Nach Unglück in Leverkusen-Bürrig

Unabhängiges Gutachterteam unterstützt Aufarbeitung nach Chempark-Explosion

Ein weiteres unabhängiges Gutachterteam untersucht die übergreifenden sicherheitstechnischen Prozesse und Abläufe der Currenta nach dem Explosionsereignis am 27. Juli 2021 in der Sonderabfallverbrennungsanlage Leverkusen-Bürrig.

Löscharbeiten nach der Explosion in der Sondermüllverbrennungsanlage Leverkusen-Bürrig

Ein Team unter Leitung des Störfallexperten Prof. Dr. Christian Jochum erstellt ein Begleitgutachten zu den bereits beauftragten unabhängigen Sachverständigen zur Aufklärung des Explosionsereignisses. Bei dem Unglück am 27. Juli 2021 waren sieben Menschen gestorben und über 30 verletzt worden. Die Ursache war einem ersten Gutachten zufolge die unkontrollierte Selbsterwärmung von in einem Tank gelagerten Chemieabfällen. „Die Unterstützung durch Professor Jochum und sein Team ist wichtig, um sicherzustellen, dass aus der Aufarbeitung des Ereignisses die richtigen Schlüsse gezogen werden und Eingang in die Prozesse und Abläufe der Currenta finden“, erklärt Currenta-Geschäftsführer Hans Gennen. „Überprüft werden daher auch die Maßnahmen zur Wiederinbetriebnahme der Anlage. Professor Jochum wird dabei auch Fragen und Sorgen der Öffentlichkeit in seine Arbeit einbeziehen. Seine Ergebnisse werden wir öffentlich zugänglich machen. Wir begrüßen, dass die Bezirksregierung Köln diesen Schritt angeregt hat. Professor Jochum ist ein hervorragender Fachmann mit einem exzellenten Ruf und großer Erfahrung.“

„Ich bedanke mich für das Vertrauen und bin mir sicher, dass wir die Aufarbeitung des Ereignisses und den Weg zur Wiederinbetriebnahme erfolgreich mitgestalten können. Unser Hauptaugenmerk wird darauf liegen, dass die öffentlichen Belange zu jeder Zeit gewahrt werden“, erklärt Jochum. „Aus meiner Sicht ist es deshalb wichtig, dass Currenta auch in Zukunft offen und transparent über die Aufarbeitung dieses Ereignisses kommuniziert.“ Der Chempark-Betreiber informiert bereits auf einer eigenen Website über alle aktuellen Entwicklungen zur Aufarbeitung des Unglücks und zur geplanten Wiederinbetriebnahme. Dort kann auch der Nachbarschafts-Newsletter mit regelmäßigen Informationen aus dem Umfeld des Industrieparks Leverkusen abonniert werden.

