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Das Einmaleins der Kreislaufwirtschaft ist simpel: Es besteht aus vier „R“: Repair, Reuse, Re­furbish und Recycle – doch die Umsetzung hat es in sich. (Bild: Lucija – stock.adobe.com)

  • Prozessautomation schafft die Grundlage für transparente und konsistente Datenströme der Kreislaufwirtschaft.
  • Der digitale Zwilling ermöglicht die Abbildung der gesamten Wertschöpfungskette.
  • Neue Technologien wie APL, NOA und OPA-S treiben die Digitalisierung der Chemieindustrie voran.

Das Einmaleins der Kreislaufwirtschaft ist simpel: Es besteht aus vier „R“: Repair, Reuse, Refurbish und Recycle. Doch die Umsetzung hat es in sich: Materialien und Produkte sollen so lange wie möglich genutzt werden. Wenn das nicht mehr geht, müssen die enthaltenen Rohstoffe weitgehend zurückgewonnen und einem neuen Kreislauf zugeführt werden. Defekte Geräte reparieren statt wegwerfen; genutzte Produkte einer weiteren Nutzung zuführen (Reuse) und/oder dafür aufarbeiten (Refurbish). Erst der letzte Schritt ist das Recycling. Die Ideen dafür sind vorhanden, am regulativen Rahmen wird auf EU- und Länderebene bereits heftig gefeilt.

Für die Umsetzung gilt dasselbe Grundprinzip wie für die Steuerung von Prozessanlagen: Man kann nur das regeln, was zuvor gemessen wurde. Der Nachweis der Kreislauffähigkeit braucht Daten, die Realisierung von Kreisläufen ebenfalls: Reparieren, Aufarbeiten und Wiederverwendung setzen voraus, dass der Zustand der Produkte und deren Zusammensetzung bekannt sind. Spätestens im mechanischen Recycling müssen die Einsatzstoffe bekannt sein, aber auch das optimale Führen von chemischen Recyclingprozessen setzt Informationen über die Edukte voraus. Die vielleicht größte Herausforderung: die übergreifende Koordination und Steuerung der verschiedenen Wertschöpfungsschritte im Produktlebenszyklus. Ein Paradebeispiel liefert die entstehende Kreislaufkette für Batterien bis zu deren Recycling: vom Auto zum Groß- und Hausspeicher, der Reparatur und Aufbereitung einzelner defekter Zellen und erst am Ende eines mehrfachen Nutzungszyklus zum vollständigen Recycling.

Vergleich Lineare Wirtschaft, Recycling und Kreislaufwirtschaft.
Vergleich Lineare Wirtschaft, Recycling und Kreislaufwirtschaft. (Bild: Whale Design – stock.adobe.com)

Neue ESPR-Richtlinie hat für die Industrie Sprengkraft-Potenzial

Die EU hat die Bedeutung des Themas erkannt und der Industrie ein echtes U-Boot auf den Weg geschickt: die ESPR-Richtlinie (Eco-design for Sustainable Products Regulation), die bereits 2026 in Kraft treten soll. Diese schreibt die Einführung eines digitalen Produktpasses (DPP) vor. Die Grundidee: Ein kurzer Scan per Mobiltelefon und der am Produkt angebrachte QR-Code verlinkt auf alle Informationen des DPPs. Der DPP muss umfassende Informationen über die Lebensdauer von Produkten bieten, einschließlich der Zusammensetzung, Herkunft und Recyclebarkeit sowie Daten über die verwendeten Materialien, Energieverbrauch und ökologischen Fußabdruck.

Wie das geschehen soll, bleibt weitgehend den Unternehmen selbst überlassen. Weil die Uhr tickt, lohnt sich der Blick auf bereits existierende Daten-Infrastrukturen. Hier hat die Prozessautomation bereits eine smarte Lösung im Portfolio: den digitalen Zwilling auf Basis der Verwaltungsschale. Der digitale Zwilling kann nicht nur Anlagen virtuell abbilden, sondern eröffnet noch deutlich mehr Anwendungsmöglichkeiten. Mit ihm lassen sich Szenarien simulieren, Prozesse optimieren, Wartungsbedarfe frühzeitig erkennen und Trainings für Anlagenbediener durchführen. Entscheidend für die Kreislaufwirtschaft ist jedoch, dass der digitale Zwilling die gesamte Supply Chain abbildet und so eine kontinuierliche Verfügbarkeit von Daten sicherstellt. Nur durch diese Datenkontinuität können Produktionsprozesse in Echtzeit angepasst und optimiert werden.

Wichtig ist dabei, den Begriff „Digitaler Zwilling“ sauber zu definieren – denn dieser ist mehrdeutig. Häufig wird darunter lediglich das Simulationsmodell verstanden, welches in eigenen Formaten erstellt und angeboten wird. Digitale Zwillinge auf Basis der Verwaltungsschale unterscheiden sich hier deutlich. Verwaltungsschalen werden maßgeblich durch die Industrial Digital Twin Association (IDTA) weiterentwickelt. Ziel der IDTA ist die Etablierung der Verwaltungsschale sowie die Weiterentwicklung von Submodellen. Verwaltungsschalen als Datenmodell zeichnen sich insbesondere durch ihre Interoperabilität aus. Durch die Verwendung von Klassifizierungen, z. B. ECLASS, können alle Informationen in Softwareumgebungen, wie in ein ERP- oder Asset-Management-System, problemlos importiert werden.

