Simulation transformiert die Dichtungsentwicklung

Simulationsbasierte Produktentwicklung von Hochleistungsdichtungen

Ein neues Simulationsverfahren erlaubt die Entwicklung leistungsfähigerer Dichtungen in deutlich kürzerer Zeit. Die neue Methode erlaubt es, Simmerringe in entscheidenden Details besser auszulegen als bisherige, konventionell entwickelte Ausführungen.

Das simulationsbasierte Entwicklungswerkzeug Firs³T beschleunigt die Entwicklung leistungsfähiger Dichtungen deutlich.
Das simulationsbasierte Entwicklungswerkzeug Firs³T beschleunigt die Entwicklung leistungsfähiger Dichtungen deutlich.

  • Die Entwicklung von Radialwellendichtungen ist eine anspruchsvolle Aufgabe unter anderem aufgrund der komplexen Fluiddynamik.
  • Ein neues Simulationsverfahren erlaubt die Entwicklung leistungsfähigerer Dichtungen in deutlich kürzerer Zeit.
  • Die Kosten für Prototypen und Tests lassen sich so deutlich senken.

Die erste Druckdichtung aus einer vollständig simulationsbasierten Produktentwicklung: Das ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Freudenberg Sealing Technologies mit der zentralen Konzernforschung Freudenberg Technology Innovation. Das Resultat übertrifft bei Lebensdauer und Zuverlässigkeit die anspruchsvollen Anforderungen moderner Hydrauliksysteme und ermöglicht somit längere Wartungsintervalle und geringere Wartungskosten.

Firs³T heißt das neue Entwicklungswerkzeug. Die Abkürzung steht für „Freudenberg Integrated Radial Shaft Seal Simulation Tool“. Die Entwickler haben es als vollständig gekoppeltes EHL-Simulationsmodell (Elastohydrodynamic Lubrication) programmiert – eine anspruchsvolle Aufgabe unter anderem aufgrund der komplexen Fluiddynamik, wenn sich die Welle relativ zum Dichtring dreht. Freudenberg Sealing Technologies steuerte in dieser Partnerschaft sämtliche Praxisparameter für die Entwicklung der neuen Druckdichtung bei.

„Das Simulationsmodell ist ein Meilenstein in unserem Ansatz zur Produktentwicklung und hat erhebliches Zukunftspotenzial“, sagt Dr. Daniel Frölich, Technischer Leiter des Lead Center Simmerring Industry bei Freudenberg Sealing Technologies. „Firs³T ermöglicht, physikalische Grenzen weiter auszureizen und Dichtungen mit noch besseren Leistungsparametern als bisher zu entwickeln – und das deutlich schneller.“ Das Bündeln von Kompetenzen in dieser engen Zusammenarbeit hat entscheidend zu diesem Durchbruch beigetragen. Diese ist zugleich ein Beispiel für den langen Atem des Unternehmens, um seinen Kunden Innovationen auf hohem Niveau zu bieten: Mehrere Jahre wurde gemeinsam am Simulationsmodell gearbeitet. Jetzt steht es für die Serienentwicklung zur Verfügung – und hat sich bereits bewährt.

Simulierter Blick ins Hydrauliksystem

Die neue Druckdichtung kann in verschiedenen Anwendungen mit Hydraulikpumpen und -motoren in unterschiedlichen Druckstufen eingesetzt werden und punktet mit einer erhöhten Lebensdauer und Zuverlässigkeit und somit geringeren Wartungskosten und längeren Wartungsintervallen. „Sie hat eine geänderte Dichtlippe mit einer optimalen Berührbreite bei jedem Systemdruck. Das resultiert in einem hervorragenden Verschleißverhalten bei einem Druck von bis zu 5 bar mit einer zugleich robusten Abdichtung bei niedrigem Druck. Diese Fähigkeit, dynamische Druckzyklen zu bewältigen, macht die Dichtung ideal für anspruchsvolle Anwendungen in Fluidsystemen“, erläutert Dr. Frölich.

Radialwellendichtungen sind ein bewährtes und millionenfach eingesetztes Maschinenelement. Sie gewährleisten eine dynamische und statische Dichtheit an der Welle. Zugleich tragen sie zu einer optimalen Schmierstoffverteilung bei. Doch trotz aller Routine gab es viele offene Fragen, was genau im Kontakt der Dichtung mit der Welle passiert – einfach, weil man in der Praxis nicht an die relevanten Stellen schauen kann. Das Entwicklungswerkzeug bietet diese detaillierten Blicke simulationsbasiert: Das leistungsstarke Tool liefert eine präzise und nachvollziehbare Vorhersage der Dichtungsleistung unter verschiedenen Betriebsbedingungen und ermöglicht so eine optimale Auslegung und Funktionalität.

Im Entwicklungstool numerisch beschrieben sind unter anderem realitätsnahe Oberflächen im Kontakt zwischen Dichtring und Welle, makroskopische Aspekte wie etwa eine Kontaktpressungsverteilung, die Verzerrung der Dichtung im dynamischen Betrieb, eine Schmierstoffsimulation mit Viskosität und Flussfaktoren an den Oberflächen. Sämtliche Einflussgrößen lassen sich im Rechenmodell flexibel variieren und ermöglichen so den simulierten Blick ins System hinein.

Produktentwicklung in Tagen statt Monaten

Auch beschleunigt das Verfahren die Entwicklung erheblich: Ausschließlich Simulationsberechnungen erlauben die Konstruktion der Dichtung bis zum „Design Freeze“. Dies dauert nur wenige Tage. In der Regel genügt jetzt ein Prototyp, der physisch validiert wird. Es entfallen die zeitraubenden, arbeitsintensiven und damit kostenträchtigen Schritte einer wiederholten Prototypenfertigung inklusive jeweiliger Werkzeugerstellung und physischer Validierung, die bei komplexen Dichtungen mit konventionellen Methoden durchaus Monate in Anspruch nehmen können. Somit reduziert das Werkzeug Zeit, Aufwand und Kosten erheblich. „Bei der Radialwellendichtung waren die Ergebniswerte aus Firs³T sehr nah an den tatsächlich mit der prototypischen Dichtung gemessenen Werten. Das bestätigt die hohe Aussagekraft des Simulationsverfahrens“, resümiert Dr. Frölich.

Das neue Entwicklungswerkzeug soll künftig Standard bei Freudenberg Sealing Technologies sein. So kann das hochflexible Simulationsmodell etwa in der Entwicklung von Dichtungen für Windenergieanlagen eingesetzt werden. Sie haben einen Durchmesser von rund zwei Metern und entsprechend hohe Prototypen- und Testkosten. Diese Faktoren lassen sich durch die Simulation reduzieren. Parallel verfeinern die Experten das Simulationsmodell im Praxiseinsatz kontinuierlich, um künftig immer genauere Aussagen über die Dichtungsleistung und -eigenschaften zu erhalten.

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