werden, aber trotzdem bestimmte Anforderungen erfüllen müssen wie Chatbots.
- Minimales Risiko: KI-Systeme, die keine besonderen Vorschriften benötigen wie Spam-Filter.
Unternehmen müssen Informationen bereitstellen, wie ihre KI-Systeme funktionieren, insbesondere bei hochriskanten Anwendungen. Gerade zum Schutz von Sicherheit und Datenschutz, insbesondere bei hochriskanten KI-Systemen, sind umfassende Maßnahmen gefordert. Außerdem sieht der AI-Act vor, dass nationale Aufsichtsbehörden überwachen, ob die Vorschriften eingehalten werden und gegebenenfalls Sanktionen verhängen können. Gleichzeitig soll die Regelung auch den Einsatz von KI fördern und sicherstellen, dass der technologische Fortschritt nicht durch die Vorschriften behindert wird.
Wer fraget der findet
Das Unternehmen Aucotec hat ein KI-Tool entwickelt, das Dr. Pouria Bigvand auf dem Engineering Summit in seinem Vortrag vorgestellt hat. Der sogenannte EB Advisor benutzt ein speziell gesichertes Open-AI-Modell. Der Advisor ist ein Chatbot, der Zugriff auf alle Daten der Engineering Base – der kooperativen Plattform des Unternehmens – hat und so beispielsweise auf Anfrage den Zustand eines bestimmten Ventils anzeigen kann. Das spart Anwendern die Zeit, sich selbst mit mehreren Klicks durch verschiedene Dateien und Ordner auf die Suche nach dieser Information zu begeben.
Der Chatbot kann außerdem Daten in verschiedene Formate exportieren, Diagramme analysieren und daraus Berichte erstellen sowie 3D-Visualisierungen erzeugen, sofern ausreichend Daten vorhanden sind. Jedoch haben manche Teile eines Projekts in einem bestimmten Kontext eine Bedeutung, die in einem anderen Projekt eine völlig andere sein kann. Darum braucht der Chatbot Kontext für eine Suchanfrage, da er nicht wie ein Mensch selbstständig darüber nachdenken kann, welche Information in diesem Zusammenhang wohl gesucht sein könnte.

Dieses Beispiel zeigt, dass KI-Modelle zwar immer mehr Aufgaben übernehmen, aber dass es noch einen Nutzer braucht, der sie bedient. Dafür werden diesem Nutzer dann zeitintensive und weniger ansprechende Aufgaben wie das Suchen nach Informationen abgenommen. Auch, dass es in Zukunft vielleicht keinen menschlichen Operator mehr benötigt, der 24/7 eine Anlage überwacht, ist eher Segen als Fluch. KI kann Menschen im Anlagenbau also Aufgaben abnehmen und dadurch Zeit für erfüllendere Tätigkeiten schaffen. Bis es so weit ist, gilt es allerdings noch Herausforderungen zu meistern: Die Technologie muss in bestehende Prozesse integriert werden, und um der Skepsis vor dem Neuen zu begegnen, sollten Unternehmen ihre Mitarbeitenden im Umgang mit einem neuen Tool schulen. Nicht nur die Kommunikation an betroffene Mitarbeitende auch die Kommunikation zwischen KI-Experten und Ingenieuren muss gelingen, damit das Projekt nicht auf dem 70 % hohen Haufen der als gescheitert wahrgenommenen Digitalisierungsprojekte landet.