Besonders die Verwaltungsschale bietet als Datenmodell für den digitalen Zwilling eine hohe Interoperabilität und ermöglicht den nahtlosen Austausch von Daten in verschiedensten Softwareumgebungen. In Kombination mit dem digitalen Produktpass können Informationen über die Lebensdauer und den ökologischen Fußabdruck von Produkten bereitgestellt werden – ein entscheidender Schritt hin zu einer datengestützten Kreislaufwirtschaft.

A futuristic vision of a circular economy where robots are sorting and processing waste materials The robots are efficiently separating recyclables and ensuring minimal waste is se
Roboter in Recycling-Anlagen einzusetzen, ist eine wenig clevere Lösung. Intelligenter ist es, den Produkten einen digitalen Produktpass mitzugeben und Produkt– und Materialströme auf dieser Basis zu organisieren. (Bild: Anan – stock.adobe.com)

Prozessautomation schafft die notwendige Transparenz

In der Kreislaufwirtschaft geht es darum, zu jedem Zeitpunkt zu wissen, wo welche Ressourcen in welcher Qualität verfügbar sind. Die Prozessautomation ermöglicht diese Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg und bietet die Grundlage für eine flexible Produktion, die sich an wechselnde Rohstoff- und Energieverfügbarkeiten anpassen kann. So lassen sich nicht nur Produktionsausfälle minimieren, sondern auch Emissionen und Energieverbräuche exakt bilanzieren, was die Erstellung fundierter Nachhaltigkeitsbilanzen ermöglicht.

Die Umstellung auf erneuerbare Energien und die Elektrifizierung der Prozesse in der Chemieindustrie stellen zusätzliche Herausforderungen dar, die ohne Automatisierung nicht zu bewältigen sind. Die Prozess­automatisierung hilft dabei, die Produktionsprozesse flexibel am Energieangebot auszurichten und so wirtschaftliche Vorteile zu erschließen.

Künstliche Intelligenz setzt konsistente Datenströme voraus

Moderne Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) spielen ihre Stärken überall dort aus, wo große und konsistente Datenmengen vorhanden sind. Allerdings kämpfen viele Unternehmen der Prozessindustrie noch immer mit inkonsistenten Daten und fehlendem Kontext, beispielsweise in den Stoffkreisläufen. Initiativen wie Manufacturing-X zielen darauf ab, eine digital vernetzte Industrie zu schaffen, in der Daten über Unternehmensgrenzen hinweg sicher und effizient geteilt werden können. Die Nutzung von Blockchain-Technologien könnte hier zukünftig helfen, die Datenintegrität über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts sicherzustellen.

In diesem Kontext verändert sich auch die Rolle der Prozessautomatisierer: Diese schaffen einerseits die Voraussetzungen für konsistente Datenströme, andererseits tragen sie dazu bei, die Datenströme zu managen. Dass die Grenzen zwischen IT (Informationstechnologie) und OT (Operational Technology) verschwimmen, lässt sich bereits bei zahlreichen Unternehmen der Chemie beobachten – Industrie 4.0 und die digitale Transformation führen zu einer verstärkten Konvergenz von IT und OT und der Integration und Vernetzung von Systemen. Diese müssen in der Chemie jedoch immer vor dem Hintergrund hoher Sicherheitsanforderungen erfolgen.

Technologische Initiativen treiben die Automatisierung voran

In der Prozessautomation setzen sich immer mehr Technologien durch, die zu einer durchgängigen Vernetzung beitragen. Die ethernetbasierte Kommunikationstechnologie APL ermöglicht die Digitalisierung der Sensoren und Aktoren, während die Namur Open Architecture (NOA) gestrandete Daten aus Feldgeräten für Optimierungsanwendungen nutzbar macht. Die Modulautomation über das Module Type Package (MTP) reduziert den Aufwand bei der Integration modularer Anlagen und schafft Flexibilität für die Produktion.

Ein weiteres Schlüsselprojekt ist der Open Process Automation Standard (OPA-S), der eine standardisierte und herstellerunabhängige Architektur für die Automatisierung von Prozessanlagen entwickelt. Dieser Standard fördert die Interoperabilität zwischen Geräten und Systemen unterschiedlicher Hersteller und erleichtert somit den Zugang zu Daten aus verschiedenen Quellen.

Ohne Automatisierung keine Kreislaufwirtschaft

Die Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft erfordert transparente und konsistente Datenströme, die durch eine fortschreitende Prozessautomation ermöglicht werden. Technologien wie der digitale Zwilling, Verwaltungsschalen, APL und NOA spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Nur mit einer holistischen und durchgängigen Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette kann die Industrie ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich bleiben. Die Prozessautomation ist somit nicht nur eine technologische Herausforderung, sondern der Schlüssel zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft.

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