Historische Chemie-Katastrophen

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1921: Explosion des Stickstoffwerkes Oppau:Am noch jungen BASF-Standort Oppau explodieren mehr als 450 t des Düngemittels Ammonsulfatsalpeter, die Explosion tötet 559 Menschen und verwüstet die nahegelegene Ortschaft. Ursache ist eine Verfahrensänderung, die unbemerkt zu einer deutlich höheren Zündfähigkeit des Düngers führt. Es ist bis heute der schwerste Unfall der Firmengeschichte und das größte Chemieunglück in Deutschland.
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1948: Kesselwagenexplosion in Ludwigshafen:Bei der Explosion eines Kesselwagens mit rund 30 t Dimethylether auf dem BASF-Gelände Ludwigshafen sterben mehr als 200 Menschen, mindestens 3.800 werden verletzt. Ursache war vermutlich die Kombination aus einer falsch berechneten Volumenreserve und einer fehlerhaften Schweißnaht des Tanks, sodass dieser dem wachsenden Druck bei Außentemperaturen über 30 °C nicht mehr standhielt.
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1968: Chemieunfall in Bitterfeld:Beim Abdichten von Lecks in der PVC-Produktion im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld explodiert das aus dem Reaktionsbehälter abgelassene Vinylchlorid. Die Explosion tötet 42 Menschen und zerstört das Werk. In der zuvor fast ausschließlich auf Planerfüllung ausgerichteten Chemieproduktion der DDR spielen Arbeits- und Umweltschutz nach dem Unfall eine größere Rolle. Seit 2019 erinnert ein Denkmal im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen an die Katastrophe.
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1974: Flixborough-Unglück:Ein undichter Reaktor im Chemiewerk Flixborough, England, wird provisorisch mit Rohrleitungen überbrückt, um den Betrieb bis zur nächsten Wartung aufrechtzuerhalten. Beim Wiederanfahren nach der Wartung zwei Monate später tritt Cyclohexan aus und entzündet sich, durch die folgende Explosion sterben 28 Menschen. Die britischen Behörden verschärfen die Auflagen für Engineering, Design und geschultes Personal in Chemieanlagen.
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1976: Seveso-Unglück:Die Synthese von Trichlorphenol im Icmesa-Werk in Meda, Italien, gerät außer Kontrolle, das hochgiftige Nebenprodukt Tetrachlor-Dibenzodioxin (TCDD) tritt aus. Die Dioxinwolke lässt in den umliegenden Gemeinden Seveso, Meda, Desio und Cesano Maderno viele Pflanzen und über 3.000 Nutztiere verenden. Eine Folge dieser Katastrophe und des Flixborough-Unglücks zwei Jahre zuvor ist dieSeveso-Richtlinie. TCDD ist bis heute als „Seveso-Gift“ bekannt.
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1984: Chemie-Katastrophe von Bhopal:In Bhopal, Indien, gelangt im Werk des Chemiekonzerns Union Carbide durch Betriebsfehler und mangelnde Sicherheitsvorkehrungen Wasser in einen Tank mit Methylisocyanat. Die auftretende Reaktion bringt den Tank zum Explodieren, und bis zu 40 t Methylisocyanat sowie Reaktionsprodukte wie Methylamin verbreiten sich als giftige Wolke in der Umgebung. Die Zahl der Todesopfer ist bis heute ungewiss, sie reicht je nach Quelle von 3.800 bis 25.000.
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1986: Großbrand von Schweizerhalle:Im Industriegebiet Schweizerhalle bricht beim Chemiekonzern Sandoz ein Großbrand aus, vermutlich beim Erhitzen von Plastikfolie zum Verpacken des Farbpigments Berliner Blau. Die Löscharbeiten spülen mit Pflanzenschutzmitteln belastetes Wasser in den Rhein, was ein weitreichendes Fischsterben auslöst. Als Folge des Unfalls richteten die Anliegerstaaten den Rheinalarm ein, um bei Störfällen entlang des Flusses besser kooperieren zu können.
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2001: Düngerexplosion von Toulouse:In einer Lagerhalle des Düngemittelherstellers AZF in der französischen Stadt Toulouse explodieren rund 300 t Ammoniumnitrat, die Explosion tötet 31 Menschen. Der genaue Auslöser ist nicht abschließend geklärt. Der Unfall erinnert nicht nur in Ausmaß und Ursache an die Katastrophe in Oppau achtzig Jahre zuvor: Das Werk in Toulouse entstand Mitte der 20er Jahre als Kopie des Oppauer Stickstoffwerks.
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2015: Katastrophe von Tianjin:Im Hafen der chinesischen Stadt Tianjin bringt die Selbstentzündung von Nitrocellulose in einem Gefahrstofflager 800 t Ammoniumnitrat zur Explosion. Nach offiziellen Angaben kommen 173 Menschen ums Leben. Die anschließende Untersuchung ergibt, dass die Gefahrgüter vor Ort illegal gelagert und Genehmigungen durch Bestechung erteilt worden waren.
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2016: Unfall in Ludwigshafen:Bei Schweißarbeiten am Landeshafen Nord am BASF-Standort Ludwigshafen schneidet ein Arbeiter eines Subunternehmens eine falsche Rohrleitung an. Austretendes Buten entzündet sich und bringt eine benachbarte Ethylenleitung zur Explosion. Durch das Unglück sterben vier Feuerwehrleute und ein Arbeiter auf einem der Schiffe im Hafen. Der Verursacher wird zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Kritik trifft auch die BASF wegen verbesserungswürdiger Sicherheitsvorkehrungen.
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2020: Explosion in Beirut:Im Hafen von Beirut, Libanon, geraten bei Schweißarbeiten in der Nähe gelagerte Feuerwerkskörper in Brand. Das Feuer bringt rund 2.750 t Ammoniumnitrat in einem Lagerhaus zur Explosion, mindestens 190 Menschen sterben. Die explosive Chemikalie stammte aus einem beschlagnahmten Schiff und lagerte dort schon seit Jahren, auf wiederholte Warnungen der Zollbehörden geschah jedoch nichts. Sechs Tage nach der Explosion tritt die Regierung zurück.